Der Sturm der SVP auf den Ständerat ist missglückt. Erstens stellt die Partei in der Kleinen Kammer weniger Sitze als bisher und zweitens hat keiner der grossen Namen die Wahl geschafft. Eine schwierige Ausgangslage für die Bundesratswahl. Ein Kommentar.
(Bild: Dani Winter)
Ausgerechnet Paul Rechsteiner. Der St. Galler Gewerkschaftschef ist nun wirklich kein Salonlinker, der in seinen 25 Jahren als SP-Nationalrat mit einem Schmusekurs bei den Bürgerlichen aufgefallen wäre. Im Gegenteil: Rechsteiner hat immer fadengerade auf dem linken Parteiflügel politisiert und bis vor kurzem hätte niemand einen Pfifferling darauf gewettet, dass er sich gegen SVP-Präsident Toni Brunner im St. Galler Ständeratswahlkampf durchsetzen würde.
Diese Überraschung ist nun also eingetreten, und zwar in einem soliden bürgerlichen Kanton. Natürlich ist Rechsteiner ein bekannter Politiker, natürlich hat er sich Verdienste und Respekt erworben in seiner langjährigen politischen Karriere. Aber sein Sieg ist vor allem eine Niederlage für Toni Brunner. Diese Niederlage rundet ab, was sich bei den Nationalratswahlen vor fünf Wochen abgezeichnet, bei der Abwahl des Berner SVP-Ständerats Adrian Amstutz vor einer Woche erhärtet und an diesem Wochenende bestätigt hat: Die Parteispitze ist vom Volk desavouiert worden.
Angriff der Schwergewichte
Mit einem spektakulären Medienauftritt kündigte die SVP-Führung im April an, dass sie mit ihren Schwergewichten die Kleine Kammer erobern wolle, um die Schweiz mit einem rechtsbürgerlich geprägten Ständerat auf den richtigen Weg zu führen. Adrian Amstutz (Vizepräsident) hatte damals eben den freigewordenen Berner Sitz von Simonetta Sommaruga erkämpft – die Zeichen schienen gut zu stehen, dass auch ein zweiter Vizepräsident, nämlich Christoph Blocher, den Einzug ins Stöckli schaffen würde. Die Delegation verstärken sollten im weiteren Parteipräsident Toni Brunner und der Baselbieter Caspar Baader, Fraktionschef.
Geld für den Wahlkampf lag zur Genüge bereit, der Wahlslogan schien eingängig («Schweizer wählen SVP») und die Mission war klar: gegen Einwanderung, gegen die EU, Steuern runter. Und nun, Ende November, ist erstens klar: Mit Geld allein gewinnt man keine Wahlen. Und zweitens: Jene, die nicht SVP wählen, sind eher mehr geworden – es sind Leute, die sich durchaus auch als Schweizer fühlen und wahrscheinlich einfach die Nase voll haben, als Nicht-Schweizer ausgegrenzt zu werden, wenn ihnen der SVP-Kurs nicht passt. Und drittens: Mittlerweile – in einer Zeit, in der die Finanzwelt ausser Rand und Band geraten ist – plagen die Leute andere Probleme als die von der SVP hochgespielten.
Vernichtendes Ergebnis
So gut die Ausgangslage im April war, so vernichtend ist das Ergebnis jetzt, Ende November und unmittelbar vor dem Start in die neue Legislatur der Eidgenössischen Räte. Zwar ist die SVP nach wie vor die stärkste Partei, aber ihre Führung ist in Volkswahlen gedemütigt worden. Etwas larmoyant sehen die Abgestraften die Schuld irgendwo bei den anderen, was etwas sonderbar ist. Wenn einer verliert und ein anderer gewinnt, hat der Gewinner doch hoffentlich Anteil an seinem Sieg – und ist damit schuld an der Niederlage des anderen. Das ist in der Politik nicht anders als im Sport.
Viel wichtiger müsste bei der SVP-Führung doch eigentlich die Einsicht sein, dass sie offenbar am Volk vorbei politisiert hat. Das Volk hat innerhalb der letzten fünf Wochen ziemlich deutlich gezeigt, dass es genug hat von politischer Polemik, Ausgrenzung und Polarisierung. Es wünscht Politikerinnen und Politiker, die sachbezogen Lösungen suchen und auch mal Kompromisse eingehen.
Schlechtes Omen für Bundesratswahl
Kurzfristig wird sich das schlechte Abschneiden der SVP-Mächtigen auf die Bundesratswahl vom 14. Dezember auswirken. Im Bemühen, den Rechtsrutsch zu erzwingen, hat es die Parteiführung verpasst, valable Kandidaten für einen zweiten SVP-Sitz aufzubauen. Gewichtige Persönlichkeiten haben ihren Verzicht schon bekannt gegeben, andere Namen, die sich aufdrängen, sind dünn gesät. Und mit dem Verliererimage wird es für die Führungsriege schwierig sein, sich intern und extern so zu positionieren, dass sie einen Bisherigen oder eine Bisherige im Bundesrat rausdrängen kann.