Heikle Doppelmandate an der Schlichtungsstelle

Die Mietschlichtungsstelle soll unnötige Gerichtsverfahren verhindern. Doch an der Behörde gibt es Kritik, zumal eine Vorsitzende im Verdacht des Interessenkonflikts steht.

Wer hat welche Interessen? Die Mietschlichtungsstelle steht in der Kritik des Mieterverbands.

Wer in Basel Ärger mit dem Vermieter hat, sieht sich schnell mal vor die Wahl gestellt: entweder aufgeben – oder hohe Kosten riskieren. Zwar landen sämtliche Mietstreitigkeiten zunächst bei der kostenlosen Schlichtungsstelle, doch danach kann es schnell teuer werden. Mehrere Tausend Franken Anwalts- und Prozesskosten würden Mieter mit kleinem Portemonnaie abschrecken, sagt der Mieterverband.

Mit einer Initiative will er das ändern. Das Begehren verlangt, dass jede Partei ihre Anwaltskosten selber trägt – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Zumal sollen die Gerichtskosten maximal 500 Franken betragen. Nur bei sogenannt mutwilliger Prozessführung, also wenn jemand die Gerichte ohne Aussicht auf Erfolg beschäftigt, würden die vollen Verfahrenskosten in Rechnung gestellt.

Die Initiative hat einen schweren Stand. Der Regierungsrat lehnt sie ohne Gegenvorschlag ab und nun wurde sie auch in der Kommission mit 10 zu 2 Stimmen deutlich versenkt. Hauptgrund dafür: Man befürchtet eine Entwertung der Mietschlichtungsstelle und eine unnötige Prozessflut. So verweist etwa Bruno Lötscher, Präsident des Zivilgerichts, auf die tiefe Prozessquote. Nur sieben Prozent der rund 1250 Schlichtungsverfahren im Jahr 2016 wurden ans Zivilgericht weitergezogen. Der Schlichtungsversuch ist obligatorisch bei Mietstreitigkeiten. Lötscher befürchtet, dass es keinen Anreiz für eine gütliche Einigung mehr gibt, wenn das Drohmittel der hohen Anwaltskosten wegfällt.

«Das ist ein höchst undemokratisches Verständnis von Gerechtigkeit», sagt dazu Beat Leuthardt, Chefjurist des Mieterverbands. Menschen mit wenig Mitteln würde so der Gang ans Gericht erschwert. Laut Leuthardt seien es oft die drohenden hohen Kosten, die Mieter davor abhalten würden, den Rechtsweg zu beschreiten.

Ausgewogen – in der Theorie

Wenn bei der Schlichtungsstelle Endstation ist, stellt sich die Frage, wie neutral diese arbeitet. Eine Schlichtung wird immer von je einem Vertreter der Vermieter und der Mieter sowie einem unabhängigen Vorsitzenden getroffen. Dazu kommt der Protokollführer. Die in der Theorie ausgewogene Besetzung bietet in der Praxis Angriffsfläche. Denn die Vorsitzenden sind oft praktizierende Rechtsanwälte mit Mandaten im Mietrecht.

Mitunter kommt es zu heiklen Überschneidungen. In einem aktuellen Streitfall vertritt die Basler Anwältin Caroline Meyer eine Zürcher Immobilienfirma, die eine Liegenschaft in der Kleinbasler Haltingerstrasse leer gekündigt hat. Derzeit laufen aussergerichtliche Einigungsbemühungen, sollten diese scheitern, wird der Fall an der Schlichtungsstelle behandelt. Im Einzelhaus wohnen ältere, bedürftige Mieter sowie einkommensschwache Mieter mit ausländischem Pass.

Meyer ist an der Schlichtungsstelle als Vorsitzende engagiert. Nicht im Fall Haltingerstrasse, doch man kennt sich als Kollegen, und die Frage stellt sich, ob sich das Gremium durch diesen Umstand nicht beeinflussen lässt. Meyer sagt: «Ich kann keinen Interessenkonflikt erkennen.» Sie habe den Fall umgehend an einen Mitarbeiter in der Kanzlei weitergeleitet, als sich ein Konflikt mit den Mietern abzeichnete. Rechtlich verpflichtet, keine Fälle vor der Behörde zu vertreten, wäre Meyer nicht. Doch man hat sich in einem Gentleman’s Agreement in der Schlichtungsstelle darauf geeinigt.

Meyer wundert sich über den Vorwurf: «Wenn ich als Anwältin Mieterinteressen vertrete – was genauso vorkommt –, spricht niemand von Interessenkonflikten.» Beeinflussungen des Spruchkörpers hält sie für ausgeschlossen, weil alle Entscheide vor das Zivilgericht weitergezogen werden können.

Der Schlichter als Richter

Allerdings kann es auch zu sonderbaren Verwicklungen kommen. Im Mammutfall Burgweg, wo die Basellandschaftliche Pensionskasse eine ganze Häuserzeile zwecks Totalsanierung leer kündigte, lehnte an der Schlichtungsstelle der Vorsitzende Markus Frey die Begehren der Mieterschaft um Kündigungsschutz ab. Als die Mietparteien dann von der Klagemöglichkeit Gebrauch machten und vors Zivilgericht gingen, überraschte sie der Name des zuständigen Richters: Erneut behandelte Markus Frey ihren Fall. Ein Antrag auf Befangenheit wurde abgelehnt, weil die Zivilprozessordnung dieses Doppelmandat zulässt.

Die Mieter und der Mieterverband scheiterten schliesslich auch vor Appellations- und Bundesgericht. Mit immenser Kostenfolge: Die 13 Mietparteien mussten alleine bis zur Stufe Zivilgericht 43’000 Franken Gerichts- und Anwaltskosten bezahlen – eines der teuersten Verfahren in der Geschichte des Mieterverbands. Obwohl es sich 13-mal um das identische Verfahren handelte, 13-mal dieselbe Beurteilung und 13-mal dieselbe Stellungnahme des Gegenanwalts, wurden für jeden Einzelfall dieselben Kosten in Rechnung gestellt.

Eine Bündelung der Verfahren zu einem Pilotfall sieht das Prozessrecht nicht vor. Die Linke in der Justiz- und Sicherheitskommission wollte diese Linderung der Kostenlast in einen Gegenvorschlag retten, gemeinsam mit einer Deckelung der übrigen Prozesskosten. Doch auch hier siegte die bürgerliche Mehrheit unter der Anleitung von FDP-Grossrat David Jenny knapp mit 7 zu 6.

Wahrscheinlich wird auch der Grosse Rat die Initiative ablehnen und keinen Gegenvorschlag erarbeiten. Dann heisst es wie so oft: Mieterverband gegen den Rest. Beat Leuthardt glaubt an einen Erfolg am 10. Juni – zu gross sei der Leidensdruck auf dem Basler Immobilienmarkt.

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