Kultur ist bloss ein Nebenschauplatz in der baselstädtischen Politik. Ausser vor den Wahlen –
dann wird Kulturpolitik plötzlich zum Wahlkampfthema.
Basel ist eine Kulturstadt. Wir sind stolz auf unsere Museen, auf das Theater und die Orchester. Wir lieben die Lovebugs ebenso wie «Em Bebby sy Jazz». Die Fasnacht ist grossartig, und wer die Art Basel besucht, stellt fest: Wir sind international. Also alles paletti mit der Kultur?
Multikulti, Esskultur, Kulturschock. Jeder weiss, was Kultur bedeutet. Und jeder kann mitreden. So scheint es jedenfalls. In der Politik jedoch sieht es etwas anders aus. Kultur ist in Basel ein Nebenschauplatz der Politik. War es zumindest bis vor Kurzem. Denn seit die Abteilung Kultur vom Erziehungsdepartement ins Präsidialdepartement gewechselt hat, weht ein anderer Wind. Fertig mit den Freiheiten! Stadtpräsident Guy Morin thront auf seinem Schatz. Und plötzlich geben alle ihren Senf zur Kultur dazu.
Im April hat der Regierungsrat das neue Basler Kulturleitbild verabschiedet. Ein monströses Werk ohne Zusammenfassung. Man habe bewusst auf diesen Leserservice verzichtet, heisst es. Denn man habe nicht gewollt, dass nur das «executive summary» gelesen werde. Peng, da hat man nun das Geschenk als Kulturpolitikerin mit Sitz in der Kulturkommission. Da heisst es: sich durchbeissen.
Aber wow, die Lektüre hat sich gelohnt. In akademischem Gewand kommt einem Mutiges, Beständiges, künstlerisch und ökonomisch Nachhaltiges entgegen. Nichts vom populistischen Pamphlet des Noch-Pro-Helvetia-Chefs Pius Knüsel, der in seinem Buch «Der Kulturinfarkt» meint: «Wir haben von allem zu viel und überall das Gleiche.»
Vom Basler Parlament wird das Kulturleitbild allerdings nur «zur Kenntnis genommen» werden. Das heisst, wir Grossrätinnen und Grossräte werden nach der Sommerpause zwar darüber debattieren – Konsequenzen wird diese Diskussion jedoch nicht haben.
Das Kulturleitbild ist Geschäft des Regierungsrats. Trotzdem: Jede Partei wird ihren Kommentar zur Kultur abgeben wollen. Für BastA! wird es wohl zu wenig Freiräume für die alternative Kultur geben, die SP wird auch die kleinste Filmvorführung in Swasiland unterstützen wollen, der FDP und der LDP wird das Ganze zu links und zu grün sein, die SVP wird wahrscheinlich provozieren. Und auch CVP und Grünliberale werden sich in die Debatte einmischen. Wahl-jahr eben.
Gut haben sich bereits Museen, Theater, Orchester, Rocker, Literaten, Filmschaffende und Künstlererinnen zu Wort gemeldet. Sie alle wollen nur das Beste für die Kultur – und natürlich mehr, als zur Verfügung steht.
Auch deshalb liebe ich Basel. Wegen solcher Diskussionen. Das Floss, das Tattoo und das Theaterfestival auf dem Kasernenareal, das Rheinfeuerwerk und die Kinderferienstadt im Dalbeloch. Das alles ist Kultur, Wahljahr hin oder her. Und der hölzerne Charme unseres «Preesi» gehört halt mit dazu.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.07.12