So rasch sind die Reichen nicht weg

Ohne Pauschalsteuer verlieren die Kantone reiche Ausländer und wichtige Steuereinnahmen, sagt die Rechte. Ein fragwürdiges Argument.

Sie werden sich nicht einfach auf und davon machen, die Reichen. Auch wenn die Pauschalbesteuerung in immer mehr Kantonen abgeschafft werden sollte. (Bild: Keystone/ Jean Christophe Bott)

Ohne Pauschalsteuer verlieren die Kantone reiche Ausländer und wichtige Steuereinnahmen, sagt die Rechte. Eine fragwürdige Behauptung. Doch es gibt noch andere Argumente, pro und contra. In unserer Wochendebatte können Sie selbst mitdsiskutieren.

Es ist ein technischer Begriff, der eigentlich ganz harmlos klingt: «Besteuerung nach dem Aufwand». Und doch löst er im ganzen Land viele Diskussionen aus. Aktuell in den beiden Basel und in Bern, wo Linke und Grüne die Abschaffung fordern.

Der Grund für die Aufregung ist klar: In der Debatte um die Pauschalbesteuerung reicher Ausländer geht es nicht nur um viele Millionen Franken, sondern auch um hehre Prinzipien; um Gerechtigkeit, wie die Linken sagen. Beziehungsweise um niedere Instinkte; um Neid, wie die Rechtsbürger­lichen sagen.

Weit auseinander

Wie weit die beiden Positionen auseinanderliegen, zeigte sich vor Kurzem bei einer interessanten Podiumsdiskus­sion in Muttenz, die von der SP Baselland organisiert und von TagesWoche-Redaktor Philipp ­Loser geleitet worden ist. «Ich will gleich behandelt werden wie alle anderen – auch wie die superreichen Ausländer», stellte SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer gleich zu Beginn klar. «Zudem möchte ich in meinem Kanton keine Superreichen, die hier gar nicht ar­beiten dürfen, sondern produktive Arbeitskräfte.»

«Diese Debatte ist doch geprägt von Missgunst», hielt SVP-Landrat Hans-Jürgen Ringgenberg dagegen. Andere Kantone, andere Länder würden ebenfalls auf das Mittel der Pauschalbesteuerung setzen, um für gute Steuerzahler attraktiv zu sein. «Diesem Wettbewerb müssen wir uns stellen», sagte er. Und Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) unterstützte ihn. Sein Kanton sei auf die guten Steuerzahler angewiesen, gerade in der jetzigen, finanziell schwierigen Situation. «Darum ist es unfair, Pauschalbesteuerte als Schmarotzer hinzustellen, so wie es leider immer wieder getan wird», sagte er.

Abstimmungen in Baselland und Bern

Ganz ähnliche Bedenken waren auch in anderen, finanziell teilweise etwas besser gestellten Kantonen zu hören. Dennoch haben Zürich, Schaffhausen und Appenzell Ausserrhoden die Pauschalsteuer bereits abgeschafft. Kommende Woche wird sich aller Voraussicht nach auch Basel-Stadt per Parlamentsentscheid gegen die weitere Sonderbehandlung reicher Ausländer entscheiden. Danach könnten schon bald auch Baselland und Bern folgen. Dort liegt der Entscheid am Wochenende vom 23. September beim Volk.

Buser widerlegt Gysin

Kompliziert ist die Ausgangslage vor allem im Baselbiet, wo die Regierung – anders als in Basel-Stadt – gegen die Abschaffung ist und das alte Steuersystem mit einem Gegenvorschlag zu retten versucht. So lässt sich vor der Abstimmung wieder einmal wunderbar über die verschiedensten Steuermodelle und Steuergerechtigkeit streiten – wie unter anderem auch die beiden Landräte ­Kathrin Schweizer (SP) und Michael Herrmann (FDP) in unserer Wochendebatte.

Dabei könnte man sich auch einmal ganz nüchtern die Frage stellen, was den einzelnen Kantonen mit dem Wegfall der Pauschalsteuer tatsächlich verloren geht. In einem Punkt widerlegen sich die Befürworter gleich selbst. Die Pauschalbesteuerten seien im Baselbiet auch fürs Gewerbe wichtig, weil sie hier regelmässig einkaufen würden, ­erzählte Hans Rudolf Gysin (FDP), alt Nationalrat und alt Gewerbedirektor, am vergangenen Sonntag im «Salon Bâle» von Telebasel.

Zwei Tage später widerlegte ihn ausgerechnet sein Nachfolger an der Spitze der Wirtschaftskammer, Christoph Buser. «Die Betroffenen (…) leben nur wenige Tage im Jahr im Baselbiet – eigentlich sind sie auf der ganzen Welt zu Hause», schrieb er in einem Gastbeitrag in der «Basler Zeitung» unter dem alarmistischen Titel «Die Jagd auf Reiche hat begonnen».

Ein Gehen und Kommen

Umso weniger dramatisch sind die Erfahrungen, die Zürich seit Abschaffung der Pauschalbesteuerung gemacht hat. Der von den Bürgerlichen angekündigte Verlust bei den Steuereinnahmen blieb jedenfalls aus. Und die Finanz­direktion hat eine einfache Erklärung dafür: Einzelne reiche Ausländer sind zwar weggezogen, ihre schönen Wohnungen und Häuser blieben aber nicht leer. Dort sind nun andere Reiche eingezogen, die ihr Einkommen und ihr Vermögen ganz normal versteuern – und damit in der Regel mehr zahlen als die Vorgänger.

Ähnlich wird es wohl auch in Basel laufen. Und in Baselland, falls das Volk dort die SP-Inititative «Schluss mit Steuerprivilegien» annimmt. In der ­Finanzdirektorenkonferenz geht man nämlich davon aus, dass die schicken Wohnungen und Häuser der weggezogenen Pauschalbesteuerten höchstens in den entlegenen Gebieten länger leer stehen würden. Das heisst in Kantonen wie dem Wallis oder Graubünden.

So könnte man eigentlich ganz ­gelassen über das Geschäft mit dem harmlosen Namen «Besteuerung nach dem Aufwand» abstimmen. Zumindest in der ­Region Basel.

 

Zahlen und Fakten
In der Schweiz gibt es rund 5500 Pauschalbesteuerte, die rund 670 Millionen Franken Steuern zahlen (Stand Ende 2010). Ein beträchtlicher Anteil lebt in der Waadt (1400), in den ­beiden Basel sind es eher wenige. Im Baselbiet gibt es 16 Personen, die auf diese Weise rund 1,7 Millionen Franken Staats- und Gemeindesteuern zahlen. In Basel-Stadt 17; sie zahlen 2,31 Millionen Franken Steuern (2009) – das sind 0,15 Prozent der gesamten Einnahmen aus den Einkommens- und Vermögenssteuern. Die Basler Regierung spricht darum von einer «geringen fiskalischen Bedeutung» und plädiert für die ­Abschaffung; in der nächste Woche wird der Grosse Rat darüber befinden. Die Baselbieter Regierung will die Pauschalbesteuerten ­dagegen keinesfalls verlieren und setzt sich darum für den Gegenvorschlag zur Abschaffungsinitiative der SP ein. Demnach sollten die Steuern neu nach dem Siebenfachen der Wohnkosten berechnet werden (heute: nach dem Fünffachen). Die minimale Bemessungsgrundlage soll zudem beim Einkommen von 200 000 auf 400 000 Franken und beim Vermögen von 3,07 Millionen auf 6,155 Millionen Franken erhöht werden. Für eine sinngemässe ­Lösung hat sich auch der Nationalrat ausgesprochen. Die Kantone können aber auch abweichende Bestimmungen erlassen. ­Und auf dieser Ebene ist die Pauschalsteuer weiter unter Druck.
Zürich, Schaffhausen und Appenzell Ausserrhoden haben sie ­bereits abgeschafft, nun wird am 23. September in Baselland und Bern darüber abgestimmt. Vom umstrittenen System profitieren können bis jetzt Ausländer, die in der Schweiz nicht erwerbstätig sind. Die Höhe ihrer Steuern wird nicht nach dem Einkommen und Vermögen bemessen, ­sondern aufgrund der Lebenskosten; festgelegt werden diese nach den Wohnkosten. Die Befürworter bezeichnen das System als einfach. Bei weltweit tätigen Unternehmern, Künstlern oder Sportlern sei es für die Schweizer Steuerverwaltungen nur schwer möglich, einen Überblick über ihr Einkommen und Vermögen zu gewinnen.

 

Quellen

Die «Arena» zum Thema

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.09.12

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