Lautstark geht es zu und her in den Schweizer Klassenzimmern. Der hohe Lärmpegel sorgt mittlerweile dafür, dass Schüler Gehörschütze als konzentrationsfördernde Massnahme tragen. Eine SVP-Politikerin findet, das isoliere lediglich.
Um die Schulen beider Basel wird in Zeiten von Schweizerdeutschquote und Schulprovisorien viel gelärmt, aber auch in den Klassenzimmern selbst scheint der Pegel mittlerweile die Schmerzgrenze zu übersteigen. Aus diesem Grund greifen immer mehr Lehrer zu einem kleinem Hilfsmittel: Gehörschütze. Glücklicherweise nicht für sich selber, sondern für die Schüler, denn die Klassenzimmer haben dank Unterrichtsreformen teilweise die Geräuschkulisse eines Jahrmarktes angenommen. Kritisiert wurde diese Massnahme von SVP-Landrätin Sandra Sollberger. Das Baselbieter Parlament allerdings will die Situation so belassen, wie sie ist.
So besteht für die Schüler die Möglichkeit, sich während der Lektüre oder anderer individuellen Aufgaben, die Konzentration erforden, mithilfe eines Gehörschutzes von Umgebungsgeräuschen abzuschotten. Dabei ist es Sache der jeweiligen Lehrperson, ob Gehörschütze im Unterricht erlaubt werden oder nicht. Effizient gegen Lärm sind sie allemal. Bestes Beispiel dafür ist der Kapselgehörschutz «Pamir», der von der Schweizer Armee benützt wird. Daniel Craig trägt als James Bond in «Skyfall» ebenfalls ein Pamir-Modell, während er im Schiessstand herum ballert.
«Keine angenehme Angelegenheit»
Dass nun der Einsatz von solchen Gefechts-Utensilien zur Konzentrationsförderung nicht nur der Lernfähigkeit zu Gute komme, sondern hauptsächlich zur Isolation der Schüler beitrage, fand Sollberger in ihrer Interpellation Ende März. Dabei argumentierte sie, dass das Tragen von Gehörschützen «keine sehr angenehme Angelegenheit» sei und eine Einschränkung der Lebensqualität bedeute. Weiter konfrontierte sie die Regierung mit der Frage, ob es sich bei der Entscheidung denn nicht um eine Verzweiflungstat der Lehrer handle, da die Lärmsituation diese oftmals selbst überfordere.
Der Regierungsrat verneint dies in der offiziellen Antwort. Es handle sich beim Einsatz von Gehörschützen um eine Massnahme, die dazu beitrage, dass «möglichst alle ihr Bildungspotenzial optimal ausschöpfen können».
Dabei umgeht sie gekonnt Sollbergers Anspielung auf die Überforderung der Lehrkräfte. Die Frage nach einer Lernatmosphäre, die alle Schüler in einem fördernden Umfeld vereint, bleibt somit unbeantwortet. Auch zum Einsatz von Gehörschützen im Unterricht gibt es bislang keine Studien, die deren Erfolg belegen. Zur Benutzung von Gehörschützen in Kriegsgebieten dagegen mit grosser Wahrscheinlichkeit schon.
Die Regierung sieht bezüglich Gehörschütze im Klassenzimmer keinen Handlungsbedarf. Gemäss Roland Plattner, Generalsekretär der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion Baselland, handle es sich auch nicht um ein weitverbreitetes Phänomen: «Wie viele Lehrpersonen Gehörschütze im Unterricht anwenden, wissen wir nicht. Es handelt sich allerdings um eine so geringe Anzahl, dass von unserer Seite bisher kein Bedürfnis für eine Messung bestand.»
Dennoch ist der erhöhte Lärmpegel der Regierung bekannt. So kündigt diese in ihrem Schreiben die künftige Planung von Gruppenräumen an, um die unterschiedlichen Lerneinheiten voneinander zu trennen und so das Lärmproblem in den Griff zu kriegen.