Die Basler Polizei feuerte am Donnerstagabend mit Gummischrot auf Demonstranten. Das weckt Kritik. Politiker wollen nun Konsequenzen einleiten.
Es ist eine Szene, die zu reden gibt: Etwa 20 Polizisten standen am Donnerstagabend in der Clarastrasse vor rund 300 Demonstranten, die einen unbewilligten Protestmarsch durchführten. Nach einer Warnung feuerten die Polizisten eine Salve Gummischrot in die Menge.
Polizeisprecher Andreas Knuchel rechtfertigt das Vorgehen damit, dass die Kundgebungsteilnehmer den Aufforderungen der Polizei nicht Folge leisteten. Damit erachte man «diesen Mitteleinsatz als verhältnismässig».
«Total schockierend»
Das Polizeigesetz sieht vor, dass die Androhung der Einsatzmittel rechtzeitig erfolgen muss. So, «dass die betroffenen Personen noch von sich aus den polizeilichen Anordnungen nachkommen können».
Für BastA!-Politikerin Tonja Zürcher, die selbst an der Kundgebung teilnahm, war diese Vorschrift am Donnerstag nicht erfüllt: «Ich stand etwa in der dritten Reihe im Demonstrationszug und konnte nicht hören, ob die Polizei per Megafon etwas mitteilte», sagt sie.
Auch andere Demonstrationsteilnehmer wurden von den Geschossen überrascht. Eine der Organisatorinnen sagt: «Es war total schockierend, als die Polizei plötzlich auf uns schoss.» Sie stand in der ersten Reihe und habe etliche blaue Flecken davon getragen. «Die Polizei hat den Gummischrot-Einsatz nicht richtig kommuniziert.»
Knuchel sagt indes, die Polizei könne «nicht sicherstellen, dass jeder einzelne Kundgebungsteilnehmer in der hintersten Reihe diese Abmahnung hört». Die Abmahnungen seien zudem mehrmals erfolgt.
Am Kopf getroffen
Kritisiert wird nicht nur, dass die Polizei überhaupt geschossen hat, sondern auch wohin: Die Demo-Organisatorin sagt, sie kenne viele, die am Kopf getroffen wurden. Einen sichtbaren Fleck im Gesicht zeigte auch eine ältere Frau, die weit vorne stand, als die Polizei losfeuerte.
Wohin und wie die Polizisten schiessen, ist in den Dienstvorschriften der basel-städtischen Polizei geregelt. So muss der Mindestabstand zu den Demonstranten 20 Meter betragen. Zürcher spricht von einem Abstand von 15 Meter zwischen Demonstranten und Polizisten.
Diese Frau, die vorne im Demonstrationszug mitlief, wurde von einem Gummigeschoss im Gesicht getroffen. (Bild: Jeremias Schulthess)
Ausserdem werde nicht auf Kopfhöhe gezielt, sondern «auf die Füsse und Beine, um Verletzungen am Kopf und besonders der Augen zu vermeiden», sagt der ehemalige Polizeikommandant Markus Mohler.
Grummischrot «nur als äusserstes Mittel»
Der Einsatz von Gummigeschossen werde in der Regel nur «als Mittel eingesetzt, wenn es tauglich erscheint und der Polizei keine weniger weit gehenden Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um eine entsprechend rechtswidrige Situation zu beenden», so Mohler.
In der Juristensprache des Polizeigesetzes heisst das: «Stehen zur Erreichung eines polizeilichen Zwecks mehrere geeignete Massnahmen zur Verfügung, muss diejenige gewählt werden, welche die Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten belastet.»
Ob dies der Fall war, müsste im Zweifel ein Gericht entscheiden. Die Massnahmen und der polizeiliche Zweck müssen abgewogen werden. Der Zweck war in diesem Fall, den Polizeiposten zu schützen.
Der Rechtsprofessor der Universität Basel, Markus Schefer, sagt, das sei grundsätzlich zulässig. «Die Mittel, die zum Einsatz kommen, müssen jedoch immer verhältnismässig sein.»
Zürcher findet, es sei verständlich, dass die Polizei den Claraposten schützen wollte. «Dazu müsste sie allerdings nicht die ganze Clarastrasse absperren. Die Sperrung und die übertriebene Härte waren völlig unverhältnismässig.»
Politische Reaktionen
Später setzte die Polizei erneut Gummischrot ein, als sich die Demonstranten der Polizeisperre an der Mittleren Brücke näherten. Erst dort warfen die Demonstranten Bierflaschen. Auch Pyrofackeln sollen geworfen worden sein, wie die Polizei in der Begründung für den Einsatz schreibt. Schefer sagt, es sei grundsätzlich nicht möglich, eine Demonstration allein deshalb mit Zwangsgewalt aufzulösen, weil sie nicht bewilligt ist.
Der Abend hat auch politische Reaktionen ausgelöst. Während die SVP das «linke Chaotentum» verurteilt, prüft die Juso-Vizepräsidentin Mirjam Kohler rechtliche Schritte gegen die Polizei. Sie schreibt in einer Medienmitteilung: «Baschi Dürr soll seinen Wahlkampf bitte nicht so gestalten, dass friedliche Mitbürgerinnen und Mitbürger von Gummischrot ins Gesicht getroffen werden.»
Das junge grüne Bündnis will nächste Woche eine Interpellation einreichen und den Vorsteher des Justizdepartements, Baschi Dürr, mit dem Polizeieinsatz konfrontieren. Raffaela Hanauer aus dem Vorstand sagt: «Wir hoffen sehr, dass die Polizei nach diesem Desaster die nötige Selbstkritik an den Tag legt und solche groben Fehler in Zukunft verhindert.»
_
Die jüngsten Ereignisse im Überblick
» Baschi Dürr und seine «rote Linie»
» Unbewilligte Demo für Flüchtlinge eskaliert