Die Rheinhäfen sind der wichtigste Schweizer Umschlagplatz für Güter aller Art. Der Umgang mit der tonnenschweren Fracht verlangt von Schiffsführern, Lotsen und Kranführern Präzisionsarbeit. Eine Reportage aus dem Hafenbecken in Kleinhünigen.
Es ist Montagmorgen und die Eiger Nordwand schiebt sich durch den Rhein in Richtung Basel. Von Rotterdam vorbei an Mannheim, Karlsruhe und Strasbourg, immer weiter südwärts. 140 Container stapeln sich auf dem 177 Meter langen Schiff zwischen Bug und Führerkabine.
Der Schiffsführer durchfährt die Schleuse bei Kembs und befindet sich nur noch einige hundert Meter unterhalb des Dreiländerecks. Die fünfköpfige Besatzung macht das Schiff klar zum anlanden. In diesem Moment blinkt es einige hundert Meter rheinaufwärts auf dem Radarschirm in der Basler Revierzentrale und der Diensthabende Benjamin Rüdy greift zum Funk.
Jahrelang betrieben die Rheinhäfen ihr Geschäft abseits der breiten Öffentlichkeit. Doch seit die Stadt einen Teil des Hafens in ein Wohnquartier umwandeln möchte und die Schifffahrtsbetreiber ein neues Hafenbecken fordern, stehen die Rheinhäfen im Fokus von Politik und Medien. Ob die Stadt die Umnutzung wie geplant umsetzen und auf Schweizer Seite ein neues Hafenbecken entstehen wird, ist weiter ungewiss.
Als die Kelten noch Amphoren schifften
Klar ist, dass Rotterdam den Seehafen ausbaut, weshalb die Rheinhäfen über die nächsten 30 Jahre mit einer starken Zunahme des Frachtverkehrs auf dem Rhein rechnen. Bereits heute erreichen und verlassen 34 Prozent aller Güter das Land über Basel-Stadt und Baselland, ein Drittel davon über die Schweizerischen Rheinhäfen. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 6,8 Millionen Tonnen Güter. Die Logistikbranche ist einer der grössten Arbeitgeber in der Region und erwirtschaftet eine Wertschöpfung von 3 Milliarden Franken.
Dabei ist der Schiffsverkehr im Raum Basel so alt wie die Stadt selbst. Bereits 100 Jahre vor Christus gründeten die keltischen Rauriker in der Nähe des heutigen Basler Voltaplatzes einen Umschlaghafen den sie Arialbinnum tauften und importierten dort Wein aus Griechenland und Italien, der über die Rhone und die Birs nach Basel gelangte. Hier wurden die Amphoren auf grössere Schiffe umgeladen und flussabwärts an wohlhabendere Kelten weiter verschifft.
Seither hat sich der Rhein als Handelsstrasse stetig weiterentwickelt. Die Römer nutzten ihn anfangs für ihre Kriegsflotte. In der Folge begannen immer mehr Handelsleute ihre Waren auf dem Wasserweg zu verschiffen. Eine Entwicklung die sich im Mittelalter fortsetzte.
Verkehrsregelung im Hafenbecken
Mit der Industralisierung wurde der Fluss zur Handelsstrasse. Im Juni 1904 traf in Basel das erste Schleppschiff ein, beladen mit 300 Tonnen Kohle und rund 20 Jahre später erreichte das erste Tankschiff die Stadt. Heute lässt sich der Frachtverkehr auf dem Rhein nicht mehr wegdenken. Im Auhafen bei Muttenz und im Hafen Birsfelden werden vor allem flüssige Treibstoffe umgeschlagen und gelagert. Der Hafen Kleinhüningen mit den beiden Hafenbecken 1 und 2 dient hauptsächlich als Umschlagplatz von Containern.
In der Revierzentrale beim Hafenbecken 1 rauscht es aus dem Funklautsprecher. «Hallo, hier Eiger Nordwand. Bitten um Einfahrt ins Hafenbecken 2». Der Diensthabende Benjamin Rüdy funkt zurück. «Willkommen Eiger Nordwand, die Einfahrt ist frei».
Es ist in der Zwischenzeit Dienstag 13.30 Uhr und die Eiger Nordwand liegt beladen beim Swiss Terminal im Hafenbecken 1. Am Mittag hätte der Frachter ablegen und unterwegs nach Rotterdam in Weil noch weitere Fracht aufladen sollen. Doch der Antrieb auf der Backbordseite springt nicht an, eine Einspritzdüse macht Probleme. In der Führerkabine beraten sich die beiden Schiffsführer Cornelis Bouman und Rudolf Bühler. Auch Heinz Amacker, der Geschäftsleiter der Reederei Danser Schweiz steht in der Kabine und diskutiert mit. Schiffsführer Bühler schaut sich noch einmal die Prognosen für den Wasserstand an, telefoniert mit den Mechanikern in Rotterdam, dann ist klar: Die Eiger Nordwand bleibt über Nacht in Basel, am Abend sollen die Mechaniker aus Rotterdam und Finnland eintreffen. Bei dem steigenden Wasserstand kann das Schiff nicht mit nur einem Motor fahren, das Risiko ist zu gross. Es wird für einen Moment still in der Kabine, Bühler zündet sich eine Zigarette an, Bouman schenkt sich Kaffee ein und Amacker schweigt.
Die beiden Schiffsführer Cornelis Bouman (links) und Rudolf Bühler. (Bild: Nils Fisch)
Der Warentransport wird weiter zunehmen
Die Reederei hat Anfang Sommer die Eiger Nordwand von Dieselbetrieb auf Flüssiggas umgestellt. Der branchwenweit erstmalige Umbau auf den umweltfreundlicheren Antrieb hat für Aufsehen gesorgt und die Reederei zwei Millionen Franken gekostet. Dass die neuen Maschinen nicht zuverlässig funktionieren, damit hat niemand gerechnet. Doch Zeit für Unvorhersehbares gibt es im modernen Schiffsgüterverkehr nicht. «Heute ist die Branche komplett durchrationalisiert», sagt Amacker. «Es läuft alles nach Fahrplan, für Verspätungen gibt es da wenig Platz.» Die Container haben in Rotterdam Anschluss nach Asien, Amerika, Afrika oder Australien und die Seeschiffe warten nicht.
Während die Schiffsführer noch einmal mit den Mechanikern telefonieren, schildert Amacker seine Sicht auf die Entwicklung der Rheinhäfen. «Am wichtigsten sind für uns die Umschlags-Kapazitäten im Hafen in Basel. Der Warentransport wird weiter zunehmen und die Schifffahrt ist der einzige Anbieter mit ausreichend Transportkapazitäten für die kommenden 30 Jahre.» Es habe keinen Wert Container zu transportieren, wenn der Zielhafen diese nicht umladen und zwischenlagern könne. «Trotzdem soll beim heutigen Hafenbecken 1 im Zuge der städtebaulichen Entwicklung eine Wohnüberbauung entstehen. Da gibt es zur Zeit grosse Konflikte.» Anstelle eines neuen Hafenbeckens hält er den Ausbau des Bestehenden für die beste Lösung (Das ganze Interview gibt es hier).
Heinz Amacker, Chef der Reederei Danser Schweiz. (Bild: Nils Fisch)
Zumindest der Dieselantrieb läuft
Am Mittwoch Mittag liegt das Schiff immer noch im Hafenbecken 1. Die Mechaniker haben Verspätung. Als sie am Nachmittag eintreffen, beginnen sie mit einer umfassenden Kontrolle. Die Arbeit dauert die halbe Nacht. Am nächsten Morgen steht Schiffsführer Bühler angespannt im Führerstand. Trotz den Reparaturarbeiten lässt sich der Gasantrieb immer noch nicht starten. Wenigstens der alternative Dieselantrieb funktioniert wieder, das muss reichen. Kommt die Eiger Nordwand heute nicht weg, muss die Reederei umdisponieren und die Container auf ein anderes Schiff umladen.
Bühler checkt die Anzeigen. «So wies aussieht ist die Maschine startklar. Jetzt muss ich sie nur noch zum laufen bringen». Er legt den Haupthahn um, ein Augenblick später löst sich das Schiff unter gleichmässigem Brummen von der Hafenmauer und Bühler greift zum Funk. «Revierzentrale, hier Eiger Nordwand» – «Ja Eiger Norwand, Revierzentrale Rudy» – «Wir würden gerne raus» – «Ist gut, kannst gehen. Ausfahrt ist frei. Gute Reise und bis zum nächsten Mal».
Mit 6,4 Stundenkilometern und einer Ladung von 900 Tonnen schiebt sich die Eiger Nordwand in die Strömung und nimmt Kurs in Richtung Meer.