Warum in Mazedonien noch niemand den EU-Deal wirklich feiert

Regierung und Opposition in Skopje haben sich unter EU-Vermittlung auf Neuwahlen im April 2016 geeinigt. Dass es nun mit der Demokratie in Mazedonien schnell wieder bergauf geht, glauben wenige – aber immerhin finden sie Trost beim Pluto.

European Neighborhood Policy & Enlargement Negotiations commissioner Johannes Hahn, center, talks to the media in presence of the four most relevant party leaders in Macedonia, Prime Minister and leader of the VMRO-DPMNE conservative party Nikola Gruevski, left, the leader of the Democratic Union for Integrations Ali Ahmeti, center rear, the leader of Macedonian opposition Social Democrats Zoran Zaev, right and the leader of the Democratic Party of the Albanians Menduh Thaci, second from right, after their talks in Skopje, Macedonia, early Wednesday, July 15, 2015. (AP Photo/Boris Grdanoski)

(Bild: BORIS GRDANOSKI)

Regierung und Opposition in Skopje haben sich unter EU-Vermittlung auf Neuwahlen im April 2016 geeinigt. Dass es nun mit der Demokratie in Mazedonien schnell wieder bergauf geht, glauben wenige – aber immerhin finden sie Trost beim Pluto.

In Skopje macht seit Mittwoch ein Witz die Runde: «Was haben der Pluto und Mazedonien gemeinsam? Beide werden nicht richtig anerkannt und die Welt braucht neun Jahre, um richtig drauf zu schauen.»

Neun Jahre war die Sonde «New Horizons» auf dem Weg zum Pluto, nun hat sie Resultate geliefert. Die Parallele zu Mazedonien? Neun Jahre ist Premierminister Nikola Gruevski nun an der Macht, allerdings sind seine Resultate überhaupt nicht spektakulär: Unter seiner Führung ging es im Balkanstaat mit Demokratie, Rechtsstaat und bürgerlichen Freiheiten steil bergab.

Nun entsandte die EU den Nachbarschaftskomissar Johannes Hahn nach Skopje. Nach einem dreizehnstündigen Verhandlungsmarathon war es am Mittwoch geschafft. Hahn durfte viele Hände schütteln, während Regierung und Opposition irgendwie beide ganz zufrieden schienen.



European Neighborhood Policy & Enlargement Negotiations commissioner Johannes Hahn, center, talks to the media in presence of the four most relevant party leaders in Macedonia, Prime Minister and leader of the VMRO-DPMNE conservative party Nikola Gruevski, left, the leader of the Democratic Union for Integrations Ali Ahmeti, center rear, the leader of Macedonian opposition Social Democrats Zoran Zaev, right and the leader of the Democratic Party of the Albanians Menduh Thaci, second from right, after their talks in Skopje, Macedonia, early Wednesday, July 15, 2015. (AP Photo/Boris Grdanoski)

Johannes Hahn, mitte, konnte den stolz den Medien den Erfolg in der Vermittlung zwischen Nikola Gruevski, links, und dem Oppositionsführer Zoran Zaev, rechts, verkünden. (Bild: BORIS GRDANOSKI)

Erst mal ändert sich gar nichts

Der Konflikt zwischen Opposition und Regierung begann nach den vergangenen Wahlen, weil die Sozialdemokraten (SDSM) der Regierungspartei (VMRO-DPMNE) Wahlbetrug vorwarfen und seitdem das Parlament boykottieren. Ein Abhörskandal, Massenproteste und eine bislang ungeklärte Polizeiaktion mit 18 Toten in Kumanovo schaukelten den Konflikt so hoch (mehr dazu in diesem Artikel), dass die EU sich genötigt fühlte einzugreifen.

Am 24. April 2016 werden nun Neuwahlen stattfinden, zwei Jahre vor dem eigentlichen Termin. Die Opposition wird in das Parlament zurückkehren und ab Ende Oktober an der Regierung von Nikola Gruevski beteiligt werden. Im Januar wird Nikola Gruevski dann zurücktreten, damit eine Übergangsregierung aus unparteiischen Technokraten die nächsten Wahlen organisieren kann.

Nikola Gruevski kommentierte das Ergebnis mit den Worten: «Die politische Krise ist vorbei», doch zunächst geht alles weiter wie zuvor. Der stellvertretende Premierminister Vladimir Peshevski hat einen Journalisten auf offener Strasse weggestossen, als dieser ihm Fragen stellen wollte.

 

In den regimetreuen Staatsmedien hat darüber niemand ein Wort verloren. Auf einer Medienkonferenz der Regierungspartei VRMO-DPMNE stellte ein Journalist eine kritische Frage und wurde daraufhin von einem Regierungsanhänger geschlagen.

 

Das sind die Bedingungen unter denen die Opposition nun gegen Nikola Gruevski antreten darf. Die grossen Medien stehen auf der Seite des Regimes und deswegen wird es auch nicht gross skandalisiert, wenn Journalisten nicht mal mehr eine Frage auf einer Medienkonferenz stellen können, ohne sich eine Backpfeife abzuholen.

Die Regierung Gruevski hat zu viel Geschirr zerschlagen, als das Mazedonien wieder nach 2005 zurückkehren könnte, als es auf dem besten Weg in die EU war und als Musterland des westlichen Balkans galt. Der jetztige Deal ändert auch daran erst mal wenig.

Niemand will die Hand beissen, die ihn füttert

Die VRMO-DPMNE hat eine riesige klientelistische und korrupte Verwaltung geschaffen. Diejenigen, die von einem Staatsgehalt abhängig sind, wählen weiterhin die Regierung, und das sind nicht wenige. Die Bildungs- und Identitätspolitik der Regierung Gruevski hat eine Generation geschaffen, die so nationalistisch und autoritär ausgerichtet ist wie nie zuvor in der jungen Geschichte Mazedoniens.

Skopje wurde architektonisch veschandelt, Zehntausende Mazedonier durch Staatsjobs korrumpiert und eine nationalistische Generation aufgezogen. Seitens der EU ist die Verhandlungslösung trotzdem ein Erfolg, schliesslich kann man den Staatschef eines Landes ja nicht zum Rücktritt zwingen, auch wenn es bezüglich des Nachbarlandes Griechenland andere Gerüchte gibt.

Aber selbst wenn die Sozialdemokraten die Wahlen gewinnen sollten, ist nicht gesagt das sie Mazedonien in eine goldene Zukunft führen. Auch die Partei um Oppositionsführer Zoran Zaev hatte zu ihrer Regirungszeit keine weisse Weste, aber immerhin hat sie grundlegende demokratische Spielregeln befolgt.

Immerhin kein ethnischer Konflikt

Die Massenproteste wurden von Anhängern der oppositionellen Sozialdemokraten getragen. Es gab aber auch Demonstranten, die sich bezüglich der Opposition keiner allzu grossen Illusion hingaben und sich distanzierten, andere gingen schlicht ein taktisches Bündnis mit ihr ein.

Die Massenproteste und die Toten von Kumanovo sind nicht zu einem ethnischen Konflikt geworden, wie viele anfangs befürchtet hatten, aber es wurde ein neuer Konflikt geschaffen. Ein ideologischer Konflikt zwischen denjenigen, die Richtung EU wollen und denjenigen, die sich am grossen slawischen Bruder Russland orientieren wollen. Durch die Proteste ist Mazedonien plötzlich zur Verhandlungsmasse zwischen Vladimir Putin und der EU geworden, obwohl das Land zuvor stark in Richtung EU ausgerichtet war. Diese Spaltung des Landes ist ein weiteres Erbe von Nikola Gruevski, unabhängig davon ob er Premier bleiben sollte oder nicht.

Zum Feiern ist es deshalb wohl noch zu früh. Ivana Jordanovksa hat für den «Balkanist» sehr schön beschrieben, wann sie feiern wird: «Gruevski kam am 5. Juli 2006 an die Macht. Ein paar Monate später wuchsen im Herzen Italiens einige Trauben, die zu einer Weinflasche wurden. Ich gedenke sie zu öffnen, wenn Gruevski engültig zurücktritt.»

Nächster Artikel