Einigermassen zufrieden war die Schweiz zur Zeit des 1. Weltkrieges nur in der offiziellen Darstellung. Tatsächlich hungerten auch hier viele Menschen, während einige wenige schlemmten und fette Gewinne einstrichen. Bei unserem Chronisten Victor Haller ist alles dokumentiert.
Aus dem Dienst an der Grenze kehrt der Schweizer Wehrmann mit einem Gefühl zurück, als wäre er «Hans im Glück». Diesen Eindruck versuchte jedenfalls die offiziöse Propaganda im Ersten Weltkrieg zu vermitteln. Doch das war eine Verklärung der gröberen Art.
Begleitet wurden die Soldaten bei der Rückkehr schon sehr viel eher von existenziellen Sorgen als von einem Glücksgefühl, weil sie für den Erwerbsausfall während des Dienstes keine Entschädigung erhalten hatten. Und weil sie auch gegen die Arbeitslosigkeit nicht versichert waren, die nur allzu oft auf den jeweils dreimonatigen Einsatz fürs Vaterland folgte.
Breite Kreise hungerten
Die Folgen konnten dramatisch sein in dem Umfeld, das immer schwieriger wurde. Essen, Kohle, Gas – alles wurde in der Kriegszeit schon bald knapp – und entsprechend teuer. Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundesstaates seien breite Bevölkerungskreise von Hunger und Unterernährung betroffen gewesen, stellt Historiker Georg Kreis fest. Die Volksküchen schöpften den Bedürftigen auch in Basel Tag für Tag tausende von Suppen aus.
Neben den vielen Verlierern im einfachen Volk gab es auch andere, die vom Krieg profitierten (ein Umstand, dem vor Kurzem die «WoZ» einen interessanten Schwerpunkt widmete). Die Chemische Industrie in Basel zum Beispiel machte gutes Geld mit Farbe für neuen Uniformen, Nestlé mit Kondensmilch für die Soldaten an der Front und auch der Uhrenindustrie gelang es, sich auf die neuen Anforderungen der Zeit anzupassen; neben Uhrwerk stellte sie nun Zeit- und Präzisionszünder insbesondere für Granaten her. Die Nachfrage war gross und die Dividenden für die Aktionäre entsprechend hoch.
Dann wütete auch noch die Grippe
Auch bei den hohen Militärs ging das gute Leben weiter, davon zeugen die Speisekarten aus den feinen Restaurants, die unser Chronist Victor Haller in seine Alben eingeklebt hat. Sehr genau registrierte er daneben aber auch die Probleme. Die Kartoffeln, die allgemein fehlen, der Metzgerverband, der sich entschuldigt, weil er nicht mehr genug Fleisch liefern kann, die Rationierungsmassnahmen und Notstandsaktionen, die Rösser, für die es auch nicht mehr genug Nahrung hat. Hallers dritter und vor allem sein vierter Band seiner Alben sind voll solcher Berichte. Und von neuen Meldungen über die ab dem Frühjahr 1918 um sich greifende Spanische Grippe, welche die Not und das Elend noch schlimmer machte und rund um die Welt Millionen von Menschen das Leben kostete.