Die Schweiz ist drauf und dran, hunderte Tamilen auszuweisen, weil Sri Lanka angeblich wieder sicher ist. Menschenrechtsorganisationen sehen das allerdings ganz anders. Und mit Baselland wehrt sich nun ein erster Kanton gegen die umstrittene Ausschaffungspraxis.
Für das Bundesamt für Migration (BFM) ist der Fall klar: Der Bürgerkrieg auf Sri Lanka ist seit 2009 vorbei, also spricht grundsätzlich nichts mehr gegen eine Rückkehr der Tamilen, die in der Schweiz vorläufig aufgenommen worden sind. Bei einer «eingehenden Prüfung» sei man zum Schluss gekommen, dass sich «die Sicherheitslage in Sri Lanka deutlich entspannt habe», teilte das BFM bereits Ende 2011 mit. Seither beurteilen die Bundesbehörden Fall für Fall nochmals neu. Damit müssen bis zu 3000 Tamilen, die derzeit in der Schweiz in einem Asylverfahren sind, mit der Abschiebung rechnen.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International, die Schweizerische Flüchtlingshilfe und die Schweizerische Gesellschaft für bedrohte Völker halten das Vorgehen der Bundesbehörde für einen fatalen Fehler. Sie haben mehrere Fälle dokumentiert, in denen Tamilen nach der erzwungenen Rückkehr verfolgt und gefoltert worden sind.
Viele Widersprüche
Schwerpunkt Asylpolitik
Der Schwerpunkt der Ausgabe vom 23. August 2013 widmet sich der Schweizer Asylpolitik. Die Vorfälle in Bremgarten und in Alpnach zeigen: Selten war der Graben zwischen der humanitären Tradition und der Realität in der Asylpolitik grösser als heute. Wir leben in zwei Schweizen mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen, wie man mit den Fremden umgehen soll. Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht. Dafür erfahren Sie in unserem Schwerpunkt noch mehr Hintergründe über die umstrittenen Ausschaffungen und den Widerstand dagegen.
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Entsprechend gross ist der Widerstand gegen die Ausschaffungen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bis jetzt allerdings alle Klagen abgelehnt, obwohl die Richter in St.Gallen in einem Urteil einräumen mussten, dass das sri-lankische Regime auch Rückkehrer ohne «politisches Profil» verhafte und teilweise foltere. Die Menschenrechtsorganisationen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Rückkehrer aus dem reichen Westeuropa unter Generalverdacht stehen, die tamilischen Separatisten zumindest finanziell unterstützt zu haben. England zum Beispiel verzichtet darum bis auf Weiteres auf Ausweisungen nach Sri Lanka.
Ob die Ausschaffungen aus der Schweiz dennoch «zumutbar» sind, wie das Bundesverwaltungsgericht es behauptet, klärt derzeit die Anti-Folterkommission der UNO in mehreren Fällen ab. Eigentlich dürfte die Schweiz niemanden in ein Land ausschaffen, in dem Folter droht.
«Liestal» interveniert
Das Problem ist, dass das Verfahren bei der UNO mehrere Monate dauert und der Entscheid im konkreten Einzelfall möglicherweise erst fällt, wenn der betroffene Tamile bereits ausgeschafft ist.
Um das zu verhindern, hat das Baselbieter Migrationsamt in dieser Woche die Ausschaffung eines jungen Tamilen einen Tag vor dem geplanten Flug nach Colombo gestoppt, wie Adrian Baumgartner, Sprecher der Baselbieter Sicherheitsdirektion auf Anfrage der TagesWoche bestätigte. Der junge Mann hatte während mehreren Jahren im Baselbiet gelebt und hier die Schule besucht.
Die Intervention der Sicherheitsdirektion ist eher ungewöhnlich. Normalerweise überlassen die Kantone solch heikle Entscheide dem Bund. Ganz offensichtlich zweifelt man in Liestal aber an den Einschätzungen der Behörden in Bern. Darum forderte die Baselbieter Sicherheitsdirektion vom Bund auch eine neue Beurteilung der Sicherheitslage auf Sri Lanka.