Was kommt nach Assad?

Alle Beobachter sind sich einig, dass das Regime abdanken muss. Zweifel sind allerdings angebracht, ob die Nachbarstaaten die Kraft haben, eine stabile und vereinte Nation nach Assad zu schaffen.

Die syrische «freie» Armee kämpft gegen das Assad-Regime. Die Frage bleibt aber: Was kommt nach dem Kampf? (Bild: Turkpix)

Alle Beobachter sind sich einig, dass das Regime abdanken muss. Zweifel sind allerdings angebracht, ob die Nachbarstaaten die Kraft haben, eine stabile und vereinte Nation nach Assad zu schaffen. 

In Syrien beschleunigt sich der Lauf der Ereignisse. Die Frage ist nur: In welche Richtung? Die Ermordung führender Köpfe des Sicherheitsapparates in der vergangenen Woche war ein schwerer Schlag für das Regime. Der Erfolg hob die Moral im Oppositionslager. Weitere Gruppen schlossen sich dem Kampf an und «befreiten» verschiedene Städte und Grenzübergänge.

Aber die reguläre Armee und die Assad zugetanen Schabiha-Milizen sind nach wie vor stark. Es sieht so aus, als wollten beide Seiten die Sache bis zum bitteren Ende ausfechten. Wird die Armee Assad, seinem Bruder Maher und seinen Vettern Hafez und Rami Makhlouf weiter die Treue halten? Oder ist es möglich, einen Waffenstillstand zwischen der regulären und der «freien» Armee auszuhandeln, mit oder ohne der Hilfe internationaler Vermittler?

Kurden bilden Milizen

Einem solchen im Wege stehen könnten sowohl die Schabiha, die auf Stammes- und Gemeindeebene rekrutiert werden, als auch solche Oppositionsgruppen, die es nach Rache verlangt, die einer an Al-Qaida orientierten Ideologie anhängen oder von regionalen Mächten unterstützt werden. Sie könnten Syrien in eine Spirale der Gewalt führen, die die Zahl der Todesopfer der vergangenen 16 Monate weit übersteigt und zu einer Zersplitterung des Landes auf Grundlage örtlicher Vorherrschaft führt. Bereits jetzt kommt es zu ethnischen Racheakten wie der jüngsten Ermordung von Schiiten in Saida Zeinab.

Auch die Situation der Kurden im Nordosten Syriens ist beispielhaft. Bislang kam es dort zu wesentlich weniger zu Gewalt. Jetzt aber bilden sich kurdische Milizen gebildet, deren Forderungen nach Selbstbestimmung schwer mit dem Ruf nach einem geeinten Syrien mit gleichen Rechten für alle unter einen Hut zu bringen sein werden.

Den Übergang planen

Das Genfer Abkommen zu Syrien vom 30. Juni hätte den Konfrontationskurs der Großmächte eigentlich beenden und den Druck auf die Regionalmächte erhöhen sollen, einen reibungsarmen Übergang zu ermöglichen. Aber erstaunlicherweise haben sich die USA für eine Eskalation entschlossen und einen Tag nach der Tötung der Sicherheitschefs in Damaskus im Sicherheitsrat die Verhängung von Sanktionen nach Kapitel VII gefordert, obwohl der syrische Staat bereits dabei ist zu kollabieren. Und klar war, dass der Antrag keine Chance hatte, angenommen zu werden und China und Russland ihr Veto einlegen würden.

Natürlich könnte die russische Position so verstanden werden, dass man Syrien lieber als Verbündeten verliert, als den Eindruck zu erwecken, man lasse es fallen. Sie könnte aber auch bedeuten, dass man sich in Moskau eine entscheidende Rolle im Rahmen einer internationalen Friedenstruppe ausrechnet. Die könnte notwendig sein, um zu verhindern, dass es nach dem Zusammenbruch der staatlichen Institutionen zu einem Bürgerkrieg kommt. Die Russen wissen ebenso gut wie die Amerikaner, dass die Tage des syrischen Regimes gezählt sind und Assad gehen muss. Die politische Opposition war sich darin auf der Konferenz einig, die jüngst in Kairo stattfand. Die Frage ist jetzt: Was kommt danach?

Iran und Hisbollah sind zu Feinden geworden

Sind die USA wirklich an einem stabilen und vereinten Syrien interessiert und wenn ja, verfügen sie über die Mittel, durch die Regionalmächte Katar, Saudi Arabien und die Türkei auf einen solchen Zustand hinzuwirken? Ein großer Teil der Bevölkerung hat mit Assad gebrochen. Mittlerweile sind sogar Forderungen vorstellbar, die Türkei oder Israel solle helfen, um Assad endlich los zu werden, während der Iran und die Hisbollah in den Köpfen der Menschen aus strategischen Verbündeten zu Feinden geworden sind.

Werden sich aber die Emire in Katar und Saudi Arabien sowie die AKP in der Türkei mit dem Abgang Assads zufrieden geben? Oder wollen sie mehr? Könnten sie ein vereintes Syrien akzeptieren, das nur auf der Grundlage eines säkularen Staates mit gleichen Staatsbürgerrechten für alle möglich wäre? Würden sie einen solchen Staat akzeptieren, stark, demokratisch und frei, auch wenn dazu eine lange Phase des Übergangs notwendig wäre? Das bleibt nach wie vor unklar.

Copyright: Guardian News & Media Ltd 2012; Übersetzung: Holger Hutt, freitag.de

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