Trudi Gerster erzählte Geschichten – ihre Nachkommen heute auch. Aber anstatt Worte benutzen sie dafür indischen Tanz. Nun feiern sie mit ihrer Tanzschule Kalasri Jubiläum. Wir haben sie während einer Probe besucht.
Es ist kurz vor Feierabend. Die Geschäfte schliessen, die letzten Einkäufer und Nachhausekommer schlendern durch den Nebel in der Innenstadt. Doch in einem unscheinbaren Haus an der Freien Strasse brennen noch die Lichter. Eine Frau mit indischen Gewand öffnet die Tür zu einem hellen Raum. Es riecht nach Räucherstäbchen; Bilder mit indischen Figuren schmücken die Wände. In Mitten des Studios steht eine Gruppe Tänzerinnen mit farbenfrohen Kleidern. Wenn sie sich bewegen rasseln die Glocken an ihren Knöcheln.
Wir befinden uns in der Tanzschule Kalasri, die dieses Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum feiert. Zu diesem Anlass wurde das Stück «Himalaya» mit eigens choreographierten Tänzen entwickelt. Heute finden die Proben für die kommenden Aufführungen in Basel statt.
Esther Jenny Keshava, die Tochter von Trudi Gerster, ist die Gründerin der Schule für Yoga und Indischen Tanz. In Indien absolvierte sie ein Studium des Tanzstils «Bharatanatyam». 1976 kehrte sie in die Schweiz zurück und gründete zusammen mit ihrem Mann Vidwan D. Keshava das Tanzensemble Kalasri und die gleichnamige Schule in Basel.
Anjali und Sumitra Keshava haben den indischen Tanz bei ihrem Vater gelernt. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Vidwan D. Keshava kam 1976 mit seiner Frau Esther Jenny Keshava in die Schweiz. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Die Töchter Anjali Keshava und Sumitra Keshava führen die Tradition weiter. Sie liessen sich von ihrem Vater ebenfalls im indischen Tanz ausbilden. Heute sind sie beide als Tänzerinnen und Tanzpädagoginnen tätig. Zusammen mit ihrem Vater bilden sie den Kern des Kalasri Ensembles. Ausserdem sind viele langjährige Schüler Teil der Tanzgruppe. Esther Jenny Keshava tanzte lange Zeit auch mit ihrer Familie auf der Bühne. Jetzt übernimmt sie noch organisatorische Aufgaben und unterrichtet Yoga.
Von links nach rechts: Esther Jenny Keshava, Anjali Keshava, Vidwan D. Keshava, Sumitra Keshava (Bild: Alexander Preobrajenski)
Ein wichtiges Merkmal des traditionellen Tanzes ist der schauspielerische Aspekt: Grosse Augen, viel Mimik, klare Bewegungen – mit diesen Elementen wird eine Geschichte überliefert.
Manchmal sehr ruhig und manchmal sehr lebhaft: Die aufgeführten Tänze sind vielfältig. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Der Himalaya kommt auf die Bühne
Kalasri (Kalaschri ausgesprochen) bedeutet auf Sanskrit (Alt-Indisch) «Reichtum der Kunst». Und den hofft das Ensemble mit ihrer Tanzproduktion auf der Bühne sichtbar zu machen.
An der Jubiläumsproduktion dreht sich alles, der Name verrät es schon, um den Himalaya. «Für die Inder ist der Himalaya von grosser Bedeutung», sagt Vidwan D. Keshava. Aber warum ist er eigentlich so heilig? «Genau das wollen wir auf der Bühne erzählen», sagt Anjali Keshava. Das sagenumwobenen Gebirge hält viele mythologische Geschichten bereit, die das Ensemble in seinen Choreographien darstellt. «Auch heute wollen viele Menschen aus der ganzen Welt in den Himalaya reisen.» Aus diesem Grund würden sie in ihren Choreographien auch aktuelle Zustände und Situationen mit der Mythologie verbinden, ergänzt Sumitra Keshava.
Mit Mimik und exakter Bewegung werden Geschichten aus dem Himalaya erzählt. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Das Erzählen bleibt in der Familie
Für Familie Keshava ist es wichtig, nicht nur ihre indischen Wurzeln, sondern auch den schweizerischen Hintergrund hervorzuheben. «Meiner Mutter Trudi Gerster hat der indische Tanz immer gefallen», erzählt Esther Jenny Keshava. Früher sei sie sogar zusammen mit ihrer Familie aufgetreten: «Sie hat erzählt, und wir haben getanzt», sagen Anjali und Sumitra Keshava. Die Tradition des Erzählens geht also weiter. Ohne Sprache, dafür mit viel Bewegung und lebhafter Musik.
Übrigens: Für die Familie Keshava gibt es noch mehr zu feiern. Am 26. Oktober, also drei Tage vor der ersten Aufführung in Basel, erschien das Buch «Trudi Gerster – Ein facettenreiches Leben». Esther Jenny Keshava hat nach dem Tod von Gerster die Aufbewahrung und Organisation ihrer Werke übernommen – eine wichtige Mitarbeit für das Buch über die Märchenerzählerin.