Was läuft da eigentlich in Polen? Eine Analyse

Die Kaczynski-Partei PiS baut den Staat mit ideologisch getriebener Wucht und allen zur Verfügung stehenden Machtmitteln um. Kritiker sehen dabei «faschistisches Gedankengut» als Grundlage.

Poland's Foreign Minister Witold Waszczykowski speaks during an interview with Reuters in Warsaw, Poland December 30, 2015. Poland's new conservative government will stick to its predecessor's commitment to take in about 7,000 migrants despite the objections it raised when it was in opposition, Waszczykowski said. REUTERS/Kacper Pempel

(Bild: KACPER PEMPEL)

Die Kaczynski-Partei PiS baut den Staat mit ideologisch getriebener Wucht und allen zur Verfügung stehenden Machtmitteln um. Kritiker sehen dabei «faschistisches Gedankengut» als Grundlage.

Polens neue Rechtsregierung kennt weder Zögern noch Zaudern und erst recht kein Zurück. Die jüngste Kritik der EU-Kommission am umstrittenen, als demokratisch fragwürdig eingestuften Kurs der nationalistischen PiS-Partei war noch nicht verklungen, da legte Ministerpräsidentin Beata Szydlo nach. Bis zum Sommer werde die Regierung «die Sanierung des Staates und seiner Institutionen abschliessen», berichtete die Zeitung «Rzeczpospolita».

Was Szydlo und andere Führungsfiguren der PiS, die seit November in Warschau regiert, mit «Sanierung» meinen und wie sie denken, daraus machen sie keinen Hehl. Polen sei ein «katholisches Land der Patrioten», sagt der übermächtige PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski. Liberale, Linke und Ausländer haben in diesem Polen keinen Platz, wie PiS-Aussenminister Witold Waszczykowski erläutert: «Die Welt muss sich nicht in eine Richtung bewegen, hin zu einem Mix von Kulturen und Rassen, hin zu einer Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen.»

Von den Nachbarn in Europa, insbesondere von Deutschland, verlangt Waszczykoswki «mehr Verständnis». Die PiS arbeite sich an den «marxistischen» Fehlern der Vorgängerregierung ab. Kaczynski hat angekündigt: «Wir werden den Staat von diesen alten Kräften säubern.» Die Partei macht auch kein Geheimnis daraus, auf welcher Grundlage dies geschehen soll. Die zentrale Leitlinie formulierte der angesehene PiS-Abgeordnete Kornel Morawiecki. Vor dem Sejm erklärte der 74-Jährige: «Das Wohl und der Wille des Volkes stehen über dem Recht.»

Anti-government protest in Poznan, Poland December 19, 2015. REUTERS/Piotr Skornicki/Agencja Gazeta THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS. POLAND OUT. NO COMMERCIAL OR EDITORIAL SALES IN POLAND.

Eine zersplitterte Opposition, wie es sie derzeit in Polen gibt, liesse sich auf diese Weise leicht besiegen. Umso wichtiger ist die Frage, ob sich eine machtvolle Bürgerbewegung gegen die PiS bilden kann. Im alten Jahr hatten sich zunächst ehemalige Präsidenten des Verfassungsgerichts wie Jerzy Stepien empört und die «Sanierungsgesetze» der PiS als «versuchten Staatsstreich» kritisiert. Mehrere Chefredakteure der betroffenen Staatsmedien traten zum Zeichen des Protests zurück. Vor Weihnachten gingen zudem landesweit Zehntausende auf die Strasse, um gegen die Regierungspolitik zu demonstrieren.

Die PiS zeigt sich von all dem unbeeindruckt. Kaczynski nennt seine Gegner «schlechte Polen». Aussenminister Waszczykowski bezeichnet die EU-Kommissare als «Beamte, die durch politische Beziehungen ins Amt gekommen sind». Und was die Medien betrifft, so sagen PiS-Politiker unverblümt: «Die Regierung braucht ein Sprachrohr, über das sie das Volk direkt erreichen kann.»

Ein wichtiges Sprachrohr hat die PiS seit Langem in dem fundamentalkatholischen Sender «Radio Maryja» gefunden. Nach seinem Wahlsieg dankte Kaczynski den Programmmachern ausdrücklich für ihre Unterstützung. Und so schliesst sich der Kreis national-katholischer Ideologie und praktischer Machtpolitik. Die EU-Kommission wird sich vor diesem Hintergrund bei ihrer Polen-Debatte in der kommenden Woche genau überlegen müssen, wie sie mit dem neuen Problemstaat im Osten umgehen will.

Nächster Artikel