Die Reinacher Freisinnigen haben sich etwas ganz Besonderes für den Wahlkampf einfallen lassen: Sie singen und tanzen. Darum lacht nun die halbe Schweiz über sie. Das ist gemein!
Jetzt mal ehrlich: Wer weiss, was am 11. März im Baselbiet stattfindet?
Abstimmungen, sagen Sie vielleicht. Richtig! Und sonst?
Ähh???
Gemeindewahlen, wäre die richtige Antwort. Aber wen interessieren die schon? Kaum einen, freundlich ausgedrückt. Längst vorbei sind die guten alten Zeiten, in denen die grossen Dorfparteien mit viel Überzeugungskraft dafür sorgten, dass die Wahlbeteiligung gegen 100 Prozent tendierte. Bei ganz wichtigen Geschäften – und ganz wichtig waren damals alle – trugen die Parteihelfer notfalls auch mal einen Schwerkranken zur Urne, damit ja keine Stimme verloren ging.
Heutzutage hält man sich dagegen besser fern von der Gemeindepolitik. Sonst riskiert man, bei einer der vielen Vakanzen von einer unheiligen Allianz von irgendwelchen Scherzvögeln, persönlichen Feinden und mühsamen Nachbarn mit ein paar Stimmen in den Gemeinderat oder sogar ins Präsidium gewählt zu werden. Und schon wird man gezwungen, ein nervenaufreibendes Amt auszuüben, das man gar nie wollte.
Das alles hat es im Baselbiet schon gegeben, ebenso wie Gemeindepräsidenten, die den ewigen Streit in ihrem Dorf nicht mehr aushalten und alles hinschmeissen – so wie jetzt in Rothenfluh, wo nach dem Rücktritt von Martin Erny nun von einer Zwangsverwaltung von Liestal aus die Rede ist. Im Dorf wird ein Nachfolger wahrscheinlich nur schwierig zu finden sein. Denn wer interessiert sich schon für…. – aber das hatten wir ja schon.
Seit dieser Woche ist ohnehin alles wieder anders. Plötzlich berichten alle über die Baselbieter Gemeindewahlen Tages-Anzeiger, Blick, 20 Minuten, Basler Zeitung, TagesWoche, alle.
Warum dieses mediale Beben? Die FDP Reinach hat ein Wahlfilmchen ins Netz gestellt, 3.03 Minuten lang, produziert von einer hiesigen Kommunikationsagentur. Der Refrain ist eingängig «Gäll du willsch mi, gäll du wählsch mi!», die Botschaft stark: «Zämme sin mr stark, zämme sin mr guet!» Und das beste ist: Die Reinacher Freisinnigen tanzen auch noch, zugegebenermassen leicht ungelenk, zu ihren zugegebenermassen etwas schrägen Tönen.
Aber haben sie allein schon wegen der paar kleinen Schwächen all den Hohn und den Spott verdient, mit dem der Reinacher Freisinn nun aus der halben Schweiz eingedeckt wird? Der Blick schreibt von «Fremdschämen», die BaZ von «Ahnungslosigkeit», 20 Minuten auf der Front ihrer Printausgabe von einer «Online-Lachnummer». Auf den Seiten zwei und drei werden eine ganze Reihe von Kommunikationsfachleuten und sonstigen Experten zitiert, die in verschiedenen Wort-Variationen («lächerlich», «schlechtes Polittheater», «abgestandenes Kelly-Family-Video») ziemlich genau die gleichen Schlüsse ziehen wie das Pendlerblatt selber auf der Titelseite.
Ganz und gar unverdient, dieser Spott!
Wer sich von der ganzen Aufregung nicht anstecken lässt, kommt allerdings zu einem ganz anderen Schluss: Das brutale Urteil der vereinigten Medien ist möglicherweise breit abgestützt, aber ganz und gar unverdient!
Es ist doch grossartig, dass sich in Reinach noch ein paar Leute für Gemeindepolitik interessieren! Und das erst noch mit Freude, Lust und – besonders löblich in diesem Business – auch mit Selbstironie.
Wenn es sich bei den glücklichen Menschen sogar noch um Freisinnige handelt, dann muss man schon fast von einem Wunder reden. All diese Niederlagen in den vergangenen Monaten und Jahren, diese unterschiedlichen Strömungen in der eigenen Partei, diese Zerrissenheit, müsste sie doch eigentlich verzweifeln lassen. Oder sogar verrückt machen.
Zumindest in Reinach lässt sich die FDP aber nicht unterkriegen. Sie macht nicht einfach nur weiter, was auch schon bewundernswert wäre. Nein, sie singt und tanzt dazu sogar noch. Unaufhaltsam. Der beste Beweis dafür ist das Video. Es zeigt, dass sich die Freisinnigen auch mal auf ein Parkett vorwagen, das sie noch nicht ganz beherrschen. Das ist genau die Qualität, welche die grossen Pioniere und Staatslenker ausmacht.
Sing and dance!
Drum, bitte, lieber Freisinn, sing und tanz weiter! Der erste Aufritt war gut, aber, auch das soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, er ist noch ausbaufähig. Die wunderbar besungene regionale Zusammenarbeit zum Beispiel könnte auch noch tänzerisch zum Ausdruck gebracht werden – mit einem Ringeltanz, etwa zusammen mit der Arlesheimer und der Aescher FDP.
Oder die Konsensfähigkeit – mit einem grossen Ball und Paartänzen auch mit Linken, denen es ja kaum schaden würde, wenn sie sich mal in eine anständige Schale schmeissen müssten.
Wir lassen uns gerne immer und immer wieder überraschen. Und freuen uns riesig auf die nächsten Videos!
Wobei wir jetzt keinesfalls den Eindruck erwecken möchten, euch Freisinnigen irgendwelche Ratschläge geben zu wollen. Ihr wisst ja selbst am besten, wie man die Medien in Bewegung bringt. Und ein möglichst grosses Echo auslöst.
Quellen
Die Vorlage für den Wahlsong der Reinacher FDP: Myron – Say You Want Me