Drohnen sind die Herren der Lüfte. 22’000 solcher Fluggeräte gibt es bereits in der Schweiz. Was passiert, wenn immer mehr Drohnen in den Himmel aufsteigen?
Drohnen erleben derzeit einen beispiellosen (und buchstäblichen) Höhenflug. Winzer nutzen die kleinen, ferngesteuerten Fluggeräte bei der Überwachung ihrer Weingüter, Amazon nutzt sie bald beim Versand seiner Pakete, und selbst für politische Botschaften werden Drohnen eingesetzt, wie das Skandalspiel zwischen Serbien und Albanien jüngst demonstrierte.
Darf man diese Fluggeräte einfach so steuern? Drohnen sind hierzulande rechtlich den Flugmodellen gleichgestellt. Bis zu einem Gewicht von 30 Kilogramm dürfen sie grundsätzlich ohne Bewilligung des Bundesamts für Zivilluftfahrt (BAZL) eingesetzt werden. «Voraussetzung ist allerdings, dass der Pilot jederzeit Sichtkontakt zu seiner Drohne hat», heisst es beim BAZL. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Einsatz gewerbsmässig, privat, beruflich oder wissenschaftlich erfolgt.
Das Bundesamt hat seine Bestimmungen verschärft. Seit dem 1. August 2014 dürfen Drohnen über Menschenansammlungen (mehrere Dutzend, dicht beieinander stehende Personen) bzw. in einem Umkreis von 100 Metern von Menschenansammlungen aus Sicherheitsgründen nicht mehr betrieben werden.
Probleme über dem Boden
Das eigentliche Problem betrifft aber gar nicht so sehr den Boden, sondern den Luftraum. Wie reguliert man einen Luftraum, der schon jetzt überfüllt ist? Klar, eine Drohne mit einer Maximalflughöhe von 300 Metern wird ein Passagierflugzeug, von der Landung einmal abgesehen, nicht stören. Doch wie stellt man sicher, dass sich die Drohnen untereinander nicht in die Quere kommen?
Wenn Amazon mit seinen Drohnen dereinst ausschwärmt und Pakete aus der Luft anliefert, könnten sie mit landwirtschaftlichen Fluggeräten kollidieren. Das US-Luftfahrtbundesamt Federal Aviation Administration schätzt, dass bis 2018 7’500 unbemannte Fluggeräte mit einem Gewicht von 25 oder weniger Kilogramm unterwegs sein werden. Der Luftraum in den USA ist der dichteste der Welt und chronisch überfüllt.
Die NASA kooperiert neuerdings mit dem Start-up Airware, um ein Luftfahrtmanagement für Drohnen zu entwickeln. Die Lösung für mehr Sicherheit liegt im Internet der Dinge. Die unbemannten Fluggeräte sollen in Echtzeit Informationen an eine Software senden und mit einer Cloud kommunizieren. Auf Grundlage der Daten wird eine vierdimensionale Flugroute errechnet, die den Drohnen den Weg in der Luft ebnen soll. Wenn eine Drohne von ihrer Route abkommt, kann das System automatisch ein Rückzugskommando erteilen. Noch handelt es sich um einen Prototyp. Doch die Technologie soll bald Marktreife erlangen.
«Drohnen können und werden die bemannte Flugzeuge beeinträchtigen, wenn sie nicht richtig gemanagt werden.»
Es ist schon erstaunlich: Die zivile Luftfahrt wird peinlich genau überprüft, Fluglotsen verfolgen auf riesigen Bildschirmen die Koordinaten jedes noch so kleinen Sportfliegers. Doch der Drohnenverkehr ist bislang unreguliert. Wer eine Drohne fliegt, muss nicht mit dem Tower kommunizieren. Der Luftraum ist ein vielschichtiges System. Ein Fehler eines Flutlotsen kann schwerwiegende Folgen haben (siehe Flugzeugunglück von Überlingen).
Ella Atkins ist Professorin für Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Michigan und weltweit anerkannte Expertin auf ihrem Fachgebiet. Sie sagt: «Drohnen können und werden die bemannte Flugzeuge beeinträchtigen, wenn sie nicht richtig gemanagt und in einem globalen Luftraumnetz koordiniert werden.»
Verkehrschaos im Luftraum?
In New York sind im Juli zwei Drohnen beinahe mit einem Polizeihubschrauber zusammengekracht. Und im März wäre es in Florida fast zu einer Kollision zwischen einer Maschine der US Airways und einer Drohne gekommen – das Flugerrät schoss auf einer Höhe von 700 Metern nur knapp am Triebwerk vorbei. Kaum vorstellbar, was passiert wäre, wenn es zu einem Crash gekommen wäre. «Das Ergebnis wäre eine Katastrophe», sagte ein Mitarbeiter der Luftfahrtbehörde FAA.
Atkins fordert daher, dass man den Luftraum abschichtet und Drohnen eigene Räume und Slots (Start- und Landerechte) zuweist. «Wenn wir Drohnen zwischen 150 und 500 Meter über dem Boden fliegen lassen, könnten Flugzeuge – mit Ausnahme von Start- oder Landekorridoren an Flughäfen – darüber fliegen.»
Im Zeitalter der globalen Kommunikation könne jeder mit der Flugverkehrskontrolle kommunizieren, die selbst immer stärker automatisiert wird und durch Text- oder Voice-Nachrichten zu erreichen ist. Bloss: Wenn man Drohnen in den Luftverkehr integriert, wird das System noch komplexer als es ohnehin schon ist. Ein Flugzeug kann nicht mal kurz den Motor abstellen wie ein Auto, sondern muss in der Warteschleife auf einen freien Slot warten. Es droht ein Verkehrschaos im Luftraum.
Zusammenstoss vorprogrammiert
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt schätzt die Zahl der Drohnen in der Schweiz auf derzeit 22’000. Gemessen an der Fläche des Landes stünden pro Drohne 0,5 Quadratkilometer zur Verfügung. Viel ist das nicht. Geht man davon aus, dass durch die sinkenden Preise der Drohnen ihre Anzahl weiter steigen wird, ist ein Zusammenstoss vorprogrammiert – die Vorfälle in den USA sollten ein warnendes Beispiel sein.
Das Risiko stuft das BAZL trotzdem als gering ein. «Gegenwärtig sind uns wenige Fälle bekannt, bei welchen Piloten von manntragenden Flugzeugen Drohnen gesichtet haben», teilt die Behörde mit. Diese Vorfälle würden in einem Register erfasst und untersucht.
Das BAZL sieht keinen Handlungsbedarf. «Momentan beobachten wir die Entwicklung und werden die Richtlinien nicht verschärfen, solange kein Sicherheitsrisiko zu erkennen ist.» Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch über dem Schweizer Luftraum eng wird. Angesichts der steigenden Anzahl von Drohnen und ihrer mannigfaltigen Nutzungsmöglichkeiten ist eine Regulierung unumgänglich.