Staatsschutz ausser Kontrolle

Basel-Stadt wehrt sich gegen das neue Gesetz über den Nachrichtendienst. Man befürchtet, dass der Schweizer Staatsschutz bald wieder unkontrolliert Daten anhäufen könnte.

Mit einem neuen Gesetz will der Bund die Aufsicht über den Staatsschutz beschneiden. Dagegen wehrt sich Basel-Stadt. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Basel-Stadt wehrt sich gegen das neue Gesetz über den Nachrichtendienst. Man befürchtet, dass der Schweizer Staatsschutz bald wieder unkontrolliert Daten anhäufen könnte.

Seit Geheimdienst-Informant Edward Snowden anfing zu reden, vergeht kein Tag mehr ohne neue Enthüllungen über das Spionageprogramm des amerikanischen und britischen Geheimdienstes. Der Überwachungsskandal sorgt weltweit für Aufsehen und Empörung.

Sehr viel ruhiger ist es dagegen um den Schweizer Staatsschutz geblieben, obwohl seine Kompetenzen mit der Revision des Nachrichtendienstgesetzes (NDG) erweitert werden sollen. Die Grünen waren vor wenigen Tagen die ersten, die davor warnten, aus Angst vor einer umfassenden Überwachung, auch in der Schweiz. «Ich traue auch dem eigenen Geheimdienst keinen vertrauensvollen Umgang mit Daten zu», sagte der Grüne Nationalrat Balthasar Glättli in der TagesWoche mit Verweis auf Amerika und England.

Die Bedenken sind gross in Basel-Stadt

Nun wird auch in Basel massive Kritik an der NDG-Revision laut. Die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates (GPK) äussert in ihrem am Montag publizierten Bericht für das Jahr 2012 «grosse Bedenken». Ihre Befürchtung: «ein Verlust politischer Kontrolle» über den Staatsschutz. Im Gesetzesentwurf  ist vorgesehen, dass den Kantonen die Möglichkeit zur Oberaufsicht über den Staatsschutz entzogen wird. Für diese Aufgabe soll nur noch die Geschäftsprüfungskommission des Bundesparlamentes zuständig sein. Ein Gremium, das allein schon «aufgrund ihrer beschränkten Ressourcen» nicht in der Lage sein wird, «die gesetzlichen Bestimmungen im Zusammehang mit dem Staatsschutz in allen 26 Kantonen zu überwachen», wie die GPK schreibt. Entsprechend gross sei die Gefahr, dass der Schweizer Staatsschutz nach der Revision in einem «aufsichtsfreien Raum» operiere. «Ohne politische Kontrolle. Staatsrechtlich wäre das nicht haltbar», sagt GPK-Präsident Tobit Schäfer.

Ein grundlegendes Problem, das erhebliche Folgen haben kann, wie sich in der Schweiz auch nach dem Fichenskandal Ende der 1980er Jahre mehrfach gezeigt hat.

  • 2010 stellte sich zum Beispiel heraus, dass der Geheimdienst in der Staatsschutzkartei Isis jahrelang unkontrolliert Daten von 200’000 Personen gesammelt hat – vielfach aus läppischen Gründen.
  • 2007 kam in Basel-Stadt aus, dass die damals erst dürftig kontrollierten Staatsschutzbeamten der kantonalen «Fachgruppe 9» fünf kurdisch- und türkischstämmige Politiker fichiert hatten. Deren «Vergehen»: Ein gutes Abschneiden bei den kantonalen Wahlen und die entsprechenden Berichten in türkischen Zeitungen, auch solchen, die der Arbeiterpartei PKK nahestehen.

Das Modell ist bisher einzigartig

Aufgedeckt wurde die Bespitzelung durch die GPK, die damals anfing, sich für eine wirkungsvolle Kontrolle einzusetzen. Mit Erfolg. Der kantonale Staatsschutz-Ableger bekam ein Kontrollorgan, das wiederum der Oberaufsicht durch eine GPK-Delegation unterstellt wurde. Es ist schweizweit ein bisher einzigartiges Modell, für das sich aber einige andere Kantone interessieren, wie es in Basel heisst.

Auf ihre Unterstützung hofft die GPK nun auch bei ihrem Widerstand gegen die geplante NDG-Revision. Einen ersten Erfolg konnte sie dabei bereits erzielen: Die eigene Regierung wehrt sich in der Vernehmlassung ebenfalls gegen den Entzug der parlamentarischen Oberaufsicht.

Mehr dazu in unserem Dossier

Die Revision des Nachrichtendiesngestzes (NDG) ist verbunden mit der Überarbeitung des Büpf (Bundesgesetz betreffend der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs).

Geplant ist, dass die Kompetenzen des Schweizer Nachrichtendienstes substanziell ausgeweitet werden. Bisher konnten die Schweizer Spione verdächtige Personen nur auf öffentlichen Plätzen überwachen. Neu sollen Internet und Telefon abgehört werden dürfen und auch private Räume von Verdächtigen sind nicht mehr tabu. Der Einsatz von speziellen und gezielten Überwachungsmassnahmen ist nur für drei Bereiche vorgesehen: Terrorismus, Spionage und Proliferation.

Wir haben schon mehrfach über die neuen Überwachungspläne berichtet. Die einzelnen Artikel finden Sie in unserem Dossier.

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