Völlig zerfahren

Die BVB wollen der BLT helfen, Millionen zu sparen. Doch statt zu Verhandlungen kommt es zum Eklat.

Wessels und Pegoraro müssen die zerfahrene Situation «einvernehmlich» lösen. (Bild: Oliver Keigel)

Die BVB wollen der BLT helfen, Millionen zu sparen. Doch statt zu Verhandlungen kommt es zum Eklat.

Die Absage kam postwendend: «Ihr Schreiben habe ich mit Erstaunen und Enttäuschung zur Kenntnis genommen.» Dies schreibt André Dosé, Verwaltungsratspräsident der Baselland Transport AG seinem städtischen Pendant Martin Gudenrath, Verwaltungsratspräsident der Basler Verkehrsbetriebe. «Darin sind erhebliche Falschaussagen sowie unhaltbare Behauptungen enthalten», schreibt Dosé an die Adresse von Gudenrath.

Dieser hatte der BLT vorgeschlagen, günstig neue Basler Drämmli zu mieten statt selber neue zu kaufen, wie die «Basler Zeitung» berichtete. Ein Bombengeschäft. Denn damit liessen sich für die Landschäftler nicht nur pro Tram eine Million Franken sparen, sondern erst noch 30 Prozent Energie. Hochgerechnet auf die Lebensdauer ist das ein Sparpotenzial von 150 Millionen Franken.

Da wäre für die BLT selbst eine Millionen teure Konventionalstrafe zu verschmerzen, wenn sie auf ihre zweite Tranche Tango-Trams des Schweizer Herstellers Stadler ver­zichten und stattdessen die Basler Drämmli mieten würde. Schliesslich hätten die BVB 150 Millionen Franken gespart, weil sie aus der gemeinsamen Trambeschaffung mit der BLT ausgestiegen seien. Und dank einer Option könnten sie jetzt für vier Mil­lionen Franken pro Stück 20 zusätz­liche Trams für die BLT bestellen.

«Wir holen viel bei der Beschaffung der Fahr­zeuge heraus, die BLT hingegen optimiert bei ihrem Personal», BVB-Direktor Jürg Baumgartner.

Doch stattt zu Verhandlungen kam es zum Eklat: BLT-Verwaltungsrats­präsident Dosé notierte, die Betriebskosten der BLT lägen mindestens 20 Prozent unter denjenigen der BVB – dank schlankerer und effizienterer Organisation. BVB-Direktor Jürg Baumgartner konterte: «Wir holen viel bei der Beschaffung der Fahr­zeuge heraus, die BLT hingegen optimiert bei ihrem Personal.»

Die TagesWoche bat beide Seiten, ihre Behauptungen zu belegen, dabei kam Erstaunliches zutage. Die BVB gewährten erstmals Einblick in die Zahlen ihrer Trambeschaffung. Insgesamt 60 Tramzüge hatten sie nach einem Gatt-WTO-Verfahren ausge­schrieben. Dabei wussten die mitbietenden Trambauer im Voraus exakt, wie stark Anschaffungs-, Energie- und Unterhaltskosten gewichtet werden. Am Ende gab es einen klaren ­Sieger: das Flexity von Hersteller Bombardier.

Dieses hatte das Tango-Tram des Schweizer Herstellers Stadler deutlich hinter sich gelassen. Ausgerechnet ­jenes Tram, das die BLT bereits angeschafft hat. Bombardier offerierte nicht nur 25 Prozent günstiger, sondern erst noch zu rund 30 Prozent tieferen Betriebskosten. Die 60 Trams 25 Jahre im Betrieb kosten 421 Millionen Franken. Stadler offerierte für 548 Millionen Franken.

Die Baselbieter widersprechen

Doch BLT-Direktor Büttiker widerspricht: Flexity-Tram und Tango zu vergleichen sei deshalb schon nicht möglich, weil das Tango zwei Meter länger sei und sechs Prozent mehr Passagiere transportieren könne. Die BLT habe das Tango-Tram zudem ­wesentlich günstiger gekauft, als Stadler der BVB offerierte.

Der angeblich um 30 Prozent tiefere Energieverbrauch des Bombardier-Trams sei physikalisch nicht nachvollziehbar. Denn bestimmt würden die Energiekosten von der Fahrgeschwindigkeit, dem Gewicht und Wirkungsgrad der Komponenten. All dies unterscheide sich bei den zwei Tramtypen nur unwesentlich.

Beziehung auf dem Tiefpunkt

Die BVB wiederum beschwichtigen: Eine Klausel im Werkvertrag sorge dafür, dass der Tramlieferant die Differenz bezahlen müsse, falls die Flotte mehr Energie verbrauchen sollte als offeriert. Die BVB braucht es deshalb nicht zu kümmern, ob die Angaben technisch nachvollziehbar sind.

Schlechter fahren würden die BVB hingegen mit ihrem Schienennetz, ist die BLT überzeugt. Denn auf dem Flexity-Tram lastet rund eine Tonne mehr Gewicht pro Rad. Der BLT-­Direktor schätzt die Mehrkosten langfristig auf drei bis fünf Millionen Franken jährlich. Das wären in 25 Jahren 100 Millionen Franken. BVB-Direktor Jürg Baumgartner hingegen betont, moderne Tramfahrzeuge mit Niederflur hätten einen höheren Verschleiss des Schienennetztes zur Folge: «Heutige Trams sind doppelt so schwer und beschleunigen schneller. Das setzt den Schienen zu.»

Das Basler Flexity-Tram ist tatsächlich günstiger in der Anschaffung. Die BLT zahlt für die zweite Tranche Tango-Trams je nach Berechnung zwischen 400 000 und 900 000 Franken mehr. Fachleute bestätigen aber auch die Einwände der BLT: 30 Prozent tiefere Energiekosten für das Basler Tram seien nicht nachvollziehbar, und es ist bekannt, dass durchgängige Niederflurtrams wie das Flexity den Schienen zusetzen.

Das Basler Tram ist günstiger, das Baselbieter schonender.

Gut möglich, dass die beiden Verkehrsbetriebe viele ihrer Streitpunkte klären könnten. Doch die Beziehung ist auf einem Tiefpunkt. Nach der geplatzten gemeinsamen Trambeschaffung tauschen sie nicht einmal mehr Erkenntnisse aus: Die BLT hatte ­offenbar in die detaillierten Offertezahlen der BVB genauso wenig Einblick wie die BVB in die mit dem Tango-Tram gesammelten Daten. Kurz vor Redaktionsschluss dann die Meldung: Die SP BL und BS wollen, dass BVB und BLT nicht länger zweigleisig fahren, sondern einen Zusammenschluss prüfen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 06.09.13

Nächster Artikel