Syriens Opposition zankt sich um politische Zukunft

Während die Kämpfe auf dem Schlachtfeld immer heftiger toben, entbrennt ein bitterer Streit in der syrischen Opposition um die Bildung einer Exil-Regierung.

Um seine Nachfolge wird bereits gestritten: der syrische Präsident al-Assad. (Bild: sda)

Während die Kämpfe auf dem Schlachtfeld immer heftiger toben, entbrennt ein bitterer Streit in der syrischen Opposition um die Bildung einer Exil-Regierung.

«Dem hat noch vor kurzem der syrische Geheimdienst den Koffer getragen», meinte kürzlich in Kairo ein prominenter syrischer Oppositioneller von einem seiner Gegenspieler. Syriens Opposition ist zersplittert und tief zerstritten; die Zahl ihrer Gruppierungen nicht mehr zu überblicken. Mehrere Einigungsversuche sind in den vergangenen 16 Monaten gescheitert. Misstrauen, Missgunst und persönliche Fehden – während Jahrzehnten von Vater und Sohn Assad geschürt – vergiften das Klima. Je näher der Fall des Assad-Regimes rückt, je unüberbrückbarer werden die Gräben. Insbesondere die Kluft von Exil-Opposition und den neuen lokalen Revolutionskomitees im Land wird grösser, denn alle beginnen jetzt, Pläne für die Nach-Assad-Zeit zu schmieden.

Menschenrechtsdoyen prescht vor

Vorgeprescht ist Haytham al-Maleh, der 82-jährige Doyen der syrischen Menschenrechtsaktivisten. Er hat am Dienstag in Kairo die Bildung einer Exil-Regierung im Namen einer Koalition von etwa 45 syrischen Unabhängigen ohne politische Bindung angekündigt. Er sei beauftragt worden, eine Übergangsregierung zu leiten und Konsultationen im In- und im Ausland zu führen, erklärte er an einer Pressekonferenz. Nach seinen Vorstellungen sollen diesem Kabinett viele Revolutionsaktivisten angehören. Es solle das exekutive Organ vor Ort sein, während der Syrische Nationalrat (SNC) als eine Art Parlament fungieren würde, präzisierte Maleh seine Vorstellungen.

Maleh war seit den 60er-Jahren als Menschenrechtsanwalt tätig und ist dafür mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet worden. Er wurde mehrmals verhaftet und verbrachte einige Jahre im Gefängnis. Am 8. März 2011, nur Tage vor dem Ausbruch der ersten Demonstrationen, wurde er im Rahmen einer Amnestie freigelassen. Die ersten Monate des Aufstandes erlebte er im Land, dann verliess er Syrien, schloss sich dem SNC an und ging nach einiger Zeit seinen eigenen Weg. Dem SNC warf er vor, ineffizient zu sein zu wenig Konkretes für die Menschen im Land zu tun.

Rebellen stellen «Road Map» auf

Auch seine neuste Initiative war nicht mit dem SNC, der am breitesten gefächerten Gruppierung der Opposition, abgesprochen. Abdel Bassel Sayda, der neue Vorsitzende des SNC, reagierte verärgert und kritisierte die Bildung einer Exil- Regierung als einen verfrühten Schritt, der die Opposition nur schwäche. Sayda seinerseits hatte vor wenigen Tagen angekündigt, dass er mit lokalen Rebellengruppen über die Bildung einer Übergangsregierung diskutieren wolle, die von einer Persönlichkeit geführt würde, die sich seit Beginn des Aufstandes engagiert habe.

In Syrien entwickelt sich das Vereinigte Kommando der Freien Syrischen Armee (FSA) in Homs unter Kassem Saadeddine immer mehr zum zentralen Koordinationsorgan der bewaffneten Rebellen. Dieses hat einen eigenen Vorschlag zur «Nationalen Rettung» veröffentlicht, der für die Übergangszeit die Bildung eines «Präsidialrates» aus sechs Militärs und Politikern vorschlägt, der den politischen Transformationsprozess steuern soll. Ein «Nationalrat», dem die verschiedensten Oppositionsgruppen angehören, würde die Arbeit dieser Exekutive überwachen. Die FSA warnte zudem, dass jede Regierung die irgendwo gebildet würde, keine revolutionäre Legitimität habe.

Ambitionierte Deserteure

Und noch eine Gruppe versucht sich für die Nach-Assad-Zeit in Stellung zu bringen, die politischen und militärischen Deserteure; allen voran der kürzlich desertierte ex-Generalbrigadier Manaf Tlass. Der wird seit Tagen in den Hauptstädten der Region hofiert, was bei der Opposition den Verdacht geschürt hat, Länder wie die Türkei oder Saudi-Arabien könnten mit Tlass, einem Jugendfreund der Assad-Brüder, Zukunftspläne schmieden. Aber auch über ihn sind die Meinungen in der Opposition gespalten, während die einen sein Engagement begrüssen würden, halten ihn andere nur für einen Opportunisten, der noch rechtzeitig die Fronten gewechselt hat.

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