Am neunten Streiktag beim Tankstellenshop in Dättwil AG setzten sich erstmals Vertreter der Gewerkschaft Unia und des Detaillisten Spar an den Verhandlungstisch. Doch nur ein paar Stunden später meldet die Gewerkschaft, der Verhandlungsführer des Detaillisten habe die Verhandlungen «übereilt» abgebrochen.
Es ist der neunte Streiktag der Angestellten des Tankstellenshops im aargauischen Dättwil (die TagesWoche berichtete). Zum ersten Mal setzen sich Vertreter von Gewerkschaft und Arbeitgeber an den Verhandlungstisch. Doch schon ein paar Stunden später meldet die Gewerkschaft Unia, der Spar-Verhandlungsleiter habe die Gespräche um 16 Uhr «übereilt abgebrochen».
Die Gewerkschaftsdelegation habe nach einem Sitzungsunterbruch gerade weiter verhandeln wollen, da habe der Verhandlungsleiter von Spar die «Nerven verloren», erklärt Kurt Emmenegger, Regioleiter Unia Aargau, der an den Verhandlungen teilnahm. Der Manager sei aufgestanden, habe seine Unterlagen eingepackt und sei wutentbrannt gegangen. «Ich habe auch schon erlebt, dass man sich bei Verhandlungen regelrecht angeschrien hat. Dann macht man Pause und die Gemüter beruhigen sich wieder. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass je ein Arbeitgebervertreter aus der laufenden Verhandlung davonlief», sagt der Gewerkschafter.
Zuvor hätten sich die beiden Seiten am Verhandlungstisch während der «intensiven Verhandlungen» in wichtigen Fragen annähern können. So beim Mindestlohn und bei den «gesetzeswidrigen Überstunden». Umso enttäuschter seien jetzt die Beschäftigten, dass Spar-Verhandlungsführer Thomas Weilenmann am Nachmittag die Verhandlungen abgebrochen habe.
Spar wirft Gewerkschaft Erpressung vor
Detaillist Spar war für eine direkte Stellungnahme nicht erreichbar. Auf der Website veröffentlichte das Unternehmen jedoch heute eine Erklärung. Unter dem Titel «Erpressung ist keine Verhandlungsbasis» wirft Spar der Gewerkschaft Unia vor, gegen die Verfassung zu verstossen. Spar habe sich vom heutigen Treffen mit der Gewerkschaft erhofft, eine sachliche Verhandlungsbasis schaffen zu können.
Dazu gehöre «die Freigabe des illegal besetzten Tankstellenshops und die entsprechende Befolgung des bezirksrichterlich verfügten Beschlusses. Das Gericht hatte am 7. Juni entschieden, dass die mit dem Streikrecht verbundenen und verfassungsrechtlichen geschützten Ziele auch ohne eine Blockade erreicht werden könnten. Die Blockade sei «unverhältnismässig und unzulässig». Weiter moniert Spar, die Gewerkschaft verletzte die Privatsphäre von Kaderangestellten von Spar, wenn sie Handy-Nummern und E-Mail-Adressen und die Privatadresse des Verwaltungsratspräsidenten der Spar Handels AG veröffentliche.
Streik geht weiter
Die Gewerkschaft zeigt sich enttäuscht, dass die Spar-Führung keinen neuen Verhandlungstermin festsetzen wollte. «Die Unia und die Beschäftigten sind dennoch weiterhin davon überzeugt, dass nur in Gesprächen eine Lösung des Konfliktes gefunden werden kann. Sie fordern die Spar-Leitung auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren», schreibt die Gewerkschaft in einer Medienmitteilung. Die Unia kündigte an, dass der Streik weiter gehe.
Gemäss Gewerkschaft Unia wende Spar unverbindlichen Lohnrichtlinien an: Bruttolohn für ungelernte Mitarbeitende 3600 Franken, für gelernte 3800 Franken.
Mehrere Angestellte erhielten trotz Berufsausbildung in Dättwil nur den Lohn für ungelernte Mitarbeitende.
Die Arbeitszeit der Angestellten in Dättwil betrage 42,5 Wochenstunden mit unregelmässigen Arbeitszeiten zwischen 6 und 22 Uhr.
Die meisten Mitarbeitenden seien für ein 80-Prozent-Pensum angestellt mit einem Bruttolohn von 2880 Franken. Als Beispiel führt die Unia eine über 50-jährige, ungelernte Mitarbeiterin an: Diese erhalte nach 13 Jahren Berufserfahrung bei einer 80%-Anstellung einen Bruttolohn von 3080 Franken.
Wer sich jetzt fragt, wie man mit solch tiefen Löhnen überleben kann, dem legen wir unsere Titelgeschichte zum Thema Mindestlöhne ans Herz. In dieser schildern drei Frauen ihr Leben mit einem Lohn, der nirgends hin reicht.