Die Baselbieter Bildungsdirektorin hat den Lehrplan 21 stets kritisiert. Zu den Abstimmungsvorlagen vom 5. Juni sagt sie jedoch nichts. Warum eigentlich?
Es hätte der Sommer der Monica Gschwind werden sollen. In fünf Wochen kommen jene Lehrplan-Initiativen zur Abstimmung, für die sie sich stark gemacht hatte und die sie 2015 ins Amt hievten. Heute ist die Bildungsdirektorin in einer vertrackten Rolle: Sie vertritt die Regierung und kann nicht für ihre damaligen Wahlversprechen einstehen.
Rückblende: Am 6. Februar 2015 wurde Gschwind in die Regierung gewählt. Den Sieg verdankte die FDP-Politikerin der bürgerlichen Allianz – und dem Landrat Jürg Wiedemann, der Gschwind zur Protagonistin des Baselbieter Bildungswiderstands erkor.
Gschwind nahm die Rolle dankend an. Von da an sprach sie schier pausenlos über sinkende Bildungsqualität und «Reformitis». In einem BaZ-Interview versprach sie kurz vor den Wahlen: «Ich setze mich dafür ein, dass diese Sammelfächer nicht zustande kommen.»
Die Sammelfächer sind das Kernstück des neuen Lehrplans. Geografie und Geschichte heissen neu «Räume, Zeiten, Gesellschaften». Das Wort Sammelfächer versetzt Lehrer und Eltern gleichermassen in Schrecken. Denn das Wort hinterfragt die Schule, wie man sie bisher gekannt hat. Ein emotionales Thema, das sich politisch gut verwerten lässt.
Eine Bildungsdirektorin im Dilemma
Auch zur zweiten Vorlage, über die bald abgestimmt wird, hätte Gschwind viel zu sagen. Es geht darum, dass der Bildungsrat – das Fachgremium für Bildungsfragen – nicht mehr alleine entscheidet, was und wie unterrichtet wird. In Bildungsfragen soll auch der Landrat mitentscheiden. So will es die Initiative, die ebenfalls aus Wiedemanns Küche stammt. Dies soll verhindern, dass der neue Lehrplan en bloc eingeführt wird.
Als Gschwind noch im Landrat sass, unterzeichnete sie beide parlamentarischen Initiativen und trat auch dafür ein. Jetzt aber sitzt sie in der Regierung – und steckt in einem bildungspolitischen Dilemma.
Eigentlich muss sie die Meinung des Regierungsrates vertreten. Dieser lehnt die Vorlagen offenbar ab. Der Regierungsrat hat aber eigens für diese Abstimmung eine Regelung beschlossen: Gschwind dürfe «auf Anfrage ihre persönliche Haltung zu den beiden Vorlagen» äussern. «Regierungsrätin Moncia Gschwind verzichtet aber auf eine aktive Beteiligung im Abstimmungskampf und engagiert sich auch nicht im Abstimmungskomitee.» Grund für diese Sondergenehmigung sei, dass Gschwind die beiden Initiativen vor den Wahlen 2015 offen unterstützt hatte.
Vertrauensbruch oder Wahlversprechen brechen
So kommt es, dass das Baselbiet vor einer für die Schule zukunftsweisenden Abstimmung steht, und die Bildungsdirektorin sagt dazu: nichts. Auf die Anfrage, ob sie die Lehrplan-Initiativen noch immer unterstütze, drückt sich Gschwind um eine klare Antwort. Statt ein klares Ja oder Nein holt sie mit einer «Vorbemerkung» aus, worauf sie auf einer ganzen A4-Seite ausbreitet, wie verfahren die Situation sei.
Gschwind weiss: Empfiehlt sie ein Ja, riskiert sie einen Vertrauensbruch mit den eigenen Angestellten. Sagt sie Nein, bricht sie ihr Wahlversprechen.
SP kritisiert Abstinenz
Für ihre politischen Gegner ist das ein gefundenes Fressen. Der SP-Präsident Adil Koller sagt: «Ich erwarte von Monica Gschwind, dass sie sich klar gegen das Bildungs-Chaos engagiert, das mit den beiden Initiativen droht.» Der SP-Landrat Christoph Hänggi findet, ein Regierungsmitglied könne bei einer so brisanten Frage nicht seine persönliche Meinung vertreten, sondern müsse das Wohl des Kantons im Auge behalten.
Gschwind erwidert: Der Regierungsrat habe den Auftrag, dass die Stimmbevölkerung bei Abstimmungen «neutrale Informationen erhält und sich ein eigenes Bild machen kann».
Koller geht noch weiter. Er sagt, Gschwind trage «eine Mitschuld an der Unruhe, die es im Bildungsbereich teilweise gibt». Denn sie habe «den Widerstand gegen den Lehrplan selbst befeuert, indem sie im Wahlkampf pausenlos gegen das Reformprojekt wetterte».
Die Parolen, die Gschwind vor ihrer Wahl rief, wird sie nicht mehr los. Sie verfolgen sie mindestens bis zum 5. Juni. Und wohl noch darüber hinaus.