Ueli Maurer und die NSA: Nichts hören, nichts sagen, nichts tun

Wie arbeiten der amerikanische und der schweizerische Nachrichtendienst zusammen? Im Nachgang der Snowden-Affäre stellt das Parlament Fragen – und der Bundesrat auf stur.

Was machen die wohl? Ueli Maurer will keine Fragen zur Zusammenarbeit der Schweiz mit dem NSA beantworten. (Bild: Montage Nils Fisch)

Wie arbeiten der amerikanische und der schweizerische Nachrichtendienst zusammen? Welche Informationen saugen die amerikanischen Spione aus Schweizer Netzen? Im Nachgang der Snowden-Affäre stellt das Parlament Fragen – und der Bundesrat auf stur.

Punkt 16 Uhr griff Nationalratspräsidentin Maya Graf (Grüne) zur Glocke und beendete die Fragestunde. Eineinhalb Stunden stehen für Fragen zur Verfügung, was nicht in diesen Zeitrahmen passt, wird schriftlich beantwortet. Und so begrüsste Graf um 16 Uhr die Berichterstatter zum Geschäft 09.303, das die wichtige Frage zum Inhalt hat, ob die Autobahnzubringer Emmental und Oberaargau ins Nationalstrassennetz aufgenommen werden sollen.

Dabei wäre es just um 16 Uhr erst richtig spannend geworden in der Fragestunde: Zuerst hätte Justizministerin Simonetta Sommaruga einige Fragen zum Fall der getöteten Sozialtherapeutin in Genf beantworten müssen und danach wäre es an Verteidigungsminister Ueli Maurer gewesen, zu den neuesten Gerüchten über eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem amerikanischen Nachrichtendienst NSA und dem Nachrichtendienst des Bundes NDB Stellung zu nehmen.

Ein bewusster Entscheid?

«Das haben die extra gemacht», hiess es am Tag danach aus linken Kreisen im Bundeshaus, «Maurer tut alles, um eine Debatte zur NSA zu verhindern.» Verantwortlich für die Zusammenstellung der Fragen ist die Bundeskanzlei – es kann also durchaus sein, dass Bundesräte auf den Zeitplan Einfluss nehmen. Und sich so vor der direkten Beantwortung der Fragen drücken.

Und Fragen gab es einige: Nachdem das deutsche Fernsehmagazin «Zoom» und danach die «Schweiz am Sonntag» publik gemacht hatten, dass es eine schriftliche Vereinbarung zwischen den beiden Geheimdiensten gibt und die NSA anscheinend direkten Zugriff auf die Abhöranlagen in Leuk (VS) und Heimenschwand (BE) hat, deckten linke Parlamentarier Verteidigungsminister Maurer mit einer ganzen Palette davon ein. Die Fragestunde war dabei nur zweite Wahl: Ursprünglich hatte die SP eine Sonderdebatte zum Thema verlangt, blieb mit der Idee im Büro des Nationalrats aber chancenlos.

Ernüchternd

Die schriftliche Version der Antworten wurden noch am Montagabend geliefert und sie waren – in den Augen der Fragesteller – ernüchternd. «Mit so viel heisser Luft könnte man eine Windkraftanlage betreiben», sagt Balthasar Glättli (Grüne, ZH). Der Nationalrat spürt eine gewisse Hilflosigkeit in den Antworten des Bundesrates. So begrüsse die Regierung zwar jede öffentliche politische Debatte über die Nachrichtendienste, die Mittel zur Wahrung der Souveränität und die Bedeutung der Grundrechte der Bevölkerung, heisst es in einer Antwort. Das «aber» folgt jedoch schon im nächsten Satz: «Eine Orientierung der Öffentlichkeit über die Vorgänge im Zusammenhang mit den mutmasslichen Tätigkeiten der NSA ist erst dann möglich, wenn dem Bundesrat Fakten vorliegen, welche über die von den Medien kolportierten Informationen hinausgehen.»

Im Klartext für Glättli: «Der Bundesrat weiss nichts. Oder er will nichts wissen.»

Wer weiss was?

Tatsächlich gibt der Bundesrat – und besonders Verteidigungsminister Maurer – ein spezielles Bild in der Affäre rund um die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden ab. So ist ist bis heute unklar, ob überhaupt jemand irgend etwas weiss. Was tut der NSA in der Schweiz? Welche Daten schöpft er ab? Inwiefern ist der Schweizer Nachrichtendienst dabei behilflich? Warum sollen ausgerechnet jetzt die Kompetenzen des Nachrichtendienstes ausgebaut werden? Und wie gut ist der Schweizer Nachrichtendienst und sein Chef Markus Seiler eigentlich? Eine Frage, die mit den aktuellen Vorwürfen (und nach dem peinlichen Datenklau aus der Zentrale des NDB) weiter an Aktualität gewonnen hat.

Eine Frage aber auch, die unbeantwortet bleibt. Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen, wollte vom Bundesrat wissen, ob Seiler als Chef des NDB noch tragbar sei. Die Regierung ging nicht weiter darauf ein.

Stattdessen schiebt der Bundesrat die Verantwortung für die Aufklärung der Affäre auf die GPDel ab, einer sechsköpfigen Kommission bestehend aus drei Stände- und drei Nationalräten mit dem Auftrag, die Tätigkeiten der Nachrichtendienste und des Staatsschutzes zu überwachen.

Ohne Verantwortung

Ständerat Claude Janiak (SP, BL) ist Mitglied der GPDel, er wird, wie er bereits der «Schweiz am Sonntag» gesagte hat, in der nächsten Sitzung der Kommission beantragen, die Zusammenarbeit zwischen NDB und NSA zu überprüfen. Ausserdem möchte er noch einmal explizit die Vereinbarung zwischen den beiden Geheimdiensten sehen. Zur Rolle des Bundesrats sagt Janiak: «Erfahrungsgemäss und verständlicherweise will der Gesamtbundesrat nicht zu viel wissen – um nachher nicht verantwortlich gemacht zu werden.»

Erstaunlich ist, dass die Bürgerlichen sich bis jetzt jeder Kritik enthalten. «Es geht bei diesem Skandal um unsere Souveränität, um Wirtschaftsspionage – alles Themen, die auch den Bürgerlichen am Herzen liegen sollten», sagt Balthasar Glättli. Bereits am Dienstag hat der Zürcher Nationalrat die nächsten Fragen für den Bundesrat deponiert. Auch von anderen linken Parlamentariern werden noch weitere Fragen für die Fragestunde vom nächsten Montag erwartet. Vielleicht wird Verteidigungsminister Maurer dann bereits am Anfang zur direkten Beantwortung zur Verfügung stehen. Vielleicht aber auch nicht.

Quellen

Die NSA und der NDB – ein Text aus der «Schweiz am Sonntag».

Die Linke forciert eine Geheimdienst-Debatte – ein Text aus der NZZ.

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