Weit und breit nichts, was das Auge freut

Das Gebiet nordwestlich des Bahnhofs SBB ist eine städtebauliche Wüste. Doch es besteht keine Absicht, dies endlich zu ändern.

Die Markthalle hat etwas Staub angesetzt. Architektin Barbara Buser hat sich das sportliche Ziel gesetzt, dies zu ändern und die Halle zu einem Ort zu machen, «wohin sich der Umweg lohnt.» (Bild: Livio Marc Stöckli)

Das Gebiet nordwestlich des Bahnhofs SBB ist eine städtebauliche Wüste. Doch es besteht keine Absicht, dies endlich zu ändern.

Am Eingang zur Markthalle werden die Scheiben geputzt. Das ist nicht nötig, weil sich dort die zahlreichen Besucher gegenseitig die Klinke in die Hand geben und Schaulustige ihre Gesichter an den Gläsern plattdrücken, sondern weil die Einrichtung – derart unbenutzt – Staub ansetzt. Die Halle selbst ist leer; seit die Läden dichtgemacht haben noch leerer, als man sie bislang kannte.

Barbara Buser hat sich und ihrem Team ein ambitioniertes Ziel gesteckt: Sie will aus der architektonisch zwar hochinteressanten, ansonsten jedoch hauptsächlich öden Markhalle einen Ort machen, «der den Umweg lohnt». Die Architektin hat vor einigen Wochen von der Inhaberin der Markthalle den Auftrag bekommen, diese umzunutzen, nachdem das vorherige Konzept eines Einkaufszentrums gründlich misslungen ist.

Buser ist sich bewusst, dass die Markthalle alles andere als gut ge­legen ist. Attraktiv am Gebiet im ­ Nordwesten des Bahnhofs, zwischen Heuwaage, Margarethenbrücke und Viadukt, ist höchstens die Erschlies­sung durch den öffentlichen Verkehr. «Die ganze Situation hier ist vom Verkehr bestimmt, von Autos und Trams», sagt Buser. Sie würde sich wünschen, dass diese Ecke der Stadt auch für Fussgänger und Velofahrer attraktiver würde. Aus diesem Grund ist Buser Mitglied des «Unterstützungskomitees für den Central Park Basel» geworden.

«Der Central Park würde diese Gegend erheblich aufwerten.»

«Natürlich würde ein begrünter Deckel diesen Teil der Stadt erheblich aufwerten», sagt Buser. Gäbe es vom Gundeli und Bruderholz her mehr Möglichkeiten, mit dem Velo oder zu Fuss in die Stadt zu gelangen, hätte dies definitv positive Auswirkungen auf die Markthalle und alle anderen Geschäfte in dieser Gegend, ist die Architektin überzeugt. Zu den Passanten von und zum Bahnhof würden sich so die Anwohner des grössten Basler Quartiers gesellen. «Wir Gundelianer wünschen uns, seit es dieses Quartier gibt, einen grosszügigen oberirdischen Anschluss an die Innenstadt», sagt Buser.

Der Blick aus der Markthalle hinaus ist auch nicht geeignet, die Trostlosigkeit zu vertreiben. Traurige Geschäftshäuser ragen in den Himmel, so inspirierend wie angestaubte Topfpflanzen aus Plastik. Kaum Menschen die passieren, nur Autos fahren zügig vorbei in alle Richtungen. Hier hält nur, wer nicht anders kann.

Oder wer sein Gefährt im Elisabethenparking unterbringt. Von dort führt ein Aufzug direkt zu einer Passerelle, die wohl nur kennt, wer Anhänger des FCB ist oder sich ein Nagetier hält. Die «Centralbahn-Passage» beherbergt unter anderem mehrere tamilische Läden, den FCB-Fanshop und eine Tierhandlung. Und natürlich ist dort auch noch diese Rolltreppe, die schon lange nicht mehr rollt.

Egal wie hell draussen die Sonne scheint, hier unten ist es dunkel, schmuddelig und wenig einladend. Wäre an diesem Tag nicht gerade Verkaufsstart für die Tickets der Cham­pions League, wir würden wohl kaum jemanden antreffen. Das Internetcafé ist gerade offline, viele Schaufenster sind mit Papier zugeklebt.

Wer hier auf Laufkundschaft angewiesen ist, darbt vor sich hin.

Für die meisten Geschäfte an dieser Adresse ist die Lage ungünstig. Vor allem, wer auf Laufkundschaft angewiesen ist, darbt vor sich hin. Gastronomiebetriebe wie etwa das «Flügelrad» wären froh, wenn die Passage ihrem Namen gerecht würde. Die Restaurationsfläche der Pizzeria ist riesig und bietet sowohl in der Passage als auch zur Strasse hin Aussensitzplätze. In einem herzzerreissenden Versuch, etwas heimelige Gastlichkeit zu schaffen, sind die Tische auf der Strassenseite mit Zierpflanzen abgeschirmt, die ihrerseits schon bessere Tage gesehen haben.

Der Inhaber des Restaurants, Bilal Karaca, sagt geradeheraus, dass sein Geschäft nicht besonders gut laufe. Einzig über den Mittag profitiert Karaca von den umliegenden Bürogebäuden oder vom Bildungsinstitut NSH im gleichen Haus. «Am Abend haben wir praktisch keine Gäste», sagt der Gastronom. Er könne sich sehr gut vorstellen, dass ein Projekt wie der Central Park dazu führen würde, dass auch nach Feierabend Leute das «Flügelrad» besuchen würden, sagt Karaca.

Das Geschäft läuft so schlecht, dass an Wegzug gedacht wird

Über mangelnde Kunden klagt auch Ravi Arulanandam, Inhaber des tamilischen Kleidergeschäfts SP Tex­tilien. Die Anzahl seiner Kunden sei derart zurückgegangen, dass er sich nun überlege, wegzuziehen. Er habe auch schon ein Lokal im Auge – an der Güterstrasse. Für ihn käme eine Parkanlage über den Gleisen zwar zu spät, aber er ist überzeugt davon, dass die anderen Geschäfts­inhaber von einem solchen Projekt nur profitieren würden.

Weniger zu kämpfen hat das Musikgeschäft Musix. Auf zwei Etagen reihen sich hier Gitarren und andere Instrumente aneinander, Dinge die man wohl nicht spontan einkauft. «Wir leben hauptsächlich von Stammkundschaft und Leuten, die uns gezielt aufsuchen», sagt Marius Buner, der hinter dem Verkaufstresen steht. Der Park über den Gleisen würde aus seiner Sicht am Geschäftsgang wohl wenig ändern. Ohne Nutzen wäre der Central Park aber auch für ihn nicht: «Es wäre toll, in den Pausen etwas im Grünen sitzen zu können.»

Wen man auch fragt, alle sind sich einig, dass das Gebiet nordwestlich des Bahnhofs SBB unattraktiv sei und kaum Menschen anlocke. Eine stadtplanerische Wüste, sich selbst überlassen, unfruchtbar. Und dies trotz Zentrumsnähe und guter Erreichbarkeit; zwei Schlüsselfaktoren, um ein Gebiet zu beleben.

«Es gibt keine Pläne, dieses Gebiet zu entwickeln.»

Eine Nachfrage beim Basler Bau- und Verkehrsdepartement zeigt jedoch, dass in der Verwaltung weder Pläne noch Absichten bestehen, das Potenzial dieses Ortes auszuschöpfen. Departementssprecher Marc Keller sagt: «Es gibt keinen übergeordneten Plan zur Entwicklung dieses Gebietes.» Es befinde sich dort allerdings auch nicht mehr viel im Besitz des Kantons, gibt Keller zu bedenken.

Fragen nach dem Aufwertungs­potenzial des Central Park mag Keller nicht beantworten. «Der Park ist nicht realisierbar, also ergeben solche Diskussionen keinen Sinn.» Zwar greife das Projekt viele berechtigte Anliegen wie die Anbindung des Gundeldinger Quartiers oder die übernutzte Passerelle auf, sagt der Departementssprecher, die Umsetzung jedoch sei schlecht. «Aus­serdem wäre die Ausstrahlung eines solchen Parkes in Richtung Stadt bescheiden.» Dies entkräfte das Argument der aufwertenden Wirkung aus stadtplanerischer Sicht.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 06.09.13

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