Was Economiesuisse nicht zeigen will

Die Wirtschaftslobby will den Anti-Minder-Film «Grounding 2026» von «Sennentuntschi»-Regisseur Michael Steiner nicht ausstrahlen. Die WOZ veröffentlicht dafür das Storyboard zum Film. Mit freundlicher Genehmigung der WOZ wird die Geschichte auch auf unserer Website publiziert.

«Aber alles ist zerfallen oder zerstört.» Ausschnitt aus dem Storyboard für den Abzocker-Film von Michael Steiner.

Die Wirtschaftslobby will den Anti-Minder-Film «Grounding 2026» von «Sennentuntschi»-Regisseur Michael Steiner nicht ausstrahlen. Die WOZ veröffentlicht dafür das Storyboard zum Film. Mit freundlicher Genehmigung der WOZ wird die Geschichte auch auf unserer Website publiziert.

Der Regisseur Michael Steiner hat ein seltenes Talent: Er macht Schlagzeilen mit Filmen, die niemand gesehen hat. Seit bald einem Monat wird über einen rund dreiminütigen Kurzfilm («Grounding 2026») diskutiert, den Steiner im Auftrag der Wirtschaftslobby Economiesuisse gegen Thomas Minders Abzockerinitiative in Budapest gedreht hat. Bis zu 300’000 Franken soll der Streifen gekostet haben. Der Plot des Films ist in groben Zügen bekannt geworden, gesehen haben ihn bisher aber nur Vertreter der Economiesuisse und einzelne Parlamentarier. Nach ­einer Kontroverse innerhalb der Economiesuisse über Sinn und Nützlichkeit des «Angstmacher-Films» («Der Sonntag») verzichtet der Wirtschaftsdachverband auf die Veröffentlichung.

Zwischenfall mit «Flüchtlingspedalo»

Doch jetzt liefert das Storyboard des Kurzfilms, das der WOZ vorliegt, einen detaillierten Einblick in den Film der Economiesuisse. In der Filmskizze wird eine apokalyptische Zukunft nach einer allfälligen Annahme der Minder-Initiative in dreissig Szenen beschrieben.

Aufgemacht ist der rund dreiminütige Film «Grounding 2026» als Nachrichtensendung eines deutschen Fernsehsenders im Jahr 2026. Im Storyboard heisst es: «Suchscheinwerfer leuchten suchend in den Rhein, eine fliegende Kamera erfasst die Brücke, darauf strömen in Lumpen gehüllte Menschen auf die andere Seite. Aufgrund der Kleidung erkennen wir, dass es sich bei den Menschen um Schweizer Bürger handeln muss.» Die Schweizer schieben ihr letztes bisschen Eigentum über die Brücke, wo «High-Tech-Bundeswehr-Soldaten» die Flüchtlinge in Empfang nehmen. Ein deutscher Reporter sagt in die Kamera, auf dem Rhein sei es schon wieder «zu einem Zwischenfall mit einem Schweizer Flüchtlingspedalo» gekommen; nach zwanzig Flüchtlingen, die mit «Schlepperbanden illegal ans deutsche Rheinufer» gelangen wollten, werde «fieberhaft weitergesucht».

So geht es weiter in Steiners Abzockerapokalypse: Der Reporter «Herr Preuss» reicht einer hungernden Frau ein Sandwich, schaltet rüber zur Reporterin Ute Schmidt, «die es als erste Reporterin nach Bern geschafft hat» und von dort aus über die Befreiung der Hauptstadt durch Uno-Truppen berichtet – im Hintergrund «die eingestürzte Kuppel des Schweizer Bundeshauses». Zürich wird derweil von «kriminellen Gangs in Schach» gehalten, die Lu­zer­ner­ haben «die Kappelerbrücke (sic!) zerlegt und als Brennholz verwendet», und in Genf «sprüht» der Jet d’eau «in den Farben der Trikolore», weil sich die Romandie im Jahr 2018 Frank­reich angeschlossen und mit einer Grenzmauer entlang dem Röstigraben, der «mur ­pommes de ­terre brulées», von der Restschweiz abgekoppelt hat. Schnitt. Reporter Preuss besucht ein Flüchtlingslager, wo der Schweizer Flüchtling Markus Lüdi gesteht, er habe 2013 auch Thomas Minders Abzockerinitiative zugestimmt. «Aus lauter Neid.» Und dann sei alles schnell gegangen, «alle Firmen» hätten das Land verlassen, «Job weg, Staatsbankrott, Krawall».

«Zuerst Türken, jetzt Schweizer»

«Nein zur Abzocker-Initiative», heisst es darauf auf einer Texttafel, und auf einer zweiten: «Es trifft die Falschen! Bitte informieren Sie sich.» Dann folgen die Schlussszenen, deutsche DemonstrantInnen rufen: «Wir haben genug von den Schmarotzer-Schweizern», «Zuerst die Türken, die Polen, die Griechen und jetzt die Schweizer. Hört das denn nie auf?»

Michael Steiner sagte kürzlich in einem Interview, er finde es «schade, dass nun über etwas gesprochen wird, was vielleicht niemand zu sehen kriegt». Das finden wir auch. Deshalb gibt es das Storyboard jetzt auf der Website der WOZ und auf der Rückseite dieses Artikels zum Download.

Quellen

Der Text und das Storyboard auf der Website der WOZ.

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