«Von vorne muss Energie kommen»

Die Knabenkantorei ist in den Vatikan gereist. Seit Januar haben sich die knapp 60 jungen Sänger auf diese Konzertreise mit Auftritt vor dem Papst vorbereitet. Der Chorleiter hat uns im Interview von seiner Arbeit mit den Knaben erzählt.

Selbst wenn Markus Teutschbein am Flügel sitzt, entgeht im nicht die kleinste Dissonanz. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Die Knabenkantorei tritt im Vatikan auf. Seit Januar haben sich die knapp 60 jungen Sänger auf diese Konzertreise mit Auftritt vor dem Papst vorbereitet. Der Chorleiter hat uns im Interview von seiner Arbeit mit den Knaben erzählt.

Nach einer intensiven Probezeit ist die Knabenkantorei Basel (KKB) am Freitag nach Rom abgereist. Letzte Woche haben wir die Sängerknaben bei einer Probe besucht. Neben den eindrücklichen Stimmen der jungen Sänger hat uns vor allem der Dirigent Markus Teutschbein beeindruckt. Der 42jährige Deutsche ist unglaublich präsent, seine Art zu dirigieren von einer Intensität der sich niemand entziehen kann. Teutschbein hat seine Arbeit bei der KKB vor knapp sieben Jahren aufgenommen. Davor leitete er verschiedene Chöre in Deutschland, zuletzt in Thüringen.

Eine Audienz beim Papst konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Wir werden die KKB auf ihrer Konzertreise in Rom besuchen. Eine ausführliche Reportage gibt es dann in der gedruckten Ausgabe vom 3. Mai zu lesen.

Herr Teutschbein, Sie beim Dirigieren zu beobachten ist spektakulär, Sie bewegen sich viel und energisch.

Wenn man mit Kindern arbeitet, muss von vorne sehr viel Energie kommen. Erwachsene können sich selber motivieren, sie machen dies über den Kopf. Kindern geht diese Verkopftheit ab, was ein grosser Vorteil ist. Sie sind intuitiver, und übernehmen entsprechend auch die Energie schneller.

Spannend war es auch zu sehen, wie sie immer wieder um die Aufmerksamkeit der Knaben kämpfen mussten. Sind Sie mehr Dirigent oder mehr Pädagoge?

Je besser ich das Eine schaffe, desto leichter fällt es mir, das Andere zu tun. Bei einem Knabenchor ist das eine grosse Herausforderung, weil wir Mitglieder zwischen 9 und 25 Jahren haben. Da kann ich unmöglich alle in jedem Moment ihrem Alter entsprechend abholen. Jüngere werden zwangsläufig manchmal etwas überfordert, Ältere unterfordert. Das sind dann Momente, in welchen die Letzteren ihr Können verfeinern.

Sie werfen bei den Proben mit Fachbegriffen um sich. Verstehen die Knaben was sie meinen, wenn sie «Mezzoforte» rufen?

Das ist ein interessanter Punkt bei Kindern. Sie können vielleicht sagen was «Mezzoforte» bedeutet, aber damit sie es wirklich verstehen, muss ich ihnen diese Begriffe mit Bildern näherbringen. Die Knaben müssen fühlen, wie gewisse Stellen gesungen werden müssen.

Singen bedeutet also einen Ganzkörpereinsatz.

Stimmt. Das mag natürlich nicht jeder. Oft fühlen sich die Knaben nicht mehr so richtig wohl in ihrem Körper, wenn sie in die Pubertät kommen. Dann kann es heilsam sein, zu merken, wie direkt sich ein offener Körper auf die Qualität der Stimme überträgt. Ein starrer, verklemmter Körper wird immer einen starren, verklemmten Ton hervorbringen. Das ist übrigens auch etwas, was den Jungs in der Schule abgewöhnt wird. Dort müssen sie immer brav stillsitzen. Ich muss sie dann wieder auflockern und zu einer gewissen Lebendigkeit zurückführen.

Die Knabenkantorei bedeutet einen grossen Aufwand für die Knaben. Ein Junge hat mir gesagt, dass er wöchentlich über 10 Stunden übt.

Es gibt insgesamt vier Stunden Chorprobe wöchentlich, die Solisten üben noch extra. Dazu kommen Konzertreisen, Auftritte und Stimmübungen für Zuhause. Es ist aber nicht so, dass jeder Sänger täglich üben würde. Es stellt sich auch die Frage ob man das überhaupt will. Zwar würde es bestimmt einen Qualitätsschub bedeuten, gleichzeitig würde es aber die Schwelle anheben. Manche der Knaben würden dann wohl nicht mehr mitmachen wollen, weil ihnen der Aufwand zu gross wäre.

Ist es eine Gratwanderung zwischen hohem Anspruch und freier Zugänglichkeit?

Ich möchte das bestmögliche Ergebnis erreichen. Ich orientiere mich dabei natürlich an den erfolgreichsten Chören der Welt.

Was haben sie geändert als sie vor sechs Jahren die Leitung des Chores übernommen haben?

Ich bin nicht jemand, der alles auf den Kopf stellt, wenn er irgendwo neu dazu kommt.Eher verfolge ich meine Ziele in kleinen Schritten. Zum Beispiel habe ich einen Aufbauchor geschaffen. Dort werden die Knaben, welche vom Grundkurs in den Konzertchor gewechselt sind, speziell gefördert. Auch die Mutanten, also die Sänger welche von den Knabenstimmen zu den Männerstimmen wechseln, erfahren dabei nun eine grössere Unterstützung.

Liegt in dieser sogenannten Mutation (Stimmbruch) nicht auch ein grosses Frustrationspotential?

Es kann sein, dass man als Knabe ein super Sopran war und dann als Tenor vielleicht nur noch mittelmässig ist. Auch das Umgekehrte ist möglich. Das weiss man nie im Voraus. Es ist jedoch weniger ein Frust, als eine anfängliche Zurückhaltung bis man sich in seiner neuen Stimme zurechtfindet. Erschwerend dazu kommt natürlich die körperliche Zurückhaltung in der Pubertät.

Wie gelingt es ihnen die Knaben für sakrale Musik zu begeistern?

Wer zu uns kommt, hat diese Lust am Singen. Den Jungs gefällt es, in der Gruppe ihre Stimmkraft zu entwickeln. Was wir singen ist eigentlich sekundär. Anders als ein Musiklehrer in der Schule, muss ich die Knaben nicht abholen mit Popsongs, um danach auch mal etwas klassisches singen zu können. Sie erleben die Kraft der Musik noch bevor sie sich vertieft mit dem Inhalt auseinander setzen.

Arbeiten Sie denn gar nicht inhaltlich mit den Jungs?

Doch, es hilft auch, zu wissen was man singt. Schliesslich soll sich der Inhalt im Gesang widerspiegeln.

Wie lange haben Sie sich auf die Reise nach Rom vorbereitet?

Seit Januar sind wir daran. Wir werden aber nicht ein komplett neues Repertoire singen

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