Im Basler Privatspital Bethesda wird bei Geburten häufiger der Kaiserschnitt gewählt als üblich. Warum, wollen die Verantwortlichen nicht sagen. Aber es gibt Erklärungen.
Als der errechnete Geburtstermin näherrückte, setzte sich bei Marianne* eine Idee fest. Sie wollte den Tag, an dem ihr Kind das Licht der Welt erblickt, auf ein originelles Datum legen. Im privaten Basler Bethesda-Spital kam man dem Wunsch der Kundin gerne nach. Und so ist heute im Pass der Kleinen eine Schnapszahl als Geburtstag eingetragen.
Wunschkaiserschnitt nennt sich die umstrittene Verschiebung des Geburtstermins auf ein genehmes Datum. Umstritten deshalb, weil der Vorgang nicht aus medizinischen Gründen erfolgt, sondern einer Lifestyle-Entscheidung nahekommt.
Auch jenseits ideologischer Vorbehalte gibt es stichhaltige Gründe gegen einen nicht notwendigen Kaiserschnitt. Eine grossangelegte britische Meta-Studie, welche sich auf Daten von fast 600’000 Frauen abstützt, kam vor einem Jahr zum Schluss, dass Nachteile der Sectio, wie das Risiko der verminderten Fruchtbarkeit, unterschätzt werden.
Massive Investitionen
Wie oft im Bethesda die Geburt per Skalpell erfolgt, ohne dass medizinische Gründe vorliegen, will das Spital nicht offenlegen. Die Frage ist relevant, weil die Geburtsmedizin in der Region im Umbruch ist. Das Bethesda rechnet ab kommendem Jahr mit rund 400 zusätzlichen Patientinnen dank der Schliessung der Frauenklinik auf dem Bruderholz. Bis zu 1700 Frauen dürften künftig jährlich im Bethesda entbinden. Das Spital baut deshalb seine Infrastruktur gerade massiv aus, ein Return on Investment wird erwartet.
Die einzige Zahl, welche die Klinik offenlegt, ist die Quote an Kaiserschnitten: diese lag 2013 und 2014 bei 45,1 Prozent. Die Rate ist signifikant höher als im Unispital, in dem jährlich rund 2300 Entbindungen stattfinden. Im Unispital wurden 2013 knapp 35 Prozent aller Gebärenden einer Sectio unterzogen. Der Wert ist tiefer, obwohl nur im Unispital die komplizierten Fälle behandelt werden, also etwa Frauen mit Frühgeburten.
«Können wir leider nicht beantworten.»
Bethesda-Direktor Thomas Rudin
Eine Erklärung für den höheren Wert gibt das Bethesda nicht. «Können wir leider nicht beantworten», antwortet Spitaldirektor Thomas Rudin auf eine entsprechende Anfrage. Das Unispital nennt die Haltung der Ärzte und die umfassende Information der Patientinnen als Hauptgrund für die tiefe Quote. «Es ist wichtig, dass die Frauen genau wissen, welche Auswirkungen eine Sectio haben kann, und dass die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse einbezogen werden», sagt Sprecherin Sabina Heuss.
Der Anteil an Wunschkaiserschnitten liegt im Unispital bei zwei Prozent. Allerdings liegen auch nur 10 bis 20 Prozent der Operationen streng medizinische Gründe zugrunde. Die Mehrheit der Fälle liegt in einer Grauzone zwischen persönlicher Entscheidung und ärztlicher Empfehlung. Die Entscheidungshoheit liegt laut Heuss immer bei der Frau. Im Bethesda werden die Entscheidungen laut Rudin von Arzt und Mutter gemeinsam getroffen.
Wirtschaftliche Anreize
Das Bethesda ist nicht das einzige Spital mit einer hohen Sectiorate, schweizweit gibt es zahlreiche Privatspitäler, die häufig operativ entbinden. Das Phänomen ist bekannt und wird mit wirtschaftlichen Anreizen erklärt. «Durch die bessere Entschädigung der Sectio ist die natürliche Geburt finanziell etwas weniger interessant für Arzt und Spital», sagt Sandra Kobelt, Sprecherin des Krankenkassenverbands Santésuisse.
Das Bethesda-Spital etwa wird von der Grundversicherung mit 8355 Franken entschädigt, eine natürliche Geburt kostet mit 5270 Franken deutlich weniger. «Ein Kaiserschnitt ohne Komplikationen ist rentabler als eine normal verlaufende natürliche Geburt», bestätigt Sabina Heuss vom Unispital.
Verlustgeschäft natürliche Geburt
Kommen Komplikationen dazu, kann eine Geburt für ein Spital schnell zum Verlustgeschäft werden, weil die Kasse nicht alle Mehraufwände begleicht. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist eine lange, erfolglose Gebärphase mit anschliessendem Notkaiserschnitt am unvorteilhaftesten – ein Problem, das mit dem geplanten Schnitt nicht auftritt.
Vor allem lässt sich das Personal effizienter auslasten, auf teure Abrufe von Pikettärzten kann verzichtet werden. Die private Hirslandenklinik kalkuliert mit gewaltigen Unterschieden im Personalbedarf.
Eine Präsentation der Privatklinik mit dem Titel «Kaiserschnitt – pro und contra» beziffert den Bedarf an Hebammen für 2000 natürliche Geburten mit 40 – dem gegenüber stehen vier Hebammen, die angeblich für 2000 Kaiserschnitte benötigt werden. Bei den Ärzten ist das Verhältnis ähnlich krass.
Ärzte profitieren vom Schnitt
Das Bethesda-Spital stellt ökonomische Überlegungen in Abrede: «Die Geburtshilfe ist kein betriebswirtschaftlicher Ablauf. Jede Geburt verläuft individuell. Die beiden Geburtsarten benötigen unterschiedliche Infrastrukturen und medizinische Geräte. Ebenso ist der Zeitfaktor unterschiedlich. Die Fallpauschale berücksichtigt alle diese Faktoren und deshalb gibt es grundsätzlich kein besser oder schlechter.»
Nicht nur das Spital, auch die Ärzte profitieren finanziell von Kaiserschnitten, jedenfalls bei Patientinnen mit Zusatzversicherung. Sie erhalten dann eine höhere Entschädigung durch die Kasse. «Bei der Wahl der Geburtsart spielen die Zusatzversicherungen eine wichtige Rolle», sagt dazu Sandra Kobelt von Santésuisse.
Krankenkassen zahlen trotzdem
Die Kassen wären nicht verpflichtet, die Kosten für Wunschkaiserschnitte zu übernehmen, weil ein derartiger Eingriff die Erfordernis der Zweckmässigkeit nicht erfüllt. Trotzdem tun sie es, denn der Wunscheingriff sorgt für überschaubare Kosten.
«Eine Geburt mit Komplikationen kann teurer sein als ein geplanter Kaiserschnitt», begründet Kobelt. Bei einer problemlosen Geburt sei die natürliche Geburt günstiger. «Aber wer weiss schon, ob eine Geburt problemlos verläuft?»