Mit seiner Kandidatur gegen den übermächtigen ex-Armeechef Sisi hat der linke Sabahi dafür gesorgt, dass es überhaupt eine Wahl für den nächsten ägyptischen Präsidenten gibt. Sisis Sieg gilt als sicher. Sein Erfolg wird an der Beteiligung gemessen werden.
«Auf Wiedersehen im Präsidentenpalast», verabschiedet der Wahlkampfleiter von Hamdin Sabahi mehrere Dutzend ausländische Diplomaten in einem Kairoer Luxushotel. Sabahi strahlt unverdrossen Optimismus aus. Diese Wahl sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem demokratischen Land. Wahlfälschungen befürchte er nicht, sagt der Herausforderer von ex-General Abdelfattah al-Sisi. Erst wenn die Forderungen der Revolution nach Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit erfüllt und mit dem korrupten Mubarak-System tatsächlich gebrochen sei, werde Ägypten demokratisch und damit auch stabil.
Im Laufe seiner Kampagne hatte Sabahi mehrfach unterstrichen, dass er auch bei einem Sieg Sisis am 26./27. Mai in der Opposition bleiben und keinen Regierungsposten annehmen werde. Der 60-jährige ehemalige Journalist und Berufspolitiker vom linken Volkstrend trat damit Spekulationen entgegen, seine Kandidatur sei ein abgekartetes Spiel, um den Eindruck einer echten Wahl zu erwecken.
Ein Kandidat zum Anfassen
Auf der Strasse im Stadtzentrum treffen sich am selben Abend junge Künstler und Intellektuelle, um für Sabahi als nächsten Präsidenten zu werben. «Wer für die Revolution ist, ist für Sabahi. Wir waren gegen Mubarak, gegen den Militärrat, gegen die Muslimbrüder und jetzt gegen den Kandidaten der Armee», sagt Esmat, der Sabahi schon bei seiner Kampagne 2012 unterstützt hatte, als er in der ersten Runde mit dem dritten Platz die Stichwahl nur knapp verfehlt hatte. 60 Prozent der Jungen stünden hinter Sabahi, gibt sich der junge Künstler überzeugt.
Am Freitag, dem letzten Tag des Wahlkampfes, findet auch gleichzeitig der Höhepunkt mit einer Grossveranstaltung auf dem Kairoer Abdin-Platz statt. Das ist das Ende einer Tour durch das ganze Land. Sabahi ist ein Kandidat zum Anfassen. «Einer von uns», wie sein Motto lautet. Ganz im Gegensatz zu Sisi, der nur in geschlossenen Räumen empfangen hat, Interviews gab oder über Videolinks präsent war. Zwei Anschläge auf ihn seien bereits vereitelt worden, begründete er diese Sicherheitsvorkehrungen. Auch ein Fernsehduell mit seinem Herausforderer hatte er abgelehnt.
Keine Kritik an Sisi erwünscht
«Er ist unser Held», sagt ein Beamter aus dem Finanzministerium. Er habe die Muslimbrüder vertrieben. Er werde für Ruhe und Ordnung sorgen und die Schläger und Gesetzesbrecher von den Strassen vertreiben und dann kämen auch Touristen und ausländische Geschäftsleute zurück, begründet er seine Verehrung für den Feldmarschall. Der ehemalige Armeechef ist vor allem eine Respektsperson, an der man keine Kritik über darf. Der Hinweis in einem Elektro-Geschäft auf die Gratis-Sparlampen, die die Sisi-Jugend zu Tausenden verteilt, löst beim Inhaber gleich Unmut aus. Die versteckte Anspielung auf die gängige Praxis von Muslimbrüdern und Mubarak-Getreuen in früheren Wahlen Stimmen zu kaufen, entweder direkt mit Geld oder mit Naturalien wie Reis oder Öl, macht den Sisi-Getreuen wütend. Die Wahlkommission will diesen eindeutigen Gesetzesverstoss untersuchen.
Von Wahlkampf, das heisst echtem Wettbewerb mit Überzeugungsarbeit, ist wenige Tage vor dem Urnengang am kommenden Montag und Dienstag aber nicht viel zu spüren. Die Meinungen sind längst gemacht. Auf dem höchsten Haus am Tahrir-Platz thront ein gigantisches Plakat mit Sisis Konterfei. Es ist wie ein Symbol für den übermächtigen Kandidaten. Er hat fast die Alleinherrschaft auf den Werbeflächen. Dabei kann er auf unzählige, potente Unterstützer zählen, die in seinem Namen eine millionenschwere Wahlkampagne führen. Sabahis Mittel sind dagegen äusserst bescheiden. Er hat einen Aufruf unter dem Titel «5×5» gestartet. Seine Anhänger sollen 5 Pfund spenden (65 Rappen) und vier Freunde auffordern, es ihnen gleich zu tun.
Muslimbrüder für Boykott
Während in den ersten freien Wahlen nach der Revolution von 2011 ein halbes Dutzend potentielle Kandidaten zur Auswahl standen, mahnt diese Wahl, in der ein Nachfolger für den von Militär und Volkszorn gestürzten Islamisten Mohammed Morsi gesucht wird, eher an ein Referendum, wie es in der Mubarak Ära üblich war. Hinter dem «Staatskandidaten» Sisi stehen neben der Armee der gesamte Staatsapparat, die Medien, die Geschäftswelt und Parteien aller Schattierungen; darunter auch die extrem-konservative, salafistische Nour-Partei. Die zweitgrösste islamistische Partei nach den entmachteten Muslimbrüdern legt ihr ganzes Gewicht hinter den neuen starken Mann Ägyptens und der Nour-Chef hat sogar gewarnt, bei einer Nichtwahl Sisis könnte das Land im Chaos versinken.
Bei den Ägyptern im Ausland hat Sisi diese Wochen 94 Prozent der Stimmen erzielt. Ein deutliches Zeichen, in welcher Höhe sich sein Sieg bewegen dürfte. «85 Prozent mindestens», meint der Beamte. Deshalb liegt das Hauptaugenmerk der Sisi-Kampagne auf der Beteiligung. Eine hohe Abstinenz könnte an Sisis Sieger-Image kratzen und sie würde von den Muslimbrüdern, die zu einem Boykott aufgerufen haben, als Erfolg gewertet.