Warum so oft Betreibungsdaten in der Zeitung landen

Nach Sibel Arslan gerät erneut ein Basler Politiker in Bedrängnis, nachdem Betreibungen publik geworden sind. Der Missbrauch ist kaum zu verhindern, gleich 900 Beamte haben Zugriff auf die Daten. So viele, dass selbst die Staatsanwaltschaft aufgegeben hat.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Nach Sibel Arslan gerät erneut ein Basler Politiker in Bedrängnis, nachdem Betreibungen publik geworden sind. Der Missbrauch ist kaum zu verhindern, gleich 900 Beamte haben Zugriff auf die Daten. So viele, dass selbst die Staatsanwaltschaft aufgegeben hat.

Die Ermittler der Basler Staatsanwaltschaft waren zuversichtlich, als sie die Räume der Zentralen Informatikdienststelle (ZID) der Basler Verwaltung betraten. Sie verlangten die Herausgabe sämtlicher Zugriffsdaten auf das Dossier der BastA!-Grossrätin Sibel Arslan, um so zu eruieren, wie deren Betreibungsregisterauszug den Weg zur «bzbasel» gefunden hat.

Im Frühjahr 2013 hatte das Blatt über offene Schulden Arslans in der Höhe von 10’000 Franken berichtet. Das war einen Tag vor der Basler Bürgerratswahl, wofür Arslan kandidierte. Die gezielte Diskreditierung der Linkspolitikerin verfehlte ihre Wirkung nicht: Arslan schaffte die Wahl nicht.

Als Mittelsmann hat nach Recherchen der TagesWoche ein ehemaliger Bürgerrat fungiert. Der Angeschuldigte bestreitet auf Anfrage jede Verwicklung in den Fall. Er betont aber, dass es Arslan gewesen sei, die sich Verfehlungen geleistet hätte, nicht der Überbringer der Nachricht. 

Gefängnisstrafe droht

Würde der Mann seine Rolle im Komplott eingestehen, müsste er mit einem Strafverfahren rechnen. Eine Verletzung des Amtsgeheimnisses kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug geahndet werden.

Dasselbe gilt im zweiten Fall Arslan. Die «Basler Zeitung» publizierte letzten Herbst Betreibungsunterlagen der Grossrätin. Arslan sollte damals die Stelle als Leiterin des Straf- und Massnahmenvollzugs im Kanton Baselland antreten. Nach der Berichterstattung verlor sie die Stelle. Letzte Woche nun veröffentlichte dieselbe Zeitung Informationen aus dem Betreibungsregister des SVP-Grossrats Joël Thüring.

Dutzende Zugriffe auf sensible Daten

Immer wieder gelangen sensible Informationen über die Finanzlage von Politikern in die Medien. Wie schwierig es ist, die Urheber der Indiskretionen zu belangen, zeigt die Untersuchung der Staatsanwaltschaft im Fall Arslan. Die Ermittler verloren sich in den Datenbergen der ZID. Sie konnten den Kreis der Verdächtigen nicht auf eine praktikable Grösse reduzieren. Bei der Durchsicht der Zugriffe stellte man fest, dass Dutzende Beamte das Betreibungsregister von Sibel Arslan eingesehen hatten.

Gemäss Recherchen der TagesWoche haben über 900 Angestellte der kantonalen Verwaltung freien Zugriff auf Betreibungsunterlagen sämtlicher Bürger. Damit sind die Daten quasi-öffentlich. Wer Daten liest, kopiert und abzügelt, lässt sich bei dieser Anzahl nur mit viel Glück nachvollziehen. «Die Ermittlung der Täterschaft bei Amtsgeheimnisverletzungen gestaltet sich praxisgemäss sehr schwierig», räumt Peter Gill, Sprecher der Staatsanwaltschaft, ein.

Kaum Kontrollen

Gerhard Kuhn, Leiter des Betreibungs- und Konkursamts bestätigt diese Zahl. Sein Amt speist die Betreibungen in den Datenmarkt der ZID ein, einen gewaltigen Pool an persönlichen Informationen, auf den die Staatsangestellten je nach Berechtigung zugreifen können.

«Es ist viel effizienter, jenen freien Zugang zu gewähren, die regelmässig Betreibungsinformationen abrufen müssen, als wenn diese jeweils ein Gesuch stellen müssen», begründet Kuhn den breiten Zugang zu den sensiblen persönlichen Daten.

Ob die Kontrollinstrumente genügen, ist zweifelhaft: Während der Datenmarkt der ZID zumindest Leseaufrufe dokumentiert, registriert die Software des Betreibungsamts nach Informationen der TagesWoche nur Veränderungen an Datensätzen. Wer Daten weiterverbreiten will, kann das ungestört tun. Kuhn will sich dazu nicht äussern. Er lässt aber durchblicken, dass eine Kontrolle kaum möglich ist, da die Informationen grösstenteils auch auf Papier vorhanden sind und sich intern ohne Spuren zu erzeugen beschaffen lassen.

Staatsanwaltschaft bleibt untätig

Immerhin im ersten Fall Arslan 2013 steht keiner seiner Mitarbeiter in dringendem Verdacht, das Amtsgeheimnis verletzt zu haben: Der von der «bzbasel» veröffentlichte Auszug stammte aus dem Datenmarkt. Im Fall Thüring wird die Staatsanwaltschaft vorerst nicht tätig, «da keine amtlichen Dokumente abgedruckt worden sind» und keine Anzeige vorliege.

Nächster Artikel