So würde Jesus abstimmen

Aufgepasst, liebe CVP: Der Basler Theologe Moises Mayordomo hat für uns das wahrscheinliche Abstimmungsverhalten von Jesus Christus untersucht. Wie würde Jesus stimmen? Hier erfahren Sie es.

«Meine Reputation steht hier auf dem Spiel» – Theologe Moises Mayordomo riskiert seinen guten Ruf im Experiment, das Wahlverhalten von Jesus zu erörtern.

(Bild: Jonas Grieder)

Aufgepasst, liebe CVP: Der Basler Theologe Moises Mayordomo hat für uns das wahrscheinliche Abstimmungsverhalten von Jesus Christus untersucht. Wie würde Jesus stimmen? Hier erfahren Sie es.

Was würde Jesus tun? Die Frage dient jenseits des Atlantiks gerne als Machete, um sich einen Weg durch den Dschungel des Lebens zu schlagen. Sie ziert iPhone-Hüllen und Nuggis, wurde in eine Filmreihe eingearbeitet («What would Jesus do?», WWJD II – «der Schnitzer», WWJD III – «Die Reise geht weiter»), prangt für den kleinen Gag im falschen Moment selbst auf Stringtangas. Die Frage, wie Jesus über den Handel mit derartigem Tand denken würde, sei jetzt ausser Acht gelassen.

Hier taucht sie in anderer Form auf, nicht selten in der Flüchtlingsdebatte: wenn von «christlichen Werten» die Rede ist (Appell, mehr Flüchtlinge aufzunehmen) oder fordernder von «christlicher Leitkultur» (Appell, weniger Flüchtlinge aufzunehmen) oder auch von abendländischer Kultur (Appell für mehr Donnschtigsjass).

«Vielleicht würde die Jesus-Bewegung heute mit dem Fahrrad Ausflüge machen.» (Bild: Jonas Grieder)

Ja, was würde er tun? Etwa am 28. Februar, wenn er sich am Sonntag frühmorgens vor dem Basler Rathaus einreihen würde mit dem Stimmcouvert in der Hand. Wir haben den Theologen Moises Mayordomo gebeten, uns die Frage zu beantworten und gleich einen Smartspider von Jesu Abstimmungsverhalten zu erstellen, um es bei nächster Gelegenheit einem Politiker der C-Partei unter die Nase zu reiben. 

Mayordomo ist Professor für Neues Testament an der Uni Basel, hat auch schon über Monty Pythons «Life of Brian» geforscht und sollte selbst für ausgewiesene Atheisten Grund sein, Theologie in Basel zu studieren. Mayordomo hat sich zu diesem Experiment bereit erklärt, weil er sich selbst häufig ärgert, wie oft Jesus in politischen Auseinandersetzungen als Komplize missbraucht wird.

Wir sind mit Mayordomo den kleinen Fragekatalog von Smartvote zu den letzten Nationalratswahlen durchgegangen, wollten aber davor vor ihm wissen, wie er zu den drei Abstimmungen vom 28. Februar stehen würde. 

1. Will Jesus eine zweite Gotthard-Röhre?

«Ach, du meine Güte, wo setze ich da an? Okay: Die Jesus-Bewegung war zu Fuss unterwegs. Die heutigen Transportmittel waren natürlich noch kein Thema, aber sie war auch nicht auf Pferden unterwegs. Vielleicht würde sie heute mit dem Fahrrad Ausflüge machen. Wenn man aus Gründen des Umweltschutzes gegen die zweite Röhre ist, liegt der Fall eindeutig: Es gibt in der Bibel eine klare Stellungnahme für die Natur, für die Bewahrung der Schöpfung. Die Jesus-Bewegung zeigte auch eine Tendenz zum einfachen Leben, Formen von übersteigertem Luxus waren ihr zuwider…ziemlich sicher wäre er gegen eine zweite Gotthardröhre.»

2. Wie steht er zur Durchsetzungsinitiative?

«Die Jesus-Bewegung war so etwas wie eine utopische Gesellschaft, die keine territorialen Grenzen kannte. Das Christentum hat nationale Identitäten aufgehoben. Ob ein Christ Römer war oder Nordafrikaner spielte keine Rolle: Es war eine universelle Bewegung. Grundsätzlich liegt man richtig, wenn man alles ablehnt, was zu einer Zementierung von Unterschieden innerhalb einer Gesellschaft führt. Schon die Unterscheidung in Aus- und Inländer hätte Jesus nicht gutgeheissen.»

3. Nahrungsmittel-Spekulation

«Unbedingt verbieten. Die Vorstellung, dass man mit Grundnahrungsmitteln Handel treiben kann, steht völlig quer zur Bibel mit ihrem eher naiven Bild der Ernährung als rein natürlichem Prozess. Überhaupt Handel ist in der Perspektive Jesu sehr kritisch zu betrachten. Die Verzinsung ist schon im jüdischen Gesetz verboten.»

Historisch betrachtet sei es schwierig wiederzugeben, was Jesus wirklich gesagt hat, sagt Mayordomo. Doppelt schwierig sei es, die heutigen gesellschaftlichen Realitäten in die Zeit Jesu, ins Judäa des ersten Jahrhunderts zu übertragen. «Aber es gibt ein paar Grundsätze, die man auch heute anwenden kann: Die Bewahrung der Schöpfung als Prinzip, oder dass Jesus auf der Seite der Armen stand und nicht der Reichen.»

«Es gibt so viele Jesusse, wie man will», sagt Mayordomo. Das 19. Jahrhundert produzierte einen bürgerlichen Jesus, der Erste Weltkrieg den Helden, später gesellte sich der kulturkritische, apokalyptische Jesus dazu, in den späten 1960er-Jahren der Hippie-Jesus. «Man hat eben Jesus gerne auf seiner Seite», folgert der Professor. «Ich darf jetzt nicht in die gleiche Falle geraten und meine eigenen politischen Interessen über jene Jesu stülpen. Meine Reputation steht hier auf dem Spiel.»

Auf die Reputation können wir keine Rücksicht nehmen. Also auf zum grossen Test: 30 politische Fragen zur Schweiz auf der Wahlhilfe-Plattform Smartvote. Schon das Anlegen des Profils gestaltet sich diffizil. Das Geburtsjahr Jesu wird nicht akzeptiert, Judäa als Geburtsland fehlt auch. Und dann erst die Verpflichtungen, die Moises Mayordomo mit dem Erstellen eines Profils eingeht: «Jesus hasst Newsletter, und allgemeine Geschäftsbedingungen mag er auch nicht!»

Jetzt aber mit der gebotenen Ernsthaftigkeit in die Materie rein:

Wie hats Jesus mit dem Kiffen?

Die unmissverständliche Antwort wirft die Frage auf, warum sich so viele EVP- und CVP-Politiker derart stark für Drogenprohibition und Suchtmittel-Werbeverboten jeder Art einsetzen. Im alten Judäa ging man offensichtlich deutlich entspannter mit Rauschmitteln um.

Sollte die Finanzierung von Parteien offengelegt werden?

Nicht immer lässt sich aus Jesus eine Antwort rauskitzeln, ein beträchtlicher Teil der Fragen bleibt unbeantwortet. Weil man sich mit bestem Biegen und Strecken etwa bei der Frage zur Franchisenerhöhung keinen Reim aufs Urchristentum machen kann. 

Würde Jesus der Erhöhung des Rentenalters auf 67 zustimmen?

Bei der Debatte ums richtige Rentenalter gibt Jesus also keine Hilfestellung. Wie ist es denn bei Fragen, die christlich-konservative Politiker als persönlichen Angriff auf ihr Wertesystem erachten?

Sollen gleichgeschlechtliche Paare, die in eingetragener Partnerschaft leben, Kinder adoptieren dürfen?

Die Beantwortung dieser Frage zeigt in den Augen Mayordomos exemplarisch die Schwierigkeiten der Handlungsanleitung «What would Jesus do?»: 

«Wir können sicher sagen, dass die jüdische Gesellschaft durchgehend negativ eingestellt war zu den homosexuellen Praktiken, wie sie in der Antike bekannt waren. Die Frage ist aber, was Jesus davon halten würde, wäre er in einer Gesellschaft gross geworden, in der es annehmbar ist, dass erwachsene Männer oder Frauen ihre Liebe so zum Ausdruck bringen. Das ist eine unglaublich schwere Frage. Könnten wir in eine Zeitmaschine steigen und Jesus dazu befragen, wäre er wahrscheinlich sehr überrascht.

Würde er die Adoption gutheissen, wenn die Partnerschaft per se akzeptiert wäre?

(überlegt lange)…«Kinder adoptieren ist ja ein sozialer Akt…Will ich fair sein zu den historischen Herausforderungen dieser Frage, muss ich sagen: keine Antwort möglich.»

Um alle Fragen des Smartvote-Katalogs abzuhandeln fehlt uns an dieser Stelle die Zeit, wir sind aber gerne bereit, bei Interesse einzelne Antworten nachzuliefern. Ansonsten einfach den Smartspider von Jesus Christus über den eigenen legen, und solange daran basteln, bis Deckungsgleichheit hergestellt ist.



Jesus war eine linke Socke: Smartspider mit dem aus der Bibel abgeleiteten Abstimmungsverhalten von Jesus Christus.

Jesus war eine linke Socke: Smartspider mit dem aus der Bibel abgeleiteten Abstimmungsverhalten von Jesus Christus.

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