Unser Ausflug mit dem Kaffeemobil ins Kleinbasel war sehr interessant. Beim Kaffeetrinken haben wir erfahren, dass das Kleinbasel vor allem ein Problem mit dem Image hat. Daneben gibts aber auch noch einige andere Schwierigkeiten – und interessante Lösungsansätze.
Das Urteil über das Kleinbasel ist schnell gefällt – mag es auf Fakten beruhen oder auch nicht: von Ausländern überrannt, unter der Kontrolle von Drogendealern und anderen Kriminellen. Verdreckt, verrucht, vergessen.
Wer mit den Quartierbewohnern ins Gespräch kommt, erfährt viel über Ärger und Ängste, die ein Leben im Kleinbasel begleiten. Hat man das Glück, auf Alteingesessene wie Elisabeth Trechslin zu treffen, bekommt man aber auch ein ganz anderes Bild skizziert. Trechslin ist 87 Jahre alt, seit einem halben Jahrhundert wohnt sie an der Webergasse, mitten im Kleinbasler Rotlichtviertel. Sie war schon da, als der Rote Kater noch «eine bäumige Beiz» war und es in der Umgebung kleine Läden statt Kontaktbars hatte, erzählt sie. Und doch will sie nirgendwo anders wohnen. «Das Kleinbasel ist lebhaft, was gibt es Schöneres?», fragt sie, als sie zu Gast am TagesWoche-Kaffee-Mobil ist.
Bis vor Kurzem hatten die Hells Angels in der Nachbarschaft ihr Lokal. Trechslin stört sich zwar an den etwas lauten Motorrädern, die Biker selber jedoch hält sie «für ganz feine Typen». «Die grüssen immer freundlich und ich weiss, wenn ich ein Problem habe, kann ich mich an sie wenden.» Trechslin fühlt sich wohl in ihrem Quartier.
Die Polizei rät: Ziehen Sie doch einfach weg!
Auch F., ein anderer Anwohner, versteht sich als Kleinbasler durch und durch. «Es wird viel Falsches über unser Quartier geschrieben, es werden oft Klischees weiterverbreitet», sagt F., der nicht mit Namen genannt werden will. So seien die allermeisten Zugewanderten unauffällige und tadellose Nachbarn. «Es sind doch Auswärtige, die Probleme verursachen, weil sie am Wochenende ins Kleinbasel kommen, um die Sau raus zu lassen», sagt F.
Er stört sich aber an den Drogendealern an der Klybeckstrasse und um den Claraplatz: «Viele Leute fürchten sich davor.» Also hat er der Polizei angerufen und diese gebeten, etwas gegen die Dealer zu unternehmen. Man habe ihm geantwortet, sagt F., er solle doch in ein anderes Quartier ziehen – oder besser gleich nach Riehen.
Schlecht ist in erster Linie die Presse
Sophie Jung ist ebenfalls der Ansicht, dass das Kleinbasel in erster Linie ein Imageproblem habe. Das Quartier werde schlecht geschrieben, vor allem von der Basler Zeitung: «Auf der Redaktion ärgern sie sich wahrscheinlich, dass viele Kleinbasler die Zeitung abbestellt haben, das ist jetzt die Retourkutsche», sagt sie und lacht. Sie lacht überhaupt recht viel. Warum auch nicht? Wenn das Leben doch so schön ist. Im Kleinbasel, auf der Sonnenseite der Stadt, dort wo immer irgendetwas läuft und wenn es auch nur der nächste «schräge Vogel» ist, der auf der Strasse daherkommt. Und doch sieht Sophie Jung auch die Probleme. Diese fangen meist an, wenn die Kinder auf die Welt kommen. Oder spätestens, wenn diese in die Schule müssen. Dann ziehen die Schweizer Familien auch in ihrem politisch eher linken Umfeld weg, in ein anderes Quartier oder gleich aufs Land, irgendwohin, wo es nicht so viele fremdsprachige Kinder hat. «So wird die Durchmischung natürlich nie besser, das ist schade», sagt sie.
Ein anderes Problem ist der Verkehr. Die Kinder können nicht einfach raus, um zu spielen, sagt Michael Burkhardt. Darum ist der Vater dreier Kinder vor Kurzem mit seiner Familie ins Laufental gezügelt.
Für Theres Wernli vom Stadtteilsekretariat Kleinbasel wäre die Beruhigung des Verkehrs eine kostengünstige und wirkungsvolle Massnahme, um das Zusammenleben im Quartier zu stärken:«Man sollte Tempo-20-Zonen einrichten, dann würden neue Begegnungszonen entstehen.»
Überhaupt, der Verkehr. Ein Problem, das immer wieder genannt wird. Nach Ansicht von Helen Studer etwa gibt es zu viele Verbote – auf der Strasse wie ganz allgemein. «Alles wird einem vorgeschrieben. Das stört mich. Mir gefallen die Jungen, die sich wehren und versuchen, neue Freiräume zu erkämpfen», sagt sie.
Von «übertriebenen Kontrollen und viel zu viel Polizei» auf den Strassen spricht auch der Buschauffeur Sergio Galluccio. Im Gegensatz zu Helen Studer ist er aber nicht sehr gut auf Velofahrer zu sprechen. «Wie die unterwegs sind – verrückt. Zum Beispiel nachts, ohne Licht, in Einbahnstrassen», sagt er. Darum hält er Basel auch für «unglaublich hektisch» – viel schlimmer als Neapel, seine Heimatstadt.
Ob er da jetzt nicht ein wenig übertreibe, wollen wir wissen.
Keineswegs! Schliesslich habe Neapel fünf Mal mehr Einwohner als Basel. «Stellen Sie sich vor, wenn Basel gleich gross wäre – furchtbar!»
Eine Riesen-Skulptur – aus Abfall
Und was beschäftigt die Kleinbasler sonst noch?
Die steigenden Mieten – genau gleich wie die Menschen in der Innenstadt.
Und was immer wieder erwähnt wird: der liegengelassene Abfall am Rhein. Die Scherben, die für die Schwimmer eine Plage sind. «Da bräuchte es endlich einmal originelle Lösungsansätze», sagt Michael Burkhardt. Abfallcontainer, die direkt im Rheinbord versenkt sind. Oder eine riesige Skulptur, hergestellt aus all dem liegengelassenen Abfall. Als Mahnmal gegen die Wegwerfmentalität.
Ein verrückter Vorschlag? Ein bisschen vielleicht. Aber immerhin muss man Burkhardt attestieren, dass er beim Thema Abfall und Kunst weiss, wovon er redet. Früher machte er Musik mit Elektroschrott, heute arbeitet er im Tinguely-Museum.
Wir werden der Idee in den nächsten Tagen und Wochen jedenfalls nachgehen – wie den anderen Vorschlägen auch.
Weil sie interessant sind, wie überhaupt der ganze Morgen und Mittag beim Kaffeemobil. Danke!