Am Gundelitunnel scheiden sich die Geister

Linke und Grüne wollen den radikalen Schlussstrich, Automobilverbände sprechen vom letzten Ausweg aus der Verkehrsnot und der Regierungsrat hätte gerne einen Joker in der Hinterhand. Der Streit um den Gundelitunnel zeigt, wie verhärtet die Fronten in der Basler Verkehrspolitik sind. 

Der Grosse Rat möchte den Bau- und Verkehrsdirektor zum Umdenken bewegen. Dieser spricht sich gegen ein «Denkverbot» aus.

Die Debatte im Grossen Rat war hitzig, was angesichts des Themas nicht erstaunt: Es ging um Verkehr. Genauer um motorisierten Verkehr und noch genauer um einen neuen Hochleistungsstrassen-Strang durch die Stadt. Namentlich um den Gundelitunnel.

Mit einer Motion forderte SP-Grossrätin Dominique König-Lüdin, der Regierungsrat solle sich «verbindlich gegen den Ausbau von Strassenkapazitäten im Perimeter des Gundeldingertunnels» einsetzen.

So sehr sich Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels auch gegen «frühzeitige Denkverbote» in der Verkehrsplanung wehrte: Der Grosse Rat überwies die Motion im Dezember 2017 mit 43 Ja- gegen 40 Nein-Stimmen zur Berichterstattung an den Regierungsrat. Der Bericht ist nun da, voraussichtlich diesen Mittwoch wird das Parlament sein letztes Wort sprechen.

Ein Plan aus den 60er-Jahren

Der Gundelitunnel, eigentlich «Autobahnanschluss Basel City», ist ein Relikt der Verkehrsplanung aus den 1960er-Jahren (Bundesbeschluss zum National­strassennnetz vom 21. Juni 1960). Die Rede ist von einem vierspurigen Tunnel, der beim Güterbahnhof Wolf beginnt und mit zwei Ausfahrten beim Dorenbachviadukt und an der Binningerstrasse an die Oberfläche tritt.

Die Kosten für den Bau des Tunnels werden auf 600 Millionen Franken geschätzt – zwei Drittel davon würde der Bund übernehmen, wonach der Kanton Basel-Stadt noch immer 200 Millionen hinblättern müsste.

Das Projekt landete in der Schublade, die aber nie ganz geschlossen wurde. Regelmässig tauchte es wieder auf, überzeugte jedoch nicht durchschlagend – auch nicht die Regierung. So beginnt diese ihren Kommentar zur aktuellen Motion König auch mit den Worten:

«Bereits in der Strategie Hochleistungsstrassen aus dem Jahr 2015 hält der Regierungsrat fest, dass er das ursprüngliche Projekt des Gundeldingertunnels, auch bekannt als Autobahnanschluss Basel City (ABAC), nicht mehr weiterverfolgen will.»

Das Schwergewicht der Autobahnplanung verlagerte sich deutlich in Richtung Rheintunnel. Und von Quartierverein bis Exekutive war man sich einig, dass ein isoliertes Tunnelprojekt nicht zur Lösung, sondern höchstens zur Verlagerung der Verkehrsprobleme führen würde.

Mit Elba nochmal den Gundelitunnel versenkt

Dass der Gundelitunnel doch wieder auf dem Tisch landete, hat Basel-Stadt dem Landkanton zu verdanken. Die Entwicklungsplanung Leimental – Birseck – Allschwil (Elba) beinhaltete als Kernstück eine «stadtnahe Tangente», die von Allschwil kommend unter Binningen hindurch in eben diesen Gundelitunnel auf Stadtboden münden sollte.

Die eigentlich ausgesprochen autofreundlichen Baselbieter Stimmbürger erteilten der Elba-Vorlage aber im November 2015 eine überraschend deutliche Abfuhr. Und so landete die Strassentangente wieder in der Schublade. Im entsprechenden Dossier der Baselbieter Regierung ist sie nicht mehr aufgeführt. In Liestal wird indes gegrübelt, wie und vor allem wo sich der weniger umstrittene «Zubringer» vom Bachgrabengebiet zur Nordtangente realisieren lässt.

Der Basler Regierungsrat blickt über den mittelfristigen Planungshorizont der Baselbieter Verkehrsplaner hinaus. Weil der Bund Interesse an einer Ringlösung bekunde, könnten sich die Baselbieter vielleicht doch zu einer Neuauflage des Projekts bewegen lassen, heisst es in seiner Antwort auf die Motion:

«Vor diesem Hintergrund hält auch der Regierungsrat BS an seiner strategischen Stossrichtung einer Hochleistungsstrasse zwischen dem Gellertdreieck und dem Gebiet Dorenbach als integraler Bestandteil eines Ringsystems fest.»

Wem nützt der Tunnel?

Bei der Frage, was der Tunnel als Bestandteil eines Autobahnrings der Stadt und speziell dem Gundeldingerquartier bringen würde, scheiden sich die Geister radikal.

Die Regierung vertritt die Auffassung, dass das Gundeli vom Durchgangsverkehr entlastet würde. Doch dieser macht hier nur 26 Prozent aus. Auf den Längsachsen Dornacherstrasse und Gundeldingerstrasse sowie auf der Meret-Oppenheim-Strasse/Peter-Merian-Brücke ist er mit 50 bis 60 Prozent deutlich höher. Bei 39 Prozent handelt es sich um Quellverkehr, also Fahrten mit Ursprung im Quartier, und bei 35 Prozent um Zielverkehr, also Fahrten mit Ziel im Quartier (die Zahlen stammen aus der Verkehrserhebung Gundeldingen aus dem Jahr 2012).

Dennoch sei davon auszugehen, «dass der geplante Tunnel im Gundeldingerquartier 47 Prozent der Fahrzeugkilometer auf den Stadtstrassen reduziert», schreibt Roger Reinauer, Leiter des Basler Tiefbauamts, auf Anfrage der TagesWoche.

Der Durchgangsverkehr verästelt sich ausserhalb des Gundelis stark.

Es fehlt der Glaube an den Segen 

Raphael Fuhrer, Grossrat der Günen und Doktorand am Institut für Verkehrsplanung und Transportssysteme an der ETH Zürich, glaubt nicht an den beruhigenden Segen einer unterirdischen Stadtautobahn: «Wenn man sich den Ursprung und das Ziel des Durchgangsverkehrs zum Beispiel auf der Gundeldingerstrasse anschaut, sieht man, dass er zum grössten Teil aus dem Gebiet Grossbasel-West, Allschwil und Binningen kommt und nicht von der Nordtangente», schliesst er aus der Grafik, welche die Zugänge und Abflüsse des Durchgangsverkehrs darstellt. Er ende auf der anderen Seite auch nur zum Teil auf den Autobahnen A2 und H18.

«Der Gundeli-Durchgangsverkehr ist im Wesentlichen der Verkehr, der aus einem Nachbarquartier ins andere Nachbarquartier fährt», so Fuhrer weiter. «Die allermeisten Fahrten starten und enden im Gundeli selber, da hilft auch kein Tunnel, egal wo.»

Irgendwie scheint man auch im Bau- und Verkehrsdepartement nicht so richtig an den direkten Segen eines Tunnels für das darüberliegende Quartier zu glauben. Vielmehr bringe ein geschlossener Autobahnring dringend benötigte «Ausweichrouten» und «Kapazitätsreserven».

Ob die Tunnelpläne endgültig in die Tonne wandern oder weiterhin aus den Schubladen gezogen werden, wird sich wohl am Mittwoch klären.

Nächster Artikel