Die Oberbaselbieter Gemeinde Buus quartiert Asylbewerberinnen in einer kalten Zivilschutzanlage ein. Die Frauen aus Eritrea beklagen sich über die unwürdige Unterbringung.
Der Buuser Gemeindeverwalter Beat Sägesser brüllt in den Telefonhörer. «Wir haben diesen Leuten einen Aufenthaltsraum in der Mehrzweckhalle angeboten. Kein Mensch ist gekommen!» Einmal mehr erhitzt die Unterbringung von Asylbewerbern die Gemüter. Doch dieses Mal sind es nicht besorgte Anwohnerinnen und Anwohner, die sich beklagen, sondern die Asylbewerber selbst. Genauer, die Asylbewerberinnen.
13 Frauen leben in Buus unter der Erde, nachts schliessen sie den Eingang mit einer tonnenschweren Zementtüre. Die Asylbewerberinnen aus Eritrea leben im Bunker, viele von ihnen seit bald zwei Jahren.
So lange ist es her, seit die Gemeinde die Zivilschutzanlage in ein Asylheim umgewandelt hat. Und weil sich das für vier Personen, so viele müsste die Gemeinde gemäss Asylverordnung aufnehmen, wenig lohnt, übernahm Buus auch die Asylbewerberinnen aus vier Nachbargemeinden. «Verbundlösung» nennt sich das Modell. Zeitweise leben bis zu 20 Frauen in der engen Anlage.
Arbeiten verboten
Eine steile Treppe aus Sichtbeton führt unter den Boden in die Unterkunft. Im Eingangsbereich, eigentlich als Luftschleuse für Notfälle geplant, steht an der Wand eine improvisierte Dusche. Es ist kalt und feucht. Auf der einen Seite hat es zwei Schlafräume, auf der anderen eine Küche. Dazwischen, im Aufenthaltsraum, steht ein kleiner Altar mit einem verblichenen Jesus-Bild an der Wand.
Eine Gruppe Frauen sitzt vor einer Wandtafel. Eine Frau aus der Gegend unterrichtet hier seit einigen Wochen Deutsch in ihrer Freizeit. Baselland gehört zu jenen Kantonen, die Personen im Asylverfahren keinen Deutschunterricht ermöglichen. Und als einer von wenigen verbietet er ihnen jede Arbeit.
Buus erhält jährlich mehrere 10 000 Franken für seine Asylunterkunft.
Also sitzen die Frauen im Bunker, schlafen, beten, spazieren – oder sie fahren am Morgen nach Basel, gehen durch die Strassen, trinken Tee in Treffpunkten für Asylsuchende und kehren am Abend wieder zurück. Sie führen das Leben von Wartenden.
Viele der Frauen hatten bereits vor einem halben Jahr ihr entscheidendes Gespräch beim Bundesamt für Migration und warten noch immer auf den Bescheid. Dabei haben Flüchtlinge aus Eritrea derzeit gute Chancen auf eine Aufenthaltsgenehmigung.
Einmal luden die Frauen die Dorfbevölkerung zu einem Essen ein. Das war kurz, nachdem sie eingezogen waren und sich wunderten, weshalb niemand auf der Strasse grüsst.
Kritik vom Amt
Das Baselbieter Sozialamt kritisiert die dauerhafte Unterbringung in der Zivilschutzanlage. Rolf Rossi ist Leiter der Koordinationsstelle für Asylbewerber. Am Telefon bedauert er die Situation. «Wir haben die Gemeinde wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass wir diese Unterbringung längerfristig nicht für optimal halten.» Doch am Ende müssten die Gemeinden darüber entscheiden, was sie für richtig hielten. Es sei ein heikles Thema. Vorschreiben könne der Kanton den Gemeinden nichts.
Die Bedenken aus Liestal treffen in Buus auf wenig Verständnis. «Ich finde, das ist zumutbar», sagt Gemeindepräsident Marc Brodbeck. Man sei eben eine kleine Gemeinde, und für 20 Personen gebe es keine andere Möglichkeit. Nachdem Buus jahrelang die eigenen Asylbewerber in einem Nachbardorf untergebracht hatte, fühlte er sich in der Pflicht. «Es musste einfach mal jemand einen Nagel einschlagen.» Selber war Brodbeck bisher zwei Mal in der Unterkunft.
Eine Landrätin zu Besuch
Für die Gemeinde bedeutet die Verbundlösung eine angenehme Nebeneinkunft. Jährlich erhält sie mehrere Zehntausend Franken für den Betrieb der Anlage. Die Betreuung der Frauen hat der Kanton an das Unternehmen ABS abgetreten, welches sich in vielen Gemeinden um die Asylbewerber kümmert.
Die Aufsichtsfunktion liegt gemäss Verordnung immer noch bei der Gemeinde. Doch die Verantwortlichen in Buus machen einen grossen Bogen um die Unterkunft. Daran änderte sich auch nichts, nachdem in der Nacht wiederholt Jugendliche den Eingang mit Steinen und Flaschen beworfen und versucht hatten, die Türe aufzubrechen. Die waren bestimmt von einem anderen Dorf, heisst es bei der Verwaltung lapidar.
Die Hochschulabsolventin hat sich ihren Neuanfang in der Schweiz anders vorgestellt.
Unterstützung erhalten die Frauen von anderer Seite. Elisabeth Augstburger, Landrätin der EVP, hat vor einigen Tagen die Zivilschutzanlage besucht. In einer dringenden Interpellation will sie nun vom Regierungsrat wissen, ob es möglich sei, die Asylverordnung so anzupassen, dass Asylsuchende nicht mehr dauerhaft in Zivilschutzanlagen untergebracht werden. Die derzeitige Situation empfinde sie als untragbar.
Bei den Eritreerinnen wächst der Frust mit jedem Tag. «Wir haben unseren Anfang in der Schweiz anders erwartet», sagt Simret F.*, die seit knapp zwei Jahren in Buus lebt. Wie viele der Frauen hat sie einen Hochschulabschluss und spricht fliessend Englisch.
Bescheidene Wünsche
In Eritrea knechtet die Regierung die gesamte Bevölkerung und verordnet ihr jahrelangen Staatsdienst. Die Frauen in Buus kamen nach Europa, um ihr Leben selber in die Hand zu nehmen. Ihre Wünsche sind bescheiden. Sie möchten arbeiten, eine Unterkunft mit Tageslicht und möglichst bald einen Entscheid. Das Einzige, was sie vor einigen Wochen erhalten haben, sind zwei kleine Heizungen.
Für Winterkleider fehle ihnen das Geld, sagen die Frauen. Monatlich erhalten sie gemäss Asylverordnung von der Betreuungsfirma 420 Franken. Davon gehen 70 Franken an das Umweltschutzabonnement. Neben dem Essen bleibt nicht viel übrig.
Trotz allen Schwierigkeiten, sagen die Frauen, bereuen sie ihre Flucht nicht. In Eritrea gebe es keine Zukunft für sie, und in der Schweiz hätten sie die letzte Hoffnung noch nicht verloren. Dabei müssen die Frauen hier nicht nur den eigenen Erwartungen gerecht werden. Das Geld für die oft kostspielige Reise nach Europa suchten viele bei Verwandten zusammen. Diese hoffen, dass sich die Investition auszahlt und eines Tages Geld aus der Schweiz zu ihnen zurückfliesst.
Von ihrem Leben im Bunker wollen die Frauen ihren Verwandten nichts erzählen. «Sie würden es ohnehin nicht glauben», sagt Simret. In Eritrea macht man sich andere Vorstellungen von einem Leben in der Schweiz.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 31.01.14