Vorzeigekind St. Johann muss weiter wachsen

Kein anderes Quartier hat sich in den letzten Jahren derart verändert wie das St. Johann. Die Bewohner befürchten, dass es immer weniger bezahlbare Wohnungen geben wird und kritisieren das mangelnde Kulturangebot im Quartier. Für Abhilfe könnte das Naturhistorische Museum sorgen, das einen Neubau am Bahnhof St. Johann erhalten soll.

Die Bewohner der neuen Überbauungen VoltaWest und VoltaZentrum sind zufrieden mit der Wohnung und der Umgebung. (Bild: Nils Fisch)

Kein anderes Quartier hat sich in den letzten Jahren derart verändert wie das St. Johann. Die Bewohner befürchten, dass es immer weniger bezahlbare Wohnungen geben wird und kritisieren das mangelnde Kulturangebot im Quartier. Für Abhilfe könnte das Naturhistorische Museum sorgen, das einen Neubau am Bahnhof St. Johann erhalten soll.

Kaum ein Stein ist mehr auf dem anderen: Das St. Johann hat sein Gesicht in den vergangenen Jahren komplett verändert. Sei es durch die Eröffnung der Nordtangente im 2007, den drei Wohnneubauten (VoltaZentrum, VoltaWest, VoltaMitte), der Tramilinie 1, die nicht mehr durch die Gasstrasse fährt, oder dem neuen Vogesenplatz am Bahnhof St. Johann. Vieles ist anders geworden, im äusseren St. Johann. Und vieles wird sich noch wandeln. Denn Basel Nord, das Vorzeigekind der Stadtentwicklung, ist noch nicht gross genug. Die Entwicklung im St. Johann sei nicht abgeschlossen, sie gehe weiter, sagt Regierungspräsident Guy Morin. Es gehe schliesslich darum, das St. Johann für die Bevölkerung zu verbessern. «Wir möchten das Quartier nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg entwicklen, sondern für die Bevölkerung. Menschen machen die Stadt aus, nicht Häuser.»

Und glaubt man der Befragung «Pro Volta», sind die Menschen im Äusseren St. Johann zufrieden mit der Quartierentwicklung. Zwischen April und Oktober 2011 hat das Statistische Amt Basel-Stadt die 268 Mieter der drei Neubauten Voltazentrum, VoltaWest und VoltaMitte, 1800 langjährige Bewohner und 329 Gewerbetreibende befragt. Die Rücklaufquote betrug über 30 Prozent und ergab:

1. Die neuen Bewohner von «ProVolta»

Die Mieter der drei Neubauten, die zwischen Oktober 2009 und Mai 2010 fertiggestellt wurden, sind mehrheitlich zufrieden mit der Wohnung und dem Wohnumfeld. Vor allem die Anbindung an den ÖV, die Nähe zur Autobahn und zum Flughafen sowie die Architektur der Überbauung wird gelobt. Für viele läuft im Quartier jedoch nicht genug – kritisiert wird das mangelnde Kultur- und Restaurantangebot. Zudem wünschen sich die Neumieter mehr Grün- und Freiflächen. Auch die Sauberkeit wird bemängelt.

Gemäss der Umfrage sind die Bewohner in den drei Neubauten jünger und einkommensstärker als die übrige Anwohnerschaft im St. Johann. Über die Hälfte der Mieter war schon vor dem Umzug in der Stadt Basel wohnhaft. Insgesamt 45 der 268 Wohnungen haben Novartis und Roche gemietet. Laut Oliver Thommen Bombois vom Statistischen Amt leben wenige Familien in den Neubauten.

2. Die Anwohnerschaft

Insgesamt nahmen 620 Anwohner an der Befragung teil. 64 Prozent stufen die Quartierentwicklung als positiv ein. Als wichtigste Argumente geben sie eine deutlich verbesserte Verkehrssituation und eine allgemeine Aufwertung des Wohnviertels an. Gelobt werden die verbesserten Einkaufsmöglichkeiten. Auch sie sehen Handlungsbedarf punkto Sauberkeit und Grünflächen. Einige finden, dass der Vogesenplatz noch kein Quartiermittelpunkt sei.

15 Prozent der Befragten empfinden die Neuerungen allerdings als negativ. Kritisiert wird etwa, dass sich die drei Volta-Neubauten nicht in das bisherige Quartierbild einfügen. Sie werden als anonym und zu urban empfunden. Das Alte und Gemütliche wird verdrängt, wilde Grünflächen verschwinden. 22 Personen beklagen Mietpreiserhöhungen und machen sich Sorgen, dass weiter günstiger Wohnraum wegfällt. Die bisherige Wohnbevölkerung könnte dadurch verdrängt werden, meinten 15 Personen. Guy Morin sagt dazu: «Es ist klar, dass dort wo umgebaut wurde, die Mieten rauf sind. Im Vergleich zu anderen Städten, sind wir von einer extremen Teuerung aber weit entfernt.»

3. Die Gewerbler

Mit rund 80 Prozent zeigen sich eine grosse Merheit der 102 antwortenden Gewerbetreibenden mit dem Geschäftsverlauf eher bis sehr zufrieden. Die Quartierentwicklung der letzten Jahre wird merheitlich als positiv empfunden. Kritisiert wird jedoch die Parkplatzsituation. Es brauche mehr Kundenparkplätze, heisst es.

Viele Projekte in Planung

Für den Basler Kantons- und Stadtentwickler Thomas Kessler liegt der Handlungsbedarf (etwa den Wunsch nach mehr Sauberkeit) im «Softbereich». «Ich bin erstaunt, wie positiv alles bewertet wird, zumal das  Quartier erst zur Hälfte fertig entwickelt ist».

In der Tat kommen noch einige Baustellen auf das «Santihans» zu. Etwa die Erweiterung des Volta-Schulhauses, Investitionen in das Fernheizkraftwerk oder einen Neubau entlang der Ecke Elsässerstrasse/Voltastrasse (Wohnungen für Studenten). Neben der Fertigstellung der neuen Voltamatte wird vor allem die Sanierung und Umgestaltung der Elsässerstrasse (Abschnitt Hüningerstrase bis zur Landesgrenze) die Anwohner die nächsten Jahren auf Trab halten.

Auch Novartis hat mit seinem Campus Grosses vor – so wird der Rückbau des Hafens St. Johann noch in diesem Jahr abgeschlossen. Anschliessend soll die Rheinuferpromenande vom St. Johannspark bis nach Hüningen neugestaltet werden. Und 2015 soll das Novartis-Hochhaus «Asklepios 8» eröffnet werden – mit einem öffentlichen Restaurant an der neuen Promenade.

Wie Guy Morin gegenüber der TagesWoche sagt, könnte das Naturhistorische Museum zudem von der Innenstadt an den Bahnhof St. Johann ziehen – falls die Regierung über die Vorbehalte der Risikokommission hinwegsieht. «Der Grundsatzentscheid der Regierung soll demnächst fallen.» Man werde nur über den Standort St. Johann entscheiden, der Standort Dreispitz stehe nicht zur Diskussion.

Doch damit noch nicht genug gebaut: Auch ein 170 000 Quadratmeter grosses Areal zwischen der Bahnlinie, der Schlachthof-, der Elsässer- und der Voltastrasse soll ab 2016 neu gestaltet werden. Die Grundeigenümer des Areals – SBB, Coop, und die Firma Brenntag – haben dazu zusammen mit dem Kantons eine Planungsgemeinschaft gegründet. Laut Fritz Schumacher sollen mit den ersten Planungen noch diesen Sommer begonnen werden. In welche Richtung diese gehen werden, scheint bereits jetzt klar: Man wolle testen, wo noch hochwertige, gute Wohnungen angeboten werden könnten, sagt Schumacher. Urban lautet das Zauberwort des Kantonsbaumeisters.

Quellen

Artikelgeschichte

Medienorientierung des Präsididaldepartements vom 30. Mai 2012

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