Die Mitte wurde vom Winde verweht, die Grünen wurden im Sturm zerzaust. Im Landrat weht künftig eine steife Brise von rechts. Erklärungsversuche der Gewinner und Verlierer der Baselbieter Parlamentswahlen.
Die Wahlverlierer
Klaus Kirchmayr wirkt angefressen, als er im Baselbieter Regierungsgebäude die ersten Zwischenergebnisse der Landratswahl erfährt. Er rechne mit dem Schlimmsten, sagt Kirchmayr, Vordenker der Baselbieter Grünen: «Wenn alles zusammenkommt, verlieren wir drei Sitze.»
Es kommt noch mehr zusammen: Die Grünen geben vier Sitze im 90-köpfigen Parlament ab und stellen künftig noch acht Abgeordnete. Damit sind die Grünen wieder auf dem Stand von 2003. 12 Jahre Aufbauarbeit sind am 8. Februar 2015 verpufft.
Die Grünen sind die Verlierer an diesem Wahlsonntag. Während Kollegen Kirchmayrs noch von internen Analysen sprechen, die man nun werde anstellen müssen, um die Niederlage zu erklären, nimmt er diese bereits vor: «Uns fehlte die Breite auf unserer Liste, nach den Spitzenkandidaten wurde es dünn.» Es sei Luxus und schliesslich ein Fehler gewesen, dass man auf hochkarätige Gemeindepolitiker, etwa aus Liestal und Arlesheim, verzichtet habe.
Verluste im Speckgürtel
Doch abgewählt wird auch der gestandene Landrat Christoph Frommherz aus Münchenstein. Den Grünen gelang es nicht zu mobilisieren, das sagt Kirchmayr auch: «Mit einem thematischen Wahlprogramm dringt man offenbar bei den Leuten nicht durch.» Die Grünen hatten Themen im Angebot, die normalerweise für drei Wahlgänge reichen. Erneuerbare Energie, Umsetzung des Raumplanungsgesetzes, Nahrungsmittelimport, Gemeindeautonomie, Tagesschulen.
Was die Grünen nicht hatten: Einen Regierungsrat als Zugpferd. Zwar gelang Isaac Reber die Wiederwahl in die Regierung, doch als Sicherheitsdirektor lief er ins Leere, konnte er sein Parteibuch nie zur Geltung bringen. Und er forcierte es auch nicht. Seine Politik war geprägt von der Mission, seine eigene Macht zu erhalten, sei es beim umstrittenen Einsatz von Soldaten als Hilfspolizisten oder bei der Kehrtwende in der Causa Sibel Arslan.
Für einmal verlieren die Grünen keine Stimmen an die 2015 stagnierende Konkurrenz von SP und Grünliberalen. Sie erreichen schlicht ihr Wählermilieu nicht mehr: Im Speckgürtel um die Stadt Basel verliert man drei der vier Mandate.
BDP hat abgewirtschaftet
Die jüngste Kraft in der Schweizer Parteienlandschaft wirkte am Sonntag uralt. Zumindest im Baselbiet hat die einst als Alternative zur SVP ins Leben gerufene Mittepartei abgewirtschaftet. Gerade noch einen Sitz von vier kann die BDP ins Trockene retten.
Abgewählt wird etwa Marc Bürgi in Pratteln. Bürgi zählt zu den pointiertesten Sprechern der Partei. Am Sonntag steht er irgendwann, als sich das Debakel abzeichnet, auf dem Raucherbalkon des Regierungsgebäudes und suckelt an einer erstaunlich fetten Zigarre. Den Siegerstumpen will sich Bürgi nicht nehmen lassen.
Zu feiern hat Bürgi aber nichts: «Die Lektion ist klar – gegen einen starken Bürgerblock kommst du nicht an.» Dafür hätten der BDP die finanziellen Mittel und das Personal gefehlt. Die fehlten aber auch der kleinen Mittepartei EVP. Die keusche kleine Schwester der CVP verzichtete konsequent auf Plakataushänge – und hielt bei einem Stimmenplus ihre vier Mandate. «Vielleicht fanden das die Leute sympathisch», räsoniert Bürgi und zieht an der Trostzigarre.
In die Pflicht nimmt er nun die FDP. Sie müsse dafür sorgen, dass es im Parlament nicht zum «totalen Stillstand» kommt, zur Blockade zwischen SVP und der in die Opposition zurückgeworfene SP. Und damit zu den…
…Wahlsiegern
Die vielverlachte FDP ist wieder wer. Nach dramatischen Einbussen 2011 gewinnen die Rechtsliberalen unter Parteichefin Christine Frey drei der damals verlorenen sechs Sitze zurück. «Der Erfolg ist vor allem ein Verdienst von Frey», sagt Christoph Buser, Chef der Wirtschaftskammer und bestätigter Landrat der FDP. Frey habe es geschafft, die Partei zu einen.
«Es gab keine Ausreisser mehr, keine Einzelmasken, die sich auf Kosten der Partei in Szene gesetzt haben», erklärt Buser. Frey habe dafür gesorgt, dass offen diskutiert werde und nach einem Entscheid alle mitzogen. Denn auch bei der FDP gab es diesen Schlüsselmoment. Als bei der Nomination zu den Regierungsratswahlen vor einem Jahr intern Amtsinhaberin Sabine Pegoraro infrage gestellt wurde, kam es zu heftigen Debatten, aber zu keiner nachhaltigen Störung des Parteifriedens.
Nationales Vorbild?
Auch die Einigung mit der SVP erwies sich als ertragsreich. Buser glaubt, die Baselbieter könnten gar eine nationale Vorbildsfunktion einnehmen: «Die Erfolgsformel lautet, beide Flügel auszuschalten, den linken bei der FDP und den rechten bei der SVP.»
Er räumt auch ein, dass die Konkurrenz der FDP das Leben nicht allzu schwer gemacht hat: «Die Mitteparteien GLP und BDP haben es verpasst, sich ein klares Profil zu geben.»
SVP tuckert zum Sieg
Das nennt man dann wohl Erfolgsstrasse: Die SVP eilt im Baselbiet von Wahlsieg zu Wahlsieg. (Bild: Hans-Jörg Walter)
Das kann von der SVP nicht behauptet werden. Die Rechtsnationalen, die man bereits 2011 auf dem Zenith wähnte, legen nochmals zu und stellen neu 28 statt wie bisher 24 Landräte, selbst im Speckgürtel gewann man dazu. Weder die Konsequenzen der nationalen Abschottungspolitik, noch die Schlammschlacht um die schliesslich eingeknickte Landratspräsidentin Daniela Gaugler schadeten der Partei.
«Damit habe ich nicht gerechnet, nachdem überall spekuliert wurde, die SVP würde verlieren», sagt der einflussreiche Landrat Hanspeter Weibel. Er glaubt, im Wahlresultat schlage sich die kläglich gescheiterte Fusionsinitiative nieder. Wer damals dagegen war, wurde belohnt. Weibel hofft wie Buser, dass die beiden Parteien auf eidgenössischer Ebene zusammenfinden.
Eine dicke Zufriedenheit strahlte auch SVP-Fraktionschef Dominik Straumann aus:
Künftig halten SVP und FDP exakt die Hälfte aller Sitze im Landrat. Auch in der Regierung stellen die beiden Rechtsparteien die Mehrheit. Hält die Eintracht, bleibt die Linke in der Geisterbahn gefangen. Dann können SVP und FDP die nächsten Jahre locker durchregieren.