Auf Forschung basierend, umfassend, aktuell: Basels Geschichte soll neu geschrieben werden. Unklar ist, wie das Projekt finanziert werden soll.
Eine breit abgestützte Projektgruppe möchte die Voraussetzungen für die Erarbeitung einer neuen Basler Geschichte schaffen. Dieses Vorhaben wirft Fragen auf. Zum einen nach Zweck und Inhalt einer solchen Geschichte, zum anderen natürlich nach der Finanzierung: Deren Höhe definiert im Wesentlichen die Möglichkeiten eines solchen Projekts. Eine weitere Frage ist, woher das Geld kommen soll: Darf, soll, muss ein solches Projekt privat oder öffentlich finanziert werden? Man hört gelegentlich die Meinung, dass ein solches Projekt auf keinen Fall staatlich finanziert werden dürfe, weil sonst eine Staatsgeschichte entstünde und dies, weil bevormundend, nicht gut sei und auch nicht unserer Kultur und Gesellschaft entspreche.
Dieses Argument ist verständlich und erstaunlich zugleich. Verständlich, weil man gewiss keine Geschichte haben will, deren Inhalte und Deutungen obrigkeitlich definiert werden. Erstaunlich, weil bisher vielerorts solche Geschichtswerke gefördert worden sind, ohne dass daraus Staatsgeschichten entstanden.
Zuletzt in Schwyz, das nicht für ein etatistisches Kantonsverständnis bekannt ist, mit 3,25 Millionen Franken, wovon 2,5 Millionen aus dem Lotteriefonds stammen und 0,75 Millionen von der Schwyzer Kantonalbank beigesteuert wurden. Eine Reaktion auf dieses Werk in sieben Bänden mit über 2000 Seiten und gegen 50 Autorinnen und Autoren: Die NZZ bemerkte anerkennend, der Kanton Schwyz, der oft als Hort des Konservatismus gelte, habe sich mit seiner beeindruckenden Gesamtschau «auf der Höhe der Zeit» gezeigt.
Ferner sei auch an die 2001 erschienene Geschichte des Kantons Basel-Landschaft erinnert, für deren Erarbeitung eine mit rund 9 Millionen Franken finanzierte Forschungsstelle eingerichtet wurde. Man blättere in den fünf Bänden und halte Ausschau, ob sich obrigkeitliche Spuren darin finden lassen.
Die Tatsache, dass Baselland um 1990 eine moderne Nachführung seiner Geschichte in Auftrag gab, weckte auch im Stadtkanton die Bereitschaft, ein analoges Projekt auf den Weg zu bringen. Der Grosse Rat bewilligte im September 1991 mit einem erfreulichen Mehr von 48:28 Stimmen einen auf zehn Jahre verteilten 8,8-Millionen-Kredit.
Das Vorhaben scheiterte grandios an der anschliessenden Referendumsabstimmung mit 71,7 Prozent ablehnenden Stimmen. Dies jedoch nicht wegen der prinzipiellen Ablehnung der Staatsfinanzierung, sondern einzig wegen der Höhe des Betrags. Es war zu schwer zu vermitteln, dass heutzutage für ein auf Forschung beruhendes Geschichtswerk – nur «ein Buch»!? – so viel Geld ausgegeben wird. Der damaligen Opposition war der Betrag zu hoch, bei 2 Millionen hätte sie mitgemacht.
Mehrere Vorstösse hängig
Im Frühjahr 2011 wurden im Grossen Rat mehrere Vorstösse (von Brigitta Gerber, Oswald Inglin, Isabel Koellreuter) beraten, die alle auf die Erarbeitung eines aktuellen, auf neuer Forschung aufbauenden Gesamtwerks zur Geschichte Basels zielten. Darüber ist noch nicht abschliessend entschieden worden; das Geschäft soll im Frühjahr 2013 nochmals traktandiert werden.
Dabei sind zwei zentrale Aspekte zu klären: Soll die staatliche Öffentlichkeit ein vitales Interesse an einem solchen Unternehmen haben? Und wie muss die staatliche Beteiligung gestaltet sein, damit daraus keine Staatsgeschichte wird?
Die letztere Frage kann man schnell beantworten: Selbst bei gänzlich oder weitestgehend mit Staatsmitteln finanzierten Institutionen – im Kanton etwa der Kunstkredit oder das Theater, im Bund zum Beispiel der die Forschung finanzierende Schweizerische Nationalfonds – muss man keinen Staatsdirigismus fürchten.
Da gibt es die bewährten professionellen und zivilgesellschaftlichen Zwischengremien, welche die Aufsichtsfunktion übernehmen und darauf achten, dass die Leistungsaufträge, die von den Geldgebern selbstverständlich mitformuliert werden dürfen, auch erfüllt werden. So wird daraus die Frage, wie eine zuständige Kommission zusammengesetzt und mit welchen Befugnissen sie ausgestattet sein soll. Diese Form von «Abhängigkeit» würde geradezu dafür sorgen, dass die Erarbeitung einer Geschichte des eigenen Gemeinwesens «unabhängig» realisiert werden kann und nicht von partikularen Interessen dominiert wird.
Es würde den Rahmen sprengen, wenn man hier umfassend darlegen möchte, warum die öffentliche Hand ein vitales Interesse an einer forschungsgestützten, aufdatierten und umfassenden Gesamtgeschichte haben sollte. Seit einiger Zeit lässt der Kanton Luzern mit Staatsgeldern eine Geschichte des 20. Jahrhunderts ausarbeiten. Und im November 2011 hat die Solothurner Regierung die auf zwei Bände angelegte Weiterführung der Kantonsgeschichte ins 20. Jahrhundert beschlossen.
Nur schon aus lokalpatriotischem Interesse ist es misslich, wenn die eigene Geschichte mitten in einer wohldokumentierten Schweizer Landschaft eine Lücke bildet. Das wichtigere Argument ist der örtliche Eigenbedarf: Die Bevölkerung soll auf eine Stadtgeschichte zurückgreifen können, die heutigen Standards entspricht. Gerade wenn sich Basel mehr und mehr in verschiedene Funktionsräume aufgliedert, wird eine zusammenfassende Darstellung des Kernraumes zusätzlich wichtig.
Man könnte sich grundsätzlich schnell einig werden, dass es eine solche Geschichte braucht. Welche Inhalte soll sie aber wie erfassen und wie soll die ganze Arbeit organisiert sein? Ein Projekt dieser Bedeutung muss in einem professionell erarbeiteten Vorprojekt ausgelotet und abgesteckt werden, damit die Umsetzung aufgrund von soliden Unterlagen diskutiert, entschieden und realisiert werden kann.
Auch Vorprojekte kosten
Doch auch Vorprojekte sind aufwendig und kosten Geld. Es ist aber nicht so, dass die Initiativgruppe für eine neue Basler Geschichte einfach die Hand hinhält. Hochwillkommen wäre gewiss, wenn eine private Stelle die Finanzierung einer solchen Vorstudie übernehmen würde.
Wahrscheinlicher ist aber ein gemischtes Finanzierungsmodell nach der Formel Public Private Partnership. Und da sollte neben Universi-tät, Privatwirtschaft, gemeinnützigen Gesellschaften und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen wegen des öffentlichen Interesses auch eine Beteiligung des Staats (aus welcher Schatulle auch immer) möglich sein. Eine breite Trägerschaft bedeutet übrigens nicht nur Stärkung der finanziellen, sondern auch der ideellen Basis.
- Georg Kreis, emeritierter Professor für Geschichte an der Universität Basel, spielte im Projekt von 1991 eine führende Rolle. Das aktuelle Projekt unterstützt er als gewöhnliches Vereinsmitglied.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 26.10.12