Seit Kurzem gibt es ein gemeinsame Sorgerecht bei Scheidungen. Doch wem nutzt das Gesetz? Familien mit geringem Einkommen werden weiterhin Schwierigkeiten haben.
Seit dem 1. Juli 2014 ist das gemeinsame elterliche Sorgerecht bei Scheidung die Regel. Für die entsprechende Änderung des ZGB haben sich insbesondere die Männerorganisationen stark gemacht. Für die Kinderschutz- und Frauenorganisationen ist die Revision des Kindesunterhaltsrechts aber mindestens ebenso wichtig und dringend.
Am 19. Juni 2014 beriet der Nationalrat als Erstrat die entsprechende Vorlage des Bundesrates. Ziel der Revision ist es, den Kindern eine stabile Betreuung und finanzielle Sicherheit zu gewährleisten. Mit der neuen Regelung soll das Kind Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag haben, der auch die Betreuungskosten durch einen Elternteil umfasst.
Kinder aus armen Familien haben keinen Vorteil
Die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen (EKF) unterstützt zwar die Einführung eines solchen Betreuungsunterhaltes. Die geplante Neuregelung wird jedoch für viele Kinder keine Verbesserung bringen, weil das Geld für einen Betreuungsunterhalt nicht vorhanden ist.
Man spricht hier von sogenannten Mankofällen. Konkret: Diejenige Person, die den Unterhalt schuldet, muss – bevor sie einen Unterhalt überhaupt ausrichten kann – über mindestens so viel Einkommen verfügen, dass sie den eigenen Bedarf decken kann.
Gemäss geltender Gerichtspraxis wird aber das Existenzminimum der unterhaltspflichtigen Person im Fall einer Scheidung geschützt. Und dieser Schutz besteht unabhängig davon, ob das Kind einen höheren Anspruch hätte oder nicht. Die Unterhaltsberechtigten (meist Frau und Kinder) werden in solchen Fällen an die Sozialhilfe verwiesen.
Das heisst in der Praxis, dass die Revision des Unterhaltsrechtes nur in jenen Fällen befriedigend umgesetzt werden kann, bei denen die unterhaltspflichtige Person (in der Regel der Vater) über genügend Einkommen verfügt. Tut sie das nicht, sind die Berechtigten dazu gezwungen, den Differenzbetrag selbst auszugleichen oder Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.
Die Kommission bedauert es, dass die Revisionsvorlage diese zentrale Problematik nicht löst. Sie stellt das Wohl der Kinder nicht wirklich ins Zentrum. Verzichtet wird damit auch auf eine Regelung, die das in der Bundesverfassung verankerte Gebot der Gleichstellung der Geschlechter berücksichtigt.
Mindestunterhalt für Kinder sollte sich an Waisenrente orientieren
Die EKF fordert deshalb weiterhin neben einer diskriminierungsfreien Regelung der Mankofälle einen Mindestunterhalt für Kinder, der sich an der Höhe der maximalen einfachen AHV-Waisenrente (derzeit 936 Franken pro Monat und Kind) orientiert.
Zudem braucht es eine schweizweit harmonisierte Bevorschussung der Kinderalimente und eine innovative Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes, mit welcher die Rechte und das Existenzminimum der Personen, die den Unterhalt schulden (in der Mehrzahl Männer) nach wie vor geschützt wären.
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, veröffentlichte die EKF am 2. Juni 2014 ein Argumentarium zur Revision des Kindesunterhaltsrechts.