Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf besucht Regierungschef Mario Monti in Rom. Auf der Traktandenliste: Grenzgänger im Tessin, Fluchtgelder aus Italien und schwarze Listen überall.
Jahrelang herrschte dicke Luft im Verhältnis zwischen Italien und der Schweiz. Und erst kürzlich hat der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano eine Einladung der Schweizer Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf nach Rom kurzerhand ausgeschlagen (die TagesWoche berichtete).
Jetzt aber kann Bern einen veritablen Durchbruch ankünden: «Demnächst wird ein Arbeitstreffen zwischen Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf und Ministerpräsident Mario Monti stattfinden», teilt das Finanzdepartement mit.
Ein Tessiner Faustpfand
Wesentlich zu dieser Entwicklung hat die Regierung des Kantons Tessin beigetragen. Der südliche Teil der Schweiz leidet seit der Einführung der «Personenfreizügigkeit» mit der EU unter einer zunehmenden Grenzgängerei: Ein Viertel aller Beschäftigten im Tessin sind inzwischen Grenzgänger. Das sind 54’000 Beschäftigte. Und wegen der Krise in Italien werden es immer mehr.
Die Tessiner Regierung kämpft schon lange dagegen an. So hat sie etwa 28 Millionen Quellensteuern von solchen Grenzgängern zurückbehalten, die sie gemäss einem Abkommen von 1974 eigentlich an Rom überweisen sollte. Dass der Dialog zwischen den beiden Ländern nun wieder in Gang kommt, hängt mit diesem Faustpfand zusammen, das das Tessin an Italien freigeben will.
Zauberwort «Abgeltungssteuer»
Im Gegenzug soll das Abkommen von 1974 nun neu verhandelt werden. Und bundesmässig steht die Neuregelung der Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den beiden Ländern an. Da hofft die permanente Schweizer Finanzministerin und temporäre Präsidentin Widmer-Schlumpf auf eine Regelung zur «Abgeltungssteuer». Solche Regeln, welche Bern schon mit London und Berlin ausgehandelt hat, erlaubt es den Banken, einfach einen Teil der verstecken Gelder als Steuern abzuzahlen, ohne dass die Identität der ausländischen Steuerdelinquenten preisgegeben werden muss.
Diese können sich dann weiterhin hinter dem Schweizer Bankgeheimnis verstecken. Italien führt über solche Steuerhintertreiber und über Banken, die ihnen helfen seit langem aber auch schwarze Listen. «Solche Listen müssen verschwinden», fordert nun Widmer-Schlumpf. Sie versichert: «Beide Länder haben ein Interesse daran, dass sich die Beziehungen wieder verbessern.» Ihre Reise nach Rom sei darum «kein Bittgang».
Der Tessiner Regierungspräsident Marco Borradori, der vor den Medien im Bundeshaus neben ihr sass, hält fest: «Für den Kanton Tessin und für die ganze Schweiz sind die Gespräche, die schon am 24. Mai in einer gemischten Steuerungsgruppe beginnen», sehr wichtig. Denn: «Es kann nicht sein, dass sich die beiden Nachbarländer einfach anschweigen.»