Um 188 Millionen Franken will die Baselbieter Regierung die Staatsausgaben bis 2019 reduzieren. Unter den insgesamt 132 Spar-Massnahmen befinden sich einige mit Sprengstoff. Erste Reaktionen versprechen heftigen Widerstand.
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Der Spardruck ist gross. Seit sieben Jahren schreibt das Baselbiet Defizit um Defizit. «Das Baselbiet lebt über seine Verhältnisse», stellte Finanzdirektor Anton Lauber an der Medienkonferenz zur Baselbieter Finanzstrategie 2016–2019 fest – ein Zustand, den es zu ändern gelte. Und zwar ohne die Steuern zu erhöhen.
Für die Zeitspanne bis 2019 hat die Regierung nun beschlossen, 188 Millionen Franken einsparen zu wollen. Ermöglichen soll das eine «Finanzstrategie» mit 132 Massnahmen. Darunter solche, die einiges an Sprengstoff bergen, wie die Kürzung von Beiträgen an Zentrumsinstitutionen in der Stadt Basel (Stichwort Universität und Kultur) und Sparmassnahmen im Personalbereich.
Stellenabbau und Lohnkürzungen
Zu den «einschneidenden Massnahmen», die man «ohne Tabus» angehen will, wie Lauber sagte, gehören auch der mittelfristige Abbau von rund 400 Vollzeitstellen in der kantonalen Verwaltung sowie die Senkung der Löhne um ein Prozent ab 2016. Ziel ist es, die Lohnkosten um rund zehn Prozent zu senken.
Lauber betonte, dass die Baselbieter Regierung sich nicht mit Sofortmassnahmen aus dem strukturellen Defizit retten möchte. «Wir wollen eine langfristige Strategie verfolgen», sagte er. Es gehe darum, das Hauptproblem zu lösen, nämlich die Tatsache, dass das Baselbiet jeweils mehr Geld ausgebe, als hereinkomme. «Ohne Gegenmassnahmen stehen wir bis 2019 einem strukturellen Defizit von 113 Millionen Franken pro Jahr gegenüber», mahnte Lauber.
Bildung, Gesundheit und Soziales
Die Regierung ortet die Hauptgründe für die stark gestiegenen Ausgaben in den vergangenen zehn Jahren in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales. Hier seien die Kosten seit 2005 um 411 Millionen Franken gestiegen, während der Steuerertrag lediglich um 271 Millionen Franken zugenommen hat. Mit einem Anstieg um 224 Millionen Franken fallen die Gesundheitskosten besonders ins Gewicht, währen die Kosten unter dem Stichwort «Soziales» um 99 und in der Bildung um 88 Millionen Franken anwuchsen.
Auffallend ist, dass die Baselbieter Regierung aber ausgerechnet im Bereich Gesundheit wenig Sparpotenzial geortet hat. Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektor Thomas Weber sagte denn auch, dass er sich vor allem darauf konzentrieren werde, das Kostenwachstum zu dämpfen. Wichtigstes Instrument hierfür ist die kürzlich erst vorgestellte gemeinsame Spitalstrategie mit Basel-Stadt. Die Direktion wird aber pro Jahr lediglich rund 6,5 Millionen Franken einsparen können.
Wenig konkrete Sparmassnahmen vermochte auch Sicherheitsdirektor Isaac Reber anzukündigen. Er sprach von einer Stabilisierung der Einnahmen durch Bussen «auf einem tieferen Niveau» und einem Sparpotenzial, das sich durch den vermehrten Einsatz von Fussfesseln statt Freiheitsstrafen ergeben könnte. Unter dem Strich ergeben sich hier Einsparungen von lediglich rund 3,3 Millionen Franken pro Jahr. Als personalintensive Direktion werde er aber bei den Einsparungen im Personalbereich überdurchschnittlich betroffen sein, sagte Reber.
Sprengstoff Staatsverträge und U-Abo-Subvention
Neben den Einsparungen beim Kantonspersonal dürften vor allem die bereits bekannten Sparmassnahmen in der Bau- und Umweltschutzdirektion sowie in der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion für heftige Diskussionen und für Unmut im Partnerkanton Basel-Stadt sorgen:
Wie bereits an die Öffentlichkeit durchgedrungen ist, will das Baselbiet die Subventionen an das U-Abo in der Höhe von 23 Millionen Franken streichen. «Der Umsteigeeffekt ist längst erreicht», sodass man den gesamtschweizerischen Sonderfall der Subventionierung eines Abonnements ad acta legen könne, begründete Baudirektorin Sabine Pegoraro diese unpopuläre Massnahme. Und erntete damit bereits bei der Ankündigung dieser Sparmassnahme im Landratssaal Proteste.
Teureres U-Abo wird Tatsache, schlecht laufende öV-Linien werden ausgedünnt, Gebäude intensiver genutzt. Beitrag BUD zu #FinanzenBL
— Andreas Schwald (@schwalet) 8. Juli 2015
Die Einsparungen durch die Streichung der U-Abo-Subventionen sind mit 15,4 Millionen Franken der mit Abstand grösste Sparposten in der Bau- und Umweltschutzdirektion, die ansonsten vor allem mit buchhalterischen Tricks (etwa die Erhöhung der Abschreibungsdauer bei Gebäuden) versucht, die Bilanz aufzubessern.
Die Bildung muss bluten
Auch die neugewählte Bildungs-, Kultur- und Sportdirektorin Monica Gschwind bestätigte, was bereits an die Öffentlichkeit drang: So will das Baselbiet seine Beiträge an die gemeinsame Universität ab 2018 um 25 Millionen Franken kürzen. Und auch beim Kulturvertrag will der Landkanton seine Beiträge an städtische Zentrumsinstitutionen ab 2017 um 4,9 Millionen Franken, also um rund die Hälfte, kürzen.
Schüler dürfen sich freuen: Grössere Klassen, schlechter bezahlte Lehrkräfte und das U-Abo wird 25CHF teurer..#FinanzenBL
— Endrit Sadiku (@sadiku_e) 8. Juli 2015
Zu diesen Staatsverträgen mit Basel-Stadt verlor Gschwind nicht allzuviele Worte. Umstritten dürften aber auch die Sparmassnahmen sein, die sie bei den eigenen Schulen wird durchsetzen müssen. So etwa bei der Vergrösserung der Sekundarschulklassen von 24 auf 26 Schülerinnen und Schüler und bei ihrem Versuch, die Schülerinnen und Schüler dazu zu bewegen, ihre Ausbildungszeit abzukürzen. «Jugendliche sollen sich genauer überlegen, was sie wollen, statt jeweils noch ein paar Jahre länger in der Schule zu sitzen», sagte Gschwind.
Mit Einsparungen, die bis ins Jahr 2019 auf insgesamt 52,5 Millionen Franken ansteigen, muss die Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion mehr Kürzungen bewältigen als andere Direktionen.
Sparen bei den Prämienverbilligungen
Auch Finanzdirektor Lauber kündigte für seine eigene Direktion unpopuläre Sparmassnahmen an. Hier dürften vor allem die Einführung eines Selbstbehalts beim Krankheitskostenabzug und Sparmassnahmen bei den Prämienverbilligungen bei der Krankenkasse für Diskussionen sorgen. Die Massnahmen in der Finanz- und Kirchendirektion haben ein Sparpotenzial von rund 44,5 Millionen Franken.
Unter Dach und Fach sind die ganzen Sparmassnahmen noch längst nicht. Denn in einigen Fällen, wie etwa bei der Lohnreduktion oder bei den Staatsverträgen wird der Landrat und allenfalls die Stimmbevölkerung noch mitreden. Finanzdirektor Lauber gab sich bewusst darüber, dass sich nicht alle Vorschläge leicht umsetzen lassen werden.
Auf einer Liste mit dem Titel «Umsetzungswahrscheinlichkeit der Strategiemassnahmen» werden lediglich etwas über die Hälfte der einzusparenden Kosten mit der Bemerkung «Umsetzung realistisch» taxiert. Beim Rest heisst es «Umsetzung möglich» oder gar «Umsetzung fraglich».
Die wichtigsten Spar-Massnahmen in der Übersicht nach Direktionen
Die folgenden Grafiken zeigen die Massnahme sowie die Einsparungen in Millionen.
Reaktionen: Die Linke ist bestürzt, die Rechte applaudiert
Wenig überraschend fallen die ersten Reaktionen auf die Finanzstrategie aus. Während die bürgerlichen Parteien, die im Landrat und die Regierung die klare Mehrheit besitzen, applaudieren, zeigen sich die Parteien des linken Spektrums und die Gewerkschaften bestürzt über die vorgestellten Massnahmen zur Reduktion der Staatsausgaben bis 2019:
- «Schockiert und fassungslos» über die vorgeschlagene Sanierung der Kantonsfinanzen zeigt sich der Gewerkschaftsbund Baselland (GBBL). «Die rechtsbürgerliche Regierung will ihre jahrelange verfehlte Finanzpolitik auf dem Buckel des Personals, der Familien und der mittleren und der kleinen Einkommen sanieren», schreibt der GBBL. Besonders kritisiert wird die Tatsache, dass 400 Vollzeitstellen gestrichen werden sollen und das übrigbleibende Staatspersonal trotz des dadurch entstehenden Mehraufwands Lohnkürzungen von einem Prozent in Kauf nehmen müsse.
- In dieselbe Kerbe schlägt auch der VPOD der Region Basel. Er werde zusammen mit den anderen Personalverbänden die Einzelmassnahmen genau prüfen und «gegen den Strich bürsten», schreibt die Gewerkschaft des Staatspersonals. Gleichtzeitig kündigt der VPOD auf Anfang September eine grosse Protestaktion des Kantonspersonals an.
- Für das Junge Grüne Bündnis und die Jungsozialisten ist vor allem die Streichung der Subventionen an das U-Abo ein Dorn im Auge. Die Juso haben bereits eine Petition «zur Rettung des U-Abos» lanciert.
- Ganz anders die Reaktion der bürgerlichen Parteien CVP, FDP und SVP, die in einem gemeinsamen Mediencommuniqué die vorgestellten Massnahmen zur Sanierung der Kantonsfinanzen «wohlwollend zur Kenntnis» nehmen. «Die aktuelle Finanzlage erfordert eine schonungslose Hinterfragung verschiedenster Aufgaben und Leistungen, die in unserem Kanton über die Jahre hinweg herangewachsen sind», schreiben sie. Ob sich diese Einigkeit lange halten wird, wird sich zeigen. Es sei noch zu früh, zu den einzelnen Massnahmen konkret Stellung zu nehmen, heisst es im gemeinsamen Communiqué.
- Der Verband Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG) will sich nicht damit abfinden, dass die Gemeinden auf die finanzielle Entlastung bei den Ergänzungsleistungen in der Höhe von 30 Millionen Franken verzichten sollen. «Der VBLG fordert vom Regierungsrat, dass er seine Liste der Massnahmen zur Erreichung eines nachhaltig ausgeglichenen Staatshaushaltes in diesem Punkt korrigiert, denn das angekündigte Vorgehen würde für ihn gegen Treu und Glauben gehen», heisst es in einer Stellungnahme des Verbands.
- Das Komitee starke Schule Baselland nutzt in seiner Stellungnahme zur Finanzstrategie einmal mehr die Gelegenheit, auf den ungeliebten ehemaligen Bildungsdirektor Urs Wüthrich einzudreschen: «Viele dieser Sparmassnahmen wurden notwendig, weil alt RR Urs Wüthrich teure Mammutprojekte durchgeboxt hat, die erhebliche finanzielle Mittel kosteten, jedoch keinen bildungspolitischen Mehrwert brachten», schreibt es. Verschiedene Sparmassnahmen, wie etwa die Erhöhung der maximalen Klassengrössen, lehnt das Komitee aber entschieden ab.
Tweetbox zur Medienkonferenz der Baselbieter Regierung: