So könnten die Linken am Sonntag einen dritten Sitz im Nationalrat erobern

Der Sitz von CVP-Nationalrat Markus Lehmann wackelt. Profitieren könnten SP oder Grüne. Drei Szenarien.

Denkbar wäre, dass die Linken ihren dritten Sitz zurückgewinnen. Der Weg dahin ist jedoch schwierig.

(Bild: Nils Fisch)

Der Sitz von CVP-Nationalrat Markus Lehmann wackelt. Profitieren könnten SP oder Grüne. Drei Szenarien.

Die Ausgangslage für die Nationalratswahlen verheisst für Basel-Stadt ein knappes Resultat. Denn es geht nicht nur um Persönlichkeiten, sondern auch um eine gute Portion Wahlarithmetik.

Fraglich ist, ob alle bisherigen Nationalräte wiedergewählt werden. Vieles spricht dafür, dass Silvia Schenker und Beat Jans (beide SP) ihre Sitze verteidigen können. Ebenso Sebastian Frehner (SVP), der keinen direkten Konkurrenten fürchten muss. Daniel Stolz (FDP) wird indes von Christoph Eymann (LDP) aus dem eigenen Lager bedrängt.

Der Sitz von CVP-Nationalrat Markus Lehmann wackelt jedoch am heftigsten. Lehmann kam 2011 nur mit sehr viel Proporz-Glück nach Bern: Er erhielt lediglich 4172 Stimmen, seine direkte Konkurrentin Anita Lachenmeier (Grüne) 10’253. Dass Lehmann dennoch im Nationalrat Platz nehmen durfte, hatte er dem Abschneiden seiner Listengruppe zu verdanken. 

CVP-Sitz würde an SP oder Grüne gehen

Die CVP ging – und geht auch dieses Jahr – Listenverbindungen mit der EVP, der BDP und den Grünliberalen ein. Zusammen erhielten diese Parteien samt Jungparteien 47’321 Stimmen (17,1 Prozent Stimmenanteile). Weil die CVP und mit ihr Lehmann in der Listengruppe am stärksten abschnitten, ging der Sitz an ihn.

Unter den Listengruppen hatten SP und Grüne – Jungparteien mitgezählt – den grössten Anteil an Stimmen. Sie erreichten ihre beiden Sitze (Jans und Schenker) denn auch mit einem grossen Stimmenüberschuss.

 

Wenn der CVP-Sitz fällt, dann zugunsten der SP oder der Grünen – die übrigen Listengruppen sind weit von einem zweiten Sitz entfernt. Die Linken könnten damit den dritten Sitz zurückerobern, den sie von 1995 bis 2011 besetzt hatten. Dafür muss jedoch einiges zusammenkommen.

Szenario 1: FDP und LDP klauen Stimmen aus der Mitte

Die unterschiedlichen Wahlprognosen, die das Stimmverhalten der ganzen Schweiz voraussagen, stimmen in einem Punkt überein: Die FDP gewinnt am 18. Oktober Stimmenanteile. Wie viele, darin sind sich Politologen uneins.

Angenommen, die FDP gewinnt und die Mitte-Parteien verlieren, könnte der Sitz von Lehmann an SP oder Grüne gehen, ohne dass diese massiv zulegen.

 

In diesem Szenario gewinnt die FDP entsprechend den Prognosen des Institut gfs.bern 1,6 Prozentpunkte, SP und Grüne legen zusammen leicht zu – entgegen den Wahlprognosen –, die SVP bleibt konstant und die CVP, Grünliberale, EVP und BDP verlieren zusammen 2,7 Prozentpunkte.

Der CVP-Sitz fällt dann an die Listengruppe SP, Grünes Bündnis, da diese dreimal mehr Stimmen als die schwächste Listengruppe (CVP-Gruppe) hat. So funktioniert die von Hagenbach Bischoff entwickelte Wahlarithmetik.

Welcher Kandidat den frei gewordenen Sitz dann erhielte, hängt von den Stimmenanteilen innerhalb dieser Listengruppe ab. Nimmt man die Ergebnisse der letzten eidgenössischen Wahlen, so würde der Sitz an Sibel Arslan (BastA!) gehen. Denkbar ist jedoch auch, dass Sarah Wyss oder Mustafa Atici (beide SP) den Sitz erhalten würden, wenn die SP genügend stark abschneidet.

 

Szenario 2: SP und Grüne schaffen einen dritten Sitz aus eigener Kraft

Für dieses Szenario bräuchten SP und Grüne ein Glanzresultat. Die nationalen Prognosen verheissen für die Grünen allerdings nichts gutes. Gfs.Bern sagt bei den Wähleranteilen der Grünen einen Verlust von 1,2 Prozentpunkten voraus. In Basel-Stadt verfügt die Liste Grünes Bündnis jedoch über Kandidatinnen, die stark Wähler mobilisieren – zum Beispiel Mirjam Ballmer (Grüne) und Sibel Arslan (BastA!).

Wollen SP und Grüne den dritten Sitz aus eigener Kraft schaffen, müssen sie zusammen über 50 Prozent Stimmenanteile machen. Damit erhielten sie nach dem Hagenbach-Bischoff-Verfahren auf Anhieb drei Sitze, unabhängig davon, wie viel Stimmenanteile die übrigen Parteien schaffen.

 

Einen Stimmenanteil von über 50 Prozent erreichten SP, Grüne und BastA! bereits 2003. Damals hielt die SP drei Sitze (Rudolf Rechsteiner, Remo Gysin und Silvia Schenker), die Grünen gingen leer aus. Einzig in der Legislatur 2007 bis 2011 besetzten die Grünen aus Basel-Stadt mit Anita Lachenmeier einen Sitz.

Das Szenario ist eher unwahrscheinlich, ganz unmöglich ist es jedoch nicht.

Szenario 3: Alles bleibt beim Alten

SP und Grüne legen zu, Mitte-Parteien und Bürgerliche bleiben konstant: In diesem Szenario bleiben die Sitze gleich verteilt, wie bisher. Denn: Der Gewinn eines dritten Sitzes für die Linken hängt grösstenteils vom Abschneiden der schwächsten Listengruppe ab.

CVP, GLP, EVP und BDP werden voraussichtlich als schwächste Listengruppe abschneiden. Unwahrscheinlich ist, dass die SVP einbüsst und um ihren Sitz bangen muss.

Sofern die schwächste Listengruppe die Hürde von 16 Prozent erreicht, kann die Linke kaum angreifen – oder eben nur mit einem Glanzresultat, wie in Szenario 2 beschrieben. So ist denkbar, dass Grüne und SP am Sonntag kräftig zulegen, aber trotzdem zwei Sitze behalten.

 

SP und Grüne können gar mit 49 Prozent Stimmenanteilen leer ausgehen, nämlich dann, wenn die übrigen Listengruppen alle um die 16 Prozent erreichen.

Fazit:

Der Angriff der Linken auf den Sitz von Markus Lehmann stellt sich schwierig dar. Er ist nur dann erfolgversprechend, wenn eine oder zwei Parteien aus der Mitte am Sonntag Verluste einstecken. Sofern die drei Blöcke neben SP und Grünen stabil bleiben, ist der Angriff aussichtslos.

Erste Anzeichen dafür, dass die Mitte in der Stadt Basel verlieren könnte, gibt die Zahl der bereits verschickten Wahlcouverts (die TagesWoche berichtete). Sie deuten auf eine hohe Wahlbeteiligung hin, was für den Politologen Lukas Golder ein Indiz darstellt, dass SP und Grüne besser abschneiden werden als die Mitte.

Jedoch: Leichte Verschiebungen hätten am Sonntag keine Auswirkungen auf die Verteilung der Sitze. Es bräuchte eine Überraschung, damit einer der fünf Bisherigen abgewählt würde.

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Wer die Verteilung der Sitze selbst simulieren möchte, findet bei der «bz Basel» einen interaktiven Rechner, in den sich die genauen Wähleranteile der Parteien einsetzen lassen. 

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