Was die Enthüllungen aus den USA mit uns zu tun haben

In den USA stellt sich heraus, dass der Geheimdienst von Millionen von Internet- und Telefonnutzern Daten sammelt. Und auch in der Schweiz soll die Überwachung ausgeweitet werden.

Im Computer, am Handy: In den USA lesen und hören die Überwacher jetzt schon mit. Und auch in der Schweiz wollen sie mehr Möglichkeiten. (Bild: Michael Birchmeier)

In den USA stellt sich heraus, dass der Geheimdienst von Millionen von Internet- und Telefonnutzern Daten sammelt. Und auch in der Schweiz beginnt jetzt eine Debatte über die Überwachung des Telefon- und E-Mail-Verkehrs.

Der US-Geheimdienst NSA und die Bundespolizei FBI zapfen laut «Washington Post» die zentralen Rechner grosser Internet-Firmen an – mit deren Zustimmung. So verschaffen sie sich unter anderem Zugang zu Videos, Fotos, E-Mails, Dokumenten und Kontaktdaten.

Dem Bericht zufolge trägt das bisher geheime Programm den Code-Namen PRISM 2007. Es habe sich im Laufe der Zeit massiv ausgeweitet. Papiere, die für die täglichen Briefings des Präsidenten vorbereitet würden, stützten sich mittlerweile grösstenteils auf Erkenntnisse aus diesem Programm.

Die «Washington Post» beruft sich bei ihren Angaben auf eine interne Programm-Präsentation für leitende NSA-Analysten. Dazu gehörten Dia, die der Zeitung zugespielt worden seien. Den Angaben zufolge geht daraus hervor, welche Internet-Firmen sich beteiligten: Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, PalTalk, AOL, Skype, YouTube und Apple.

Am Tag zuvor gab US-Präsident Barack Obama bekannt, dass die NSA systematisch Telefondaten von Privatkunden des US-Telekom-Konzerns Verizon sammelt und auswertet.

Der Streit ums «Büpf»

In der Schweiz dreht sich die Debatte um die Internet- und Telefonüberwachung noch um eher abstrakte Fragen. Doch auch hier nimmt sie Schwung auf – wegen der laufenden Revision des so genannten «Büpf», des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmelde­verkehrs». Die geplanten Änderungen würden ebenfalls stark in die Privatsphäre eingreifen. Geht es nach dem Bundesrat, sollen die Strafver­folger Trojaner auf den Computern von Verdächtigen installieren dürfen. Die Behörden werden verschlüsselte Mails lesen und Internettelefonate mithören können.

Hinzu kommt, dass künftig auch die sogenannten Verbindungs- und Randdaten von Telefon- und E-Mail-Verkehr doppelt so lange wie bisher aufbewahrt werden sollen – 12 Monate. Diese Daten werden bei jedem Telefon­gespräch, bei jedem E-Mail-Austausch von jedem Bürger gespeichert. Darauf zurückgegriffen ­werden soll aber nur im Verdachtsfall, auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach einem richter­lichen Beschluss.

Piraten mit Links gegen Rechts

Gegen den staatlichen «Lauschangriff» gehen derzeit nur die Piratenpartei und einzelne Politiker aus dem rot-grünen Lager auf die Barrika­den. Mit mässigem Erfolg: Bis heute sind erst rund 6’500 Unterschriften für die Piraten-Petition «Nein zum Überwachungsstaat!» zusammengekommen. Die aufkommende Debatte wird wohl entlang der üblichen ideologischen Gräben geführt werden. Die Bürger­li­chen, die in Finanzfragen auf Diskretion pochen, werden für die Verschär­fung der Internetüberwachung votieren. Die Linke, der das Bankgeheimnis seit jeher ein Dorn im Auge ist, wird gegen eine Verschärfung der Datenüberwachung kämpfen. Die Revision des Büpf wird allerdings kaum aufzuhalten sein. Oder höchstens noch an der Urne. In der Piratenpartei denkt man jedenfalls bereits an ein Referendum.

«Wie in einer Diktatur.»

Dafür gäbe es auch gute Gründe, wie die Titelgeschichte unserer Printausgabe zeigt. Telekommunikationsunternehmen beklagen sich darin über die Millionenausgaben, die mit der Ausdehnung der Überwachung auf sie zukommen. Oder besser gesagt auf ihre Kundinnen und Kunden. Denn auf sie werden die Kosten voraussichtlich abgewälzt. Dann gibt es auch ganz grundsätzlichen Vorbehalte. Computerspezialisten sprechen von einer pauschalen Verdächtigung aller Bürgerinnen und Bürger und einer hohen Missbrauchsgefahr.

Diese Position wird in unserer Wochendebatte zum Thema von Denis Simonet vertreten, einem Vorstandsmitglied der Piratenpartei. Er kann nicht verstehen, warum in einer Demokratie der gesamte Telefon- und E-Mail-Verkehr überwacht wird. Das Büpf sei ein Gesetz, das möglicherweise in eine Diktatur passe, aber keinesfalls in eine Demokratie, schreibt er.

Die Gegenposition vertritt Patrick Rohner vom Bundesamt für Justiz. «Offenbar haben noch nicht alle verstanden, dass es im Büpf nicht um präventive Überwachung geht, sondern um ein effizientes und gesetzlich klar definiertes Vorgehen zur Aufklärung von Straftaten», schreibt er. Damit hat die Debatte angefangen, die im Herbst im Bundesparlament entschieden wird. Oder möglicherweise auch erst später an der Urne.

Bei uns können Sie jetzt schon mitdiskutieren und abstimmen.

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