Das Massaker von Srebrenica jährt sich zum 19. Mal. Dieses Jahr werden weitere 175 Opfer beigesetzt. Während die Bosniaken trauern, interessieren sich die meisten Serben nicht für das Gedenken an die Opfer.
«Der Schmerz ist genau so gross wie damals, die Zeit heilt keine Wunden», sagt Ajkuna Mujkic. Beim Massaker von Srebrenica wurden ihr Ehemann, vier ihrer Brüder und zwei ihrer Söhne ermordet. Die sterblichen Überreste ihrer Söhne wurden immer noch nicht gefunden, sie waren damals 18 und 20 Jahre alt.
Am Freitag hat Sie ihren vierten Bruder beerdigt, nachdem die anderen drei bereits in Potocari beigesetzt wurden. «Alles wofür ich gelebt habe, haben Sie mir genommen, es fehlt nur noch das ich tot neben ihnen umfalle», klagt Mujkic und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie lebt heute in Sarajevo mit ihrem beiden Töchtern, die in Srebrenica verwundet wurden. Eine der beiden sitzt seitdem im Rollstuhl.
Bosnische Muslime nehmen an der Gedenkfeier zum Massaker in Srebrenica teil. (Bild: DADO RUVIC)
Etwa 20’000 Menschen kamen am Freitag zu der Gedenkstätte in Potocari um die sterblichen Überreste von 175 Opfern des Massakers zu beerdigen. Einige kamen von einem Friedensmarsch der über hundert Kilometer durch Bosnien Herzegowina führte. Das jüngste Opfer das beigesetzt wurde, ist der damals 14 Jährige Senad Beganovic. Wie die anderen wurde er umgebracht, weil er Bosniake war. Seine sterblichen Überreste wurden in vier verschiedenen Massengräbern gefunden. Die Truppen der Armee der Republika Srpska haben die Leichen an verschiedenen Orten vergraben um die Ausmasse des Verbrechens zu vertuschen.
Vor dem Trauergebet hielt Grossmufti Husein Kavazovic eine Rede. «Wir erfüllen unsere Pflicht und legen die Knochen derjenigen in die Erde die erst 19 Jahre nach dem Genozid gefunden wurden. Wir erfüllen unsere Schuld gegenüber denjenigen, die hier auf die grausamste Art und Weise ermordet wurden». Der Bürgermeiser von Srebrenica, Camil Durakovic, sagte in seiner Rede: «Diese Menschen waren Opfer eines monströsen Nationalismus. Wir müssen diesen Friedhof auch als eine Mahnung an unsere Zukunft verstehen.»
Beim Trauergebet gedachten die 20’000 Teilnehmer den über 8000 Opfern. (Bild: Krsto Lazarević)
Bereits Anfang Juli 1995 starben die Menschen in Srebrenica an Hunger, Durst und Krankheiten, weil kaum Hilfslieferungen zu ihnen durchdrangen. Am 11. Juli eroberte dann die Armee der Republika Srpska die Stadt. Die Menschen flüchteten daraufhin nach Potocari, einem Vorort von Srebrenica, an dem die niederländischen UN Soldaten der Dutchbat stationiert waren.
Doch die Männer wurden von den niederländischen Blauhelmsoldaten weggeschickt mit dem Hinweis sie seien auch ausserhalb der Station in Sicherheit. Manche wurden direkt vor der Basis erschossen. Die Blauhelmsoldaten schauten nicht nur tatenlos zu, einige halfen Mladics Truppen gar bei der Selektion der Männer und Jungen. Die Posten um die UN Schutzzone wurden der Armee der Republika Srpska kampflos übergeben.
Die Niederlande sollen für 2000 Opfer verantwortlich gemacht werden
Nach einem Urteil des höchsten Gerichtes der Niederlande vom vergangenen September ist der niederländische Staat haftbar für den Tod von drei Bosniaken. Derzeit führen Hinterbliebene einen Prozess gegen die Niederlande in dem der Staat für etwa 2000 weitere Opfer verantwortlich gemacht werden könnte. Kofi Annan bezeichnete Srebrenica einst als die «grösste Schande in der Geschichte der Vereinigten Nationen».
Nachdem die Männer der Armee der Republika Srpska in die Hände gefallen waren, wurden die meisten in leerstehenden Hallen und Gebäuden interniert. In den darauffolgenden Tagen wurden fast alle Gefangenen ermordet. 6241 der Opfer wurden bislang in Potocari beigesetzt. Die sterblichen Überreste von über 500 Personen liegen in Tuzla, weil die Familienangehörigen mit der Beisetzung warten wollen, bis die fehlenden Überreste gefunden werden.
Eine bosnische Frau trauert um ihre Angehörigen die am Freitag beigesetzt wurden. (Bild: DADO RUVIC)
187 Opfer wurden von den Familien an anderen Orten beigesetzt. Der Rest der 8372 Ermordeten die in der Gedenkstätte Potocari aufgeführt sind, wurden bislang nicht gefunden oder identifiziert. Die Hauptverantwortlichen für die Massaker, Radovan Karadzic und Ratko Mladic verantworten sich derzeit vor dem internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.
Als vergangenen Mittwoch die sterblichen Überreste von 175 Opfern nach Potocari gebracht wurden, brach ein Überlebender des Massakers zusammen und schrie. «Allah, warum hast du mich unter den Lebenden gelassen. Gib mir die Kraft das zu ertragen. Mach dass es meinen Bruder bei dir gut geht. Lieber Gott, bestrafe das Monster Ratko Mladic.»
Trauerfeier in Valjevo von Mladic-Anhängern attackiert
In Belgrad organisierten die «Frauen in Schwarz» eine Gedenkveranstaltung unter dem Motto «Srebrenica, wir werden niemals vergessen». Die Aktivistinnen trugen Banner mit den Namen der 8372 Opfer am Platz der Republik im Zentrum Belgrads. Die Polizei riegelte die Demonstration ab. Am 8. Juli wurden Aktivistinnen bei einer ähnlichen Aktion im serbischen Valjevo von Männern attackiert die auf ihren T-Shirts das Konterfei von Ratko Mladic trugen.
In Zvornik, eine Stadt 50 Kilometer von Srebrenica entfernt in der seit dem Krieg mehrheitlich Serben wohnen, stimmen sich die Menschen auf den Petrovdan ein. Kinder und Jugendliche in volkstümlichen Trachten tanzen im Kreis umnd brennen zur Feier des Tages Fackeln an. Während die Bosniaken aus dem umliegenden Dörfern um ihre Angehörigen trauern, scheint sich in Zvornik kaum jemand für den Jahrestag des Genozids zu interessieren.