«Was der Front National will, ist für das Elsass keine Option»

Basels Nachbargemeinde Huningue sticht aus dem vom Front National beherrschten Elsass heraus: Der Politiker und Unternehmer Patrick Striby macht hier erfolgreich Wahlkampf für Emmanuel Macron.

(Bild: Dirk Wetzel)

Basels Nachbargemeinde Huningue sticht aus dem vom Front National beherrschten Elsass heraus: Der Politiker und Unternehmer Patrick Striby macht hier erfolgreich Wahlkampf für Emmanuel Macron.

Ein Radfahrer überquert die Dreiländer-Brücke in Richtung Weil am Rhein, ein Mann mit schwarzem Mantel marschiert über den leeren Abbatucci-Platz im Herzen von Huningue und schreitet weiter zielstrebig die Hauptstrasse entlang. Auf seiner Nase sitzt eine schwarze Sonnenbrille, er steuert auf die Crêperie «O’Régal» zu. Dort nippen Gäste an ihrem Kaffee, plaudern, beissen in ihr Croissant.

Patrick Striby (48) betritt die Crêperie, begrüsst sofort die anderen Gäste, schüttelt Hände und lächelt. Er setzt sich an einen Tisch, bestellt einen Milchkaffee und erzählt von den Präsidentschaftswahlen. «Das Resultat ist erstaunlich für eine politische Bewegung, die im April 2016 noch völlig unbekannt war.»

Patrick Striby teilt seine Freude über den Einzug von Macron in die zweite Wahlrunde.

Patrick Striby teilt seine Freude über den Einzug von Macron in die zweite Wahlrunde. (Bild: Screenshot)

Dass Huningue, eine Gemeinde mit mehr als 7000 Einwohnerinnen und Einwohnern, gerade mit der Vergangenheit gebrochen hat, davon merkt man nichts. Zum ersten Mal gewann hier bei einer ersten Wahlrunde weder ein Rechts-Konservativer noch die Rechts-aussen-Kandidatin, sondern ein Shootingstar: Emmanuel Macron. Auf der Landkarte ist Huningue eines von wenigen «En Marche!»-Territorien im ansonsten vom Front National dominierten Elsass.

Aus vier Anhängern sind 2000 geworden

Seit September 2016 ist Striby bei dieser sogenannten «Bewegung» dabei. Als er dazustiess, gab es im Département Haut-Rhin lediglich vier Anhänger. Sie trafen sich in einer Pizzeria in Mulhouse, wälzten Ideen und legten den Grundstein, um «En Marche!» im Elsass stärker zu verankern. Mit Erfolg, denn heute zählt das Département an der Schweizer Grenze bereits 2000 Anhänger.

Trotz aller Begrifflichkeiten ist «En Marche!» letztlich doch wie eine klassische Partei in lokale Kommitees und regionale Sektionen unterteilt. Striby hat den Vorsitz in der Sektion Saint-Louis et Trois-Frontières. Der 48-Jährige ist in der lokalen Politik aber kein Unbekannter. Geprägt durch seinen Vater, der in Michelbach-le-Bas als Bürgermeister amtete, interessierte sich Striby bereits mit zwölf Jahren für Politik.

Als Anhänger von «En Marche!» will er nun nicht nur seine Gemeinde voranbringen, sondern das ganze Land. Warum der Front National im Elsass so stark ist, versteht er nicht. «Die Dörfer im Sundgau leben vom Austausch mit den deutschen und Schweizer Nachbarn», sagt Striby. «Was der Front National will, ist für das Elsass keine Option.»

Striby ist Unternehmer, verlegt in Basel das «HighClass Magazine» und steckt mitten im Aufbau eines Start-ups. Manchmal überquere er die Grenze sechs Mal am Tag, er sei kein Pro-Europäer aus ideologischen Gründen, sondern weil er hier lebe, weil er die europäische Realität, das Grenzgängertum, den Schengenraum lebe. «Wir brauchen eine Politik, die es den Unternehmen ermöglicht, vorwärtszukommen.» Diese verkörpere Macron.

Macron tritt für Europa ein, gilt als PR-Profi und hält sich mit Aussagen über sein politisches Programm geschickt zurück. In gesellschaftspolitischen Fragen gilt er als liberal, befürwortet die gleichgeschlechtliche Ehe und steht für die Gleichstellung von Frauen und Männern ein. Gleichzeitig will er staatliche Regulierungen abbauen, fährt einen wirtschaftsfreundlichen Kurs. Die «Wochenzeitung» verlieh ihm jüngst das Etikett «liberaler Populist».

Macron nimmt den Bus

Für die Medien bleibt es aber ein Rätsel, weshalb der 39-jährige Investmentbanker so erfolgreich ist. «Können diese Augen lügen?», titelte «Die Zeit» in einem Porträt über Macron und brachte seine Erfolgsformel auf einen einfachen Nenner: den verführerischen Blick. Es ist also bezeichnend, dass er nach dem Sieg in der ersten Wahlrunde vor seine Anhänger tritt, den tosenden Applaus geniesst und dem Publikum erst mal nur kokett zuzwinkert.

Eine Begegnung mit Emmanuel Macron hat auch bei Patrick Striby einen emotionalen Eindruck hinterlassen. Mit dem Sektionsbus fuhr er mit anderen Anhängern aus dem Elsass zu einer Veranstaltung von «En Marche!» ins rund 150 Kilometer entfernte Besançon.

Der Bus verspätete sich. Bis die Anhänger aus dem Elsass ankamen, war die Veranstaltung bereits zu Ende. Doch die Reise war nicht umsonst: «Macron stieg kurzerhand in den Bus ein und hielt eine spontane Rede», schwärmt Striby. Die Anhänger im Bus jubelten, grölten und feierten ihren Helden.

«Es war unglaublich», strahlt Striby.

Striby braucht noch einen langen Atem. Der Sieg der ersten Wahlrunde bedeutet für ihn ein Ausatmen, aber noch lange kein Durchatmen. Der Gewinn der ersten Wahlrunde war nur ein Etappensieg. «Jetzt beginnt die Mobilmachung wieder von vorne», sagt Striby. Der Strassenkampf mit dem Front National geht weiter, die Anhänger rund um Striby kleben nun erneut das strahlende Lächeln ihres Kandidaten an die Plakatwände im Sundgau. 

«Wir plakatieren bis zum 5. Mai um 12 Uhr nachts», sagt Striby angriffslustig. Und dann ist es vorbei, dann heisst es abwarten. Ob es Striby gelingen wird, noch weitere Gemeinden im Elsass für sich zu gewinnen, bleibt offen. Zumindest die landesweiten Umfragen sagen Macron jetzt schon einen Sieg voraus.

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