Sebastian Frehner traf verspätet ein im Restaurant Schlüssel, als sich seine Partei zur Jahresversammlung traf. Die Generalversammlung war von den Parteimitgliedern aufgrund der Verwerfungen der letzten Wochen regelrecht herbeigesehnt worden. Es hätte zur ultimativen Konfrontation kommen sollen. Die Medien waren ausgeschlossen worden, man wollte unter sich bleiben. Doch Anwesende erzählen die Geschichte dieses Abends.
Die SVP-Mitglieder diskutierten seit zehn Minuten, als Frehners umstrittener Assistent die Tür zum Saal öffnete. Gemeinsam setzten sie sich an einen Tisch, wo ihre Getreuen Plätze freigehalten hatten. Vorwiegend unbekannte Parteimitglieder, nennenswert ist höchstens der Riehener Einwohnerrat Christian Heim.
Frehner hat es wieder mal geschafft
Als Frehner in den Saal trat, wusste er bereits: Er hat es wieder einmal geschafft. Hat sich nach oben gestrampelt und seine Kritiker kaltgestellt. SVP-Grossrat Joël Thüring, zweiter Protagonist in diesem bizarren Parteistreit, war nicht mal erschienen zur Generalversammlung. Er steht im Verdacht, über Monate Frehners Emails unberechtigt mitgelesen zu haben. Frehner hatte deswegen Strafanzeige gestellt, diese aber zurückgezogen, nachdem Thüring einlenkte: Thüring zieht sich vom Posten des Parteisekretärs zurück und bewirbt sich nicht um neue Ämter, sprich National- oder Regierungsrat.
Die Email-Affäre war kaum Thema an der Versammlung. Parteipräsident Lorenz Nägelin hatte die leidige Geschichte kurz thematisiert, dann die Durchsage gemacht, das Wichtigste sei nun, dass Ruhe einkehre. Er nannte es ein «Gewitter», das über die Partei gezogen sei. Wer für Blitz und Donner gesorgt hat, sagte er nicht. Der frühere Regierungsratskandidat hatte sich in eine unparteiische Situation gehievt, nachdem er lange dem nun in Ungnade gefallenen Thüring blind gefolgt war.
Als Parteimitglieder an der gestrigen Versammlung Anträge einreichen wollten, um die Email-Affäre und mögliche Konsequenzen daraus zu thematisieren, überzeugte Nägelin sie, es zu unterlassen. Dem Parteifrieden zuliebe.
Frehner ging schadlos aus der Debatte raus – anders der frühere Weggefährte Thüring. Diskutiert wurde, ob sein Gehalt als Sekretär zu hoch war, ob es angemessen war, seiner Firma 68’000 Franken pro Jahr für Miete und sämtliche Kosten pauschal zu überweisen, ob sein Grossratsfest zu teuer war. Jedes Thema kam wieder hoch, wurde besprochen und zu den Akten gelegt. Und mit jeder Episode schwand der Respekt vor Thüring im Saal ein bisschen.
Irgendwann bat eine frühere SVP-Grossrätin um eine Würdigung der geleisteten Dienste Thürings über all die Jahre. Thüringt schrieb viele politische Vorstösse der Kollegen, er orchestrierte die Wahlkämpfe, diktierte das Parteiprogramm. Der Applaus kam zögerlich und blieb verhalten. Joël Thüring, das wurde an diesem Abend klar, ist erledigt in der Basler SVP.
Frehner und seine Entourage sassen derweil schweigend da und verfolgten, wie die Dinge den gewünschten Lauf nahmen.
Die von Präsident Nägelin initiierte Amtszeitbeschränkung auf vier Legislaturperioden hatte keine Chance bei der Parteibasis. Verhindert wurde sie ausgerechnet vom einflussreichen Riehener SVP-Grossrat Eduard Rutschmann. Frehner und Rutschmann pflegen eine jahrelange Feindschaft, die sie allerdings immer dann beiseite legen, wenn es von gegenseitigem Interesse ist.
Das war am Donnerstagabend wieder der Fall: Rutschmann und seine Riehener Gefolgsleute argumentierten organisiert gegen die Amtszeitbeschränkung. Es sei schwer, Nachfolger für etablierte Parteikräfte zu finden, Sitzverluste etwa im Einwohnerrat, dem Riehener Parlament, würden drohen.
«Nein, es ist keine tolle Zeit. Gewonnen hat überhaupt niemand, die letzten Wochen waren nicht gut.»
Parteipräsident Nägelin hatte mit der Kritik gerechnet, er schlug vor, Riehen von der Amtszeitbegrenzung auszuschliessen. Doch auch dagegen stemmte sich die Riehener Fraktion mit entsprechenden Konsequenzen: Nägelins Autorität wurde beschädigt, jene von Frehner wiederhergestellt. Was zu diesem Manöver geführt hat, bleibt Spekulationen überlassen.
Frehner, neu übrigens auch wieder als Nationalrat im Vorstand vertreten, liess sich von seinem Triumph nichts anmerken. Radio SRF erklärte er nach der Versammlung fast unbeteiligt: «Nein, es ist keine tolle Zeit. Es gab innerparteiliche Spannungen und die wurden öffentlich ausgetragen. Gewonnen hat überhaupt niemand, die letzten Wochen waren nicht gut.»
Doch die von Frehner losgetretene Medienkampagne gegen den früheren Parteiarbeiter Thüring hat Spuren hinterlassen. Dass er die für die SVP äusserst peinliche Geschichte in die Öffentlichkeit gezogen hat, nimmt man ihm übel. Nach dem Machtkampf ist immer auch vor dem Machtkampf in der SVP Basel-Stadt.