Ständerat kämpft für Intransparenz

Zuerst lehnt der Ständerat elektronische, transparente Abstimmungen ab. Dann beweist er mit schlampiger Stimmenzählerei gleich selber, wie dringend nötig er dies hätte. Und jetzt droht er jenen, die solch üble Zustände aufdecken, Konsequenzen an.

Der Ständerat sträubt sich gegen ein transparentes, elektronisches Abstimmungssystem. Im Bild eine andere Abstimmung von Ende November während der Wintersession. (Bild: PETER KLAUNZER)

Zuerst lehnt der Ständerat elektronische, transparente Abstimmungen ab. Dann beweist er mit schlampiger Stimmenzählerei gleich selber, wie dringend nötig er dies hätte. Und jetzt droht er jenen, die solch üble Zustände aufdecken, Konsequenzen an.

Das Büro des Ständerats trifft sich morgen Montag zu einer Krisensitzung wegen der Pannen und Peinlichkeiten rund um seine Stimmenzählerei. Doch diese Sitzung dürfte dem sich rasch ausbreitenden Unfug rund um Abstimmungen in der kleinen Kammer gleich noch die Krone aufsetzen: Haupttraktandum ist dabei laut Sonntagsmedien nämlich die Frage, ob es «rechtliche Grundlagen» für Videoaufnahmen im Ständeratssaal gebe. Der Vizepräsident der kleinen Kammer, Hannes Germann (SVP, SH), droht schon: «Falls die Rechtsgrundlage nicht ausreichend ist, braucht es Konsequenzen.»

Ertappte gehen auf Enthüller los

Der Hintergrund für diese Vorgänge: Der Ständerat hatte sich letzte Woche bis auf die Knochen blamiert, weil er sich zunächst mehrheitlich gegen die Inbetriebnahme der längst fast fertig installierten elektronischen Abstimmungsanlage in seinem Saal aussprach – worauf seine Stimmenzähler gleich mehrmals falsche Resultate der weiterhin praktizierten, archaischen Handabstimmungen ans Präsidium weitermeldeten. Enthüllt wurde die Schlamperei bei den Auszählungen durch Videoaufnahmen. 

Das Büro des Rates jedoch will nun nicht etwa die Intransparenz der Handabstimmungen oder die dabei häufigen Fehler thematisieren: Nein, die Ertappten sorgen sich vorab darum, ob die Videoaufnahmen, welche ihre Schlampereien enthüllt hatten, wohl «rechtens» gewesen seien. Und dies, obwohl die Sitzungen sowohl des National- als auch des Ständerates schon seit Langem per Fernsehen nach draussen an die Öffentlichkeit übertragen werden.

Konsequent wäre eine Geheimsitzung

Gemäss «20 Minuten online» soll nun sogar allen Ernstes «ein Verbot von Videoaufnahmen im Stöckli» geprüft werden. Jene Standesherren, die so etwas fordern, haben offenbar die Konsequenzen, die sie dann auch gleich ziehen müssten, etwas unterschätzt.

Konsequent wäre dann nämlich auch, dass Fotografen im Saal und Journalisten auf den beiden Tribünen während den Abstimmungen den Ständerat verlassen müssten: Sie könnten sonst ja «live» ebenso Zählfehler entdecken, wie die Video-Visioneure dies im Nachhinein konnten. Und was ist mit den Voten einzelner Abgeordneter für oder gegen eine Vorlage? Wenn schon die Abstimmung über ein Geschäft partout vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden soll – warum denn nicht auch gleich die Reden dafür und dagegen. Kurz und ungut: Stimmt die kleine Kammer einem Verbot von Videoaufnahmen zu, müsste der Ständerat in letzter Konsequenz generell unter Ausschluss der Öffentlichkeit seine Verhandlungen in Geheimsitzungen durchführen.

Schlimmer als die Fifa?

Doch gibt es auch prominente Gegenstimmen, welche schon das Nein der Ständekammer zu elektronischer Abtstimmung und entsprechender Transparenz harsch kritisiert haben: Der Solothurner SP-Ständerat Roberto Zanetti etwa mahnte seine Ratskollegen und -kolleginnen, sogar der Fussballverband führe ja nun den Videobeweis ein. «Wenn der Ständerat der Schweizerischen Eidgenossenschaft bezüglich neuer Technologien das Niveau der Fifa erreichen würde, wäre das wahrscheinlich nicht zum Schaden dieses Rates», sagte Zanetti.

Der prominente Glarner SVP-Standesvertreter This Jenny, der mit einer Initiative elektronische Transparenz gefordert hatte, verglich den Ständerat nach dessen Nein zu entsprechender Offenheit zwar nicht mit der Fifa, die immer wieder mit Korruptionsfällen für Schlagzeilen sorgt. Doch stellte er fest, es gehe mitunter halt auch darum, dass einzelne Räte von Organisationen jährlich kleinere oder grössere Summen Geld bekämen. Diese Leute wollten wohl verhindern, dass dann jederzeit elektronisch kontrolliert werden könne, ob sie im Sinne dieser Geldgeber abgestimmt hätte oder nicht.

Kampf auf verlorenem Posten

So oder so helfen die peinlichen Kapriolen um «Rechtsgrundlagen für Videoaufnahmen» dem SVP-Ratsvize Germann und seinem Ratsbüro nicht viel weiter: «Ich reiche am Montag gleich ein Wiedererwägungsgesuch oder einen gleichlautenden Vorstoss ein», versprach nämlich Jenny dem «SonntagsBlick».

Und auch der Nationalrat will den peinlichen Geheimniskrämern im Ständerat jetzt ihr Handwerk legen: Im letzten September hat er zwei SVP-Initiativen klar überwiesen, die in beiden Räten elektronische Abstimmung und Transparenz verlangen – und auch die Publikation aller Abstimmungsresultate. Dieses Geschäft kommt im Januar in die Staatspolitische Kommission des Ständerats – und in der Frühlingssession im März vor dessen Plenum.

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