Spioniert Erdogan Basler Türken aus?

Lehrer und Imame aus der Türkei stehen im Verdacht, ihre Landsleute zu bespitzeln. Nun soll die Basler Regierung einschreiten.

Lehrpersonen sollen Infos über Schülerinnen und Schüler sowie Eltern an die türkische Botschaft weitergeben.

(Bild: Nils Fisch)

Lehrer und Imame aus der Türkei stehen im Verdacht, ihre Landsleute zu bespitzeln. Nun soll die Basler Regierung einschreiten.

Imame, die Moschee-Besucher bespitzeln und Infos über Erdogan-Kritiker an den türkischen Staat übermitteln: Der «Spiegel» machte kürzlich publik, wie Imame quasi als Spione eingesetzt werden. Die deutschen Behörden haben bei mehreren Imamen Razzien durchgeführt. Der Verdacht: geheimdienstliche Agententätigkeit.

Das Nachrichtenmagazin zitiert aus Berichten, die Regime-Kritiker auflisten und Hinweise auf ihre politische Gesinnung geben. Darunter sind auch Berichte aus der Schweiz. Im Visier der Erdogan-Spione stehen Anhänger der Gülen-Bewegung sowie Personen aus dem Umfeld der kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Türkischer Staat finanziert Imame

Was die Schweizer Behörden gegen mögliche Spionage-Aktivitäten unternehmen, ist unklar. Ein Strafverfahren laufe derzeit nicht, schreibt die Bundesanwaltschaft auf Anfrage. Ob Ermittlungen laufen, darüber gibt die Behörde keine Auskunft. Eine gut unterrichtete Quelle bestätigt jedoch gegenüber der TagesWoche, dass Vorermittlungen laufen.

Dass in der Schweiz auch bespitzelt wird, ist ein naheliegender Verdacht. Der Basler SP-Grossrat Mustafa Atici sagt: «Ich gehe davon aus, dass auch in der Schweiz und in Basel Imame für AKP-Propaganda eingesetzt und Moschee-Gänger bespitzelt werden.» Denn er könne sich nicht vorstellen, dass die türkische Regierung ihre Diaspora-Bevölkerung nur in Deutschland ausspionieren lasse.

Parallelen gibt es bei der Finanzierung der türkischen Moscheen in der Schweiz und Deutschland: In Deutschland gehören die verdächtigen Moscheen zum islamisch-türkischen Dachverband Ditib. Das Schweizer Pendant zum Verband ist die Türkisch Islamische Stiftung (ITDV). Beide Verbände stehen mit Diyanet in Verbindung, der türkischen Behörde für religiöse Angelegenheiten.

Eine Basler Moschee im Fokus

Die Basler Fetih-Moschee ist unter dem Dach der ITDV organisiert. Ihre Imame werden von Diyanet finanziert. Könnten also deren Imame in die Türkei rapportieren? Der Sprecher der Moschee bestreitet dies. Serhad Karatekin sagt: «Unser Verein ist politisch neutral.»

Im Gotteshaus müsse jeder Mensch, egal welche politische Einstellung er habe, in Ruhe seine Gebete verrichten können. Den Moschee-Besuchern sei es deshalb verboten, über politische Themen zu sprechen, so Karatekin weiter.

Mustafa Atici hat dafür eine andere Erklärung: «Leute, die Basler Moscheen besuchen, erzählen mir, dass sie Angst davor haben, bespitzelt zu werden.» Sie würden deshalb mit ihren Landsleuten in der Moschee gar nicht erst über Politik reden. Die «Schweiz am Sonntag» zitierte unlängst einen Gülen-Anhänger, der nicht mehr in die Fetih-Moschee geht, weil er sich dort nicht willkommen fühle.

Infos weitergegeben

Auch Lehrerinnen und Lehrer stehen im Verdacht, kritische Personen dem türkischen Staat zu melden. Es geht dabei um die Leiter von Kursen für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, die ihre zweite Muttersprache gründlich lernen wollen. Das Projekt Heimatliche Sprache und Kultur (HSK) betreut das Erziehungsdepartement, die Türkisch-Lehrpersonen finanziert allerdings der türkische Staat.

Beatrice Messerli (BastA!) prangert diese Handhabe an. Sie hat soeben eine Interpellation dazu eingereicht. Die Gefahr sei gross, dass in HSK-Kursen die Kinder mit politischer Propaganda beeinflusst würden «und allenfalls auch Infos von Kindern über ihre Eltern in falsche Hände der jeweiligen Staaten gelangen».

Die Basler Nationalrätin Sibel Arslan (BastA!) beurteilt die Kurse ebenfalls kritisch. Sie habe mitbekommen, «dass Informationen bezüglich Schülerinnen und Schüler sowie Eltern an das türkische Konsulat oder die Botschaft weitergegeben wurden».

Die TagesWoche hat bei der türkischen Botschaft nachgefragt, ob sie Berichte über Erdogan-Kritiker erhält und weitergibt. Die Anfrage blieb bisher unbeantwortet.

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