Mit Unterstützung aus Basel kämpfen die Elsässer Sozialisten um den Wahlsieg. Am Zoll Saint Louis wollen sie Grenzgänger vom linken Kandidaten François Hollande überzeugen.
Daniel Goepfert wirkt verdutzt, aber auch ein bisschen belustigt, als er am Zoll Saint-Louis-Grenze versucht, Wahlwerbung an den Mann zu bringen. «Bei den 4×4-Kästen musst du es gar nicht erst probieren», sagt der Grossratspräsident der Basler SP und winkt ab, als ein Geländewagen anrollt, wie es sie im Elsass so viele gibt und die offenbar vor allem von Rechten gelenkt werden.
Goepfert ist früh aufgestanden, um seinen französischen Genossen beizustehen im Kampf um Stimmen vor der entscheidenden zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen. Gemeinsam mit der Parti Socialiste (PS) aus dem anliegenden Département Haut-Rhin wollen sie Grenzgänger auf dem Weg in die Schweizer Firmen und Fabriken abfangen und für François Hollande gewinnen. Ein Dienst im Zeichen der internationalen Solidarität.
Die Aktion läuft schleppend. Irgendwann drückt Goepfert gegenüber den französischen Kollegen seine Verwunderung über die Humorlosigkeit der Sarkozy-Anhänger aus. «Sie sind nervös geworden und aggressiv», erklärt Patricia Schillinger, Senatorin der PS in Paris, Bürgermeisterin von Hégenheim – und Kind einer Arbeiterfamilie. Sie nennt ein persönliches Erlebnis: Am Wochenende habe eine PS-Wahlhelferin im Zentrum von Saint-Louis geheiratet, eine Algerierin. Als der Umzug am Rathaus vorbeikam, sei eine Vertreterin von Nicolas Sarkozys UMP brüllend herausgesprungen: «Dégagez! Haut ab hier!»
Mühevoller Wahlkampf
Die französische Linke hat auch im erzkonservativen oberen Elsass Erfolge erzielt. In Saint-Louis stimmten immerhin 23 Prozent für Hollande. Es sind hart erkämpfte Anteile. Schillinger und ihre Kollegen gingen von Tür zu Tür – die Sozialisten haben das im ganzen Land gemacht. 1500 Haushalte hätten sie in Saint-Louis besucht, sagt Schillinger. Ein Drittel davon habe schliesslich Hollande die Stimme gegeben. Ein Annäherungsversuch der von den Eliten geprägten französischen Linken, der sich als gangbarer Weg herausstellte, sich neben dem lärmigen Sarkozy und der rechtsextremen Marine Le Pen Gehör zu verschaffen.
Die Frontistin ist Schillingers Schreckgespenst. Sie hat ihren Namen oft gehört, wenn die Türe aufging, vor allem bei jungen Wählern. «Es hiess immer Marine, Marine, Marine. Sie ist wie eine Freundin für all die Einsamen und Enttäuschten.» Trotz des sich abzeichnenden Wahlsieges macht sie sich deshalb Sorgen: «Wir müssen die nächsten Jahre nutzen, die Jugend zurückzugewinnen, sonst gibt es bei den nächsten Wahlen eine Katastrophe.»
Schillinger glaubt daran, dass die Ideen der Sozialisten bei der Jugend verfangen. Bei manchen Älteren hat sie keine Hoffnung. Als Daniel Goepfert eine Kombi-Fahrerin ermutigen will, das Fenster runterzulassen, legt sie ihm die Hand auf den Arm: «Lass es, das ist meine Nachbarin. Die wählt aus Prinzip Sarkozy.»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04.05.12