Urs Wüthrich will von einem Rücktritt nichts wissen

Der Rücktritt von Carlo Conti hat ihn erschüttert, aber nicht umgestimmt. Der Baselbieter Regierungsrat Urs Wüthrich reagiert auf die Forderungen nach seinem eigenem Rücktritt mit einem lauten: Nein.

«Nein»: Die deutliche Antwort von Regierungsrat Urs Wüthrich, auf die Frage, ob der Rücktritt vom baselstädtischen Amtskollegen Conti einen Einfluss auf das Baselbiet und seine Entscheidung habe.

Der Rücktritt von Carlo Conti hat ihn erschüttert, aber nicht umgestimmt. Der Baselbieter Regierungsrat Urs Wüthrich reagiert auf die Forderungen nach seinem eigenem Rücktritt mit einem lauten: Nein.

Die Lobpreisungen für die Art und Weise von Carlo Contis Rücktrittsankündigungen waren noch frisch, die Respektsbezeugungen von allen Seiten noch nicht verklungen, da richtete sich der Fokus weg von Basel in Richtung Liestal. Dorthin, wo die Honoraraffäre ihren Anfang nahm.

Zwei aktuelle Regierungsräte sind von den Enthüllungen der kantonalen Finanzaufsicht betroffen. Sabine Pegoraro (FDP) hat etwas über 5000 Franken für sich behalten, bei Urs Wüthrich (SP) sind es 28’000 Franken. Diese stammen mehrheitlich aus den Sitzungsgeldern des Unirats. Von der jährlichen Entschädigung in der Höhe von 20’000 Franken behielt Wüthrich jeweils die Hälfte für sich – ein Regime, das er von seinem Vorgänger Peter Schmid (SP) übernahm.

Und ein Regime, das nun erneut in der Kritik steht. «Unter Zugzwang dürften nun aber auch die amtierenden Baselbieter Regierungsräte kommen, die ihre Hände noch immer in Unschuld waschen wollen», hiess es in der BaZ (online nicht verfügbar). Direkter schrieb es der Arlesheimer Blogger Manfred Messmer: «Wir sagen jetzt schon mal Tschüss zu Herrn Wüthrich.»

Doch davon will der Baselbieter Bildungsdirektor nichts wissen.

Herr Wüthrich, was haben Sie gedacht, als Sie vom Rücktritt Carlo Contis erfuhren?

Urs Wüthrich: Das war wie ein Faustschlag in den Magen. Der Rücktritt von Carlo Conti hat mich emotional deutlich härter getroffen als unsere Medienkonferenz zum Thema. Und die war auch nicht einfach. Die Nachricht hat mich schlichtweg erschüttert. Ich war wie gelähmt.

Warum?

Weil die beiden Welten des Carlo Conti in aller Öffentlichkeit kollidierten. Auf der einen Seite der Strahlemann, ein toller Kollege, der eine erfolgreiche Visitenkarte unserer Region hier und in Bern abgeliefert hat. Auf der anderen Seite der Carlo Conti, der sich nur noch entschuldigt. Der aufrecht geht, aber dennoch zerstört ist. Das war schlimm.

«Solange die Finanzkontrolle eine Rückerstattung für nicht nötig hält und solange mir niemand eine konkrete Fehlleistung nachweisen kann, solange bleibe ich an Bord.»

War Contis Verhalten vorbildlich?

Das ist schwierig zu beurteilen, weil ich davon überzeugt bin, dass er den Entscheid ganz alleine getroffen hat. Ich kenne die Motive nicht genau, die ihn zu einem derart radikalen Vorgehen bewogen haben. Vielleicht wollte er sich mit diesem Schlussstrich unendliche Rechtfertigungen ersparen.

Der Rücktritt von Carlo Conti hat auch Ihre Position schwieriger gemacht.

Nein. Auf unseren Weg hat das keinen Einfluss. Wir haben klargestellt, wie solche Dinge bei der Baselbieter Regierung in Zukunft geregelt werden und wir bestimmen eine unabhängige Person, die die alten Fälle noch einmal beurteilt. Im Moment gilt: Es gibt bei mir keine Rückforderungsempfehlung der Finanzkontrolle. Und was meine Rolle angeht: Ich habe bei den Sitzungsgeldern und Spesen für den Unirat einen geltenden Regierungsbeschluss befolgt. Das wurde manchmal falsch dargestellt: Ich habe nicht einfach eine Regelung meines Vorgängers Peter Schmid weitergeführt. Das war ein Beschluss der gesamten Regierung, ohne mein Zutun. Ich habe zu Beginn meiner Zeit im Unirat den Basler Kollegen Christoph Eymann nach seiner Handhabe gefragt – und der behält alles [bei der Basler Regierung gilt ein Freibetrag bei Honoraren und Spesen von insgesamt 20’000 Franken, Anm. Red.] Darum dachte ich, unsere Regel sei korrekt und vertretbar.

Nach dem Rücktritt von Carlo Conti wurde der Fokus auch auf Sie gerichtet. Es wurde – mal direkt, mal nur indirekt – Ihr Rücktritt gefordert.

In persönlichen Kontakten erhalte ich fast ausschliesslich die Aufforderung zu bleiben. Der Tenor der meisten Reaktionen: In schwierigen Situationen muss man hinstehen. Darauf gebe ich mehr als auf die Meinung in gewissen Blogs. Die Basis meiner Entscheidungsfindung ist folgende: Solange die Finanzkontrolle eine Rückerstattung für nicht nötig hält und solange mir niemand eine konkrete Fehlleistung nachweisen kann, solange bleibe ich an Bord. Ich möchte an der Gesamtheit meiner Leistung gemessen werden.

Abgesehen davon werden Sie 2015 wohl kaum ein weiteres Mal antreten.

Dieser Entscheid ist schon länger gefällt, die Parteileitung kennt ihn und wir werden bei Gelegenheit kommunizieren. So oder so hat dieser Entscheid nichts mit den aktuellen Ereignissen zu tun.

Sie erhielten 20’000 Franken für Ihren Sitz im Unirat, davon haben Sie früher 10’000 Franken behalten dürfen. War dieser Betrag gerechtfertigt?

Das ist eine übliche Entschädigung. Für den Unirat werden Leute aus der Privatwirtschaft und der Wissenschaft rekrutiert, dort gilt die Höhe der Entschädigung als moderat.

Und wie ist es bei gewählten Magistraten?

Offenbar haben meine Vorgänger in der Regierung die Höhe der Entschädigung für gerechtfertigt empfunden. Selbstkritisch muss ich sagen, dass ich das nicht hinterfragt habe. Im aktuellen Umfeld wird der Betrag als zu hoch empfunden.

Wie ist das bei anderen Gremien? Ein Sitz im Verwaltungsrat der Messe Schweiz wird mit 400 bis 500 Franken pro Sitzungsstunde vergütet. Gleichzeitig lässt die Messe ihre Prachtbauten von polnischen Arbeitern zu Dumpinglöhnen aufstellen. Ist das gerecht?

Nein, das ist ungerecht. Aber das ist eine Realität unserer Wirtschaftswelt.

«Wenn wir so weitermachen, werden nur noch Leute in die Regierungen gewählt, die es als ihre einzige Aufgabe ansehen, keinen Fehler zu machen.»

Was tun?

Die Lohnschere ist in den vergangenen Jahren immer weiter auseinander gegangen. Das kann einen pessimistisch stimmen und birgt gesellschaftspolitischen Sprengstoff. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die Wirtschaft langfristig den gesellschaftlichen Frieden als wichtigen Standortfaktor sichern muss und darum auf eine gewisse Selbstregulierung angewiesen ist. Ich hoffe auf diese Selbstregulierung.

Anders gefragt: Wenn ein Anwalt 800 Franken die Stunde bekommt, ist ein Regierungsrat nicht gleichviel wert?

Natürlich könnte man diesen Massstab ansetzen, ich tue es aber nicht. Es gibt zwei Risiken in der aktuellen Debatte. Erstens: dass ein Amt als Regierungsrat für hochqualifizierte Leute unattraktiver wird. Zweitens – und das ist das grössere Risiko: Wenn wir so weitermachen, werden nur noch Leute in die Regierungen gewählt, die es als ihre einzige Aufgabe ansehen, keinen Fehler zu machen. Wenn wir nur noch Vermeider und Absicherer in den Regierungen haben, dann verlieren wir unsere Position als wettbewerbsfähigstes Land der Welt. Es braucht als Mitglied einer Exekutive Risikobereitschaft und Rückgrat, für Fehler hinzustehen. Auch als Sozialdemokrat sage ich: Wir brauchen Unternehmer und nicht Unterlasser. Und wir brauchen etwas mehr Toleranz: Wenn wir in unserer Gesellschaft nur noch mit dem blutten Finger aufeinander zeigen, erzeugt das eine miserable Grundstimmung.

Viele Kommentatoren haben Conti und die Basler Regierung für ihr Verhalten gelobt und mit dem Finger auf die Baselbieter gezeigt. Im Gegensatz zu Basel, wo weiterhin ein Freibetrag von 20’000 Franken für zusätzliche Honorare gilt, werden die Baselbieter allerdings alle Gelder künftig der Staatskasse abliefern. Raten Sie das auch der Basler Regierung?

Ich würde der Regierung empfehlen, diese Frage dem Parlament zur Diskussion vorzulegen. Und dessen Entscheidung zu respektieren.

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