Tränengas in der «Grenzwert»-Bar

Bei den Ausschreitungen nach der OSZE-Demonstration in Basel fand eine Tränengasgranate den Weg in die Bar «Grenzwert». Ein Gast musste die Nacht mit einem Lungenriss auf der Notfallstation verbringen.

Anti-OSZE-Demo in Basel: Zum Tränengas-Einsatz kam es nicht nur auf der Strasse – es traf auch Unbeteiligte in der «Grenzwert»-Bar. (Bild: Hans-Joerg Walter)

Bei den Ausschreitungen nach der OSZE-Demonstration in Basel fand eine Tränengasgranate den Weg in die Bar «Grenzwert». Ein Gast musste die Nacht mit einem Lungenriss auf der Notfallstation verbringen.

Die Stadt hat nach dem Ausnahmezustand ohne weiteres Aufhalten in den Normalbetrieb zurückgefunden. Doch auf Sandra* hat die OSZE-Konferenz in Basel bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie geriet am Freitagabend nach dem gewalttätigen Ende der bewilligten Demonstration ins Reizgas und musste am Samstagmorgen in der Notfallstation des Uni Spitals behandelt werden.

Diagnose: Pneumothorax, Luft zwischen Lunge und Brustfell. 24 Stunden lag sie in einem Spitalbett, dann entliessen sie die Ärzte. Nun muss die Frau alle drei Stunden Schmerzmittel zu sich nehmen, das Sprechen fällt ihr schwer. 

Sandra war nicht Teil der Demonstration, sie geriet auch nicht zufällig zwischen die Fronten. Sie sass mit einigen anderen in der «Grenzwert»-Bar in der Rheingasse, als sich draussen militante Aktivisten mit der Polizei eine wüste Strassenschlacht lieferten. Steine flogen in die eine Richtung, Gummischrot und Gasgranaten in die andere.

DJ aus Madrid ärgert sich

Gegen acht Uhr füllte sich die eng gebaute Bar plötzlich mit Tränengas, erst sickerte es durch die Lüftung ein, dann lag plötzlich eine Gasgranate mitten im Raum. Das Atmen war nicht mehr möglich, der Barchef erbrach sich.

Sandra und der Rest rannten hustend ins Freie. So fest hustend, dass etwas in ihrer Lunge kaputt ging. 

Die Betreiberin der «Grenzwert»-Bar, Cécile Grieder, will nun das Gespräch mit Polizeikommandant Gerhard Lips suchen. Grieder ist verärgert über die Vorgänge. Sie hatte einen DJ aus Madrid gebucht, der nicht auftreten konnte; der Mann machte seinem Ärger auf Facebook Luft:

 

Unklar ist, wie die Gasgranate den Weg in die Bar fand. Ein Augenzeuge spricht von einem Querschläger, die Polizei gibt den Demonstranten die Schuld: «Nachdem der Reizstoffwurfkörper auf dem Boden aufgetroffen war, begannen die Angreifer diesen mit den Füssen wegzutreten. Dadurch flog dieser in den Eingangsbereich der erwähnten Bar.»

Als Grieder danach bei der Polizei telefonisch nachfragte, weshalb Tränengas eingesetzt wurde, erhielt sie die überraschende Antwort, es habe keinen solchen Einsatz gegeben. Die Polizei sagt dazu: «Am Freitagabend handelte es sich um eine sehr dynamische Situation. In solchen Momenten kann es vorkommen, dass während eine Auskunft erteilt wird sich die Situation bereits verändert hat.»

Polizisten evakuierten zwei Personen

Tatsächlich waren zwei Polizisten in Schutzanzügen in die Bar eingedrungen, um die letzten beiden verbliebenen Gäste zu evakuieren und die Gasgranate zu entfernen. Der Einsatz war wichtig: Reizgas in hoher Konzentration in einem geschlossenen Raum kann lebensgefährlich sein.

Um den Abend zu retten, bat Grieder die Feuerwehr um Hilfe. Diese rückte nach einigem Hin und Her tatsächlich aus, wurde aber von der Polizei zurückgepfiffen, kaum hatte sie mit der Arbeit begonnen. Die Begründung der Sicherheitskräfte: «Die Feuerwehr und die anwesende Polizeipatrouille wurden wiederholt angegangen und in der Arbeit gestört. Da die Sicherheit der anwesenden Feuerwehrleute und Polizisten nicht mehr gewährleistet werden konnte, musste der Einsatz abgebrochen werden.»

Die Meinungen, wie sich die Sache abspielte, gehen auch hier auseinander. Gemäss Grieder waren es die eigenen Gäste, die mit den anwesenden Polizisten das Gespräch suchten. Diese hätten daraufhin die Feuerwehrleute sofort weggeschickt. Ein zweiter Anruf von Grieder bei der Feuerwehr, später am Abend, blieb erfolglos.

Südamerikareise abgesagt

Weil die Bar die ganze Nacht geschlossen bleiben musste, gingen Grieder Einnahmen in der Höhe von mehreren Tausend Franken verloren. Auch Sandra*, die laut Aussagen der Ärzte wieder voll gesund werden wird, ist frustriert: Sie muss eine geplante Südamerikareise absagen.

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*Name der Redaktion bekannt

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