Die Anbindung an das Verkehrsnetz, die Verbauung und die Trägheit der Politik: In Riehen kommen die Menschen erst in zweiter Linie auf das zu sprechen, was ihnen nicht gefällt. «Probleme» scheint es kaum zu geben, höchstens Verbesserungsvorschläge. Doch diese sind häufig nur sehr zäh umzusetzen.
Fast scheint es, als ob die Probleme, die man in Riehen hat, mit der Gemeinde selbst nur am Rande etwas zu tun haben. Am häufigsten haben wir auf unserer Exkursion ins samstägliche Herz der grossen Basler Stadtgemeinde zu hören bekommen, dass die Anbindung ans öffentliche Fernverkehrsnetz nicht genügt. Die S-Bahn (vielfach auch lobend erwähnt, auch wegen des zweiten Halts im Niederholzquartier) fahre nur jede halbe Stunde und dann auch noch so, dass man im Badischen Bahnhof lange steht und im Bahnhof SBB meistens die Schnell- und Intercityzüge gerade verpasse. Dafür schätzen alle durchs Band das Ruftaxi, welches Spätheimkehrer von der Tramstation nach Hause bringt.
Der Schuh scheint wenig zu drücken in Riehen – oder wenn, dann alle an einem anderen Ort. Die Verbauung der letzten Landreserven und alter Liegenschaften mit ebenso profitablen wie hässlichen Neubauten wurde mehrfach erwähnt. Oder die nicht zu leugnende Tatsache, dass die Vorort-Stadt ein eher höheres Durchschnittssalter aufweisen dürfte: «Das ist ein Altersheim», zitierte ein Paar seinen 18-jährigen Sohn.
Wenig neue junge Familien
Dabei scheint die Gemeinde mit dem vielen Grün massive Anziehungskraft auf junge Familien zu haben: «Die Schulwege sind ungefährlich», «Kinder und Teenager haben im Niederholz ausreichend Angebote, so dass sie nicht einmal in die Stadt fahren für die Freizeitbeschäftigung», war zu hören. Und mehrere dieser jungen Familien outen sich als Rückkehrer. Aufgewachsen in Riehen, kaum volljährig von der Schlafgemeinde möglichst rasch in die Stadt gezogen und jetzt wieder mit Kind und Kegel zurückgekehrt. Und ja, Auswärtige nicht vermögende Familien hätten es schwer in Riehen, überhaupt an ein Haus zu kommen, sagen die Rückkehrer. Alte Häuser würden meist in der Familie bleiben. Viele Neubauten seien für Familien aus dem Mittelstand, die Leben ins Dorf bringen würden, oft nicht erschwinglich.
Das emsige Treiben an einem Samstagmorgen mitten im Dorfkern – mit dem die Schmiedgasse allerdings den Kirchplatz künstlich abgelöst hat wegen der Geschäfte in der kleinen «Fussgängerzone» beim Webergässchen – täusche darüber hinweg, dass nach siebzehn Uhr nichts mehr los sei. «Die Trottoirs werden hochgeklappt», klagt ein jüngerer Einwohner, es mangle an Treffpunkten und Cafés wie dem kürzlich geschlossenen «Siebenpfund», sagen andere. Bemühungen, mit mehr als dem gelegentlichen Markt und Vereinsveranstaltungen die Leute ins Dorf zu holen zum Austausch, seien zwar vorhanden, aber in einem zähen Fluss. Und wenn dann einmal im Dorfzentrum Kultur stattfinde, etwa mit Konzerten der Jugendmusikschule im Singeisenhof, sei um 22 Uhr Schluss. Nachtruhe. Das finden mehrere etwas engstirnig.
Wer zu satt ist, wird träge
Das ist die Kehrseite der Medaille, deren glänzende Seite, «mitten im Grünen, sicher, sauber, überschaubar und nicht so anonym wie die Stadt», erst bei sehr genauem Hinsehen der stumpferen Seite Platz macht: träge, langsam, satt und unbeweglich. Die Schmiedgasse selber zur Fussgängerzone zu machen, wäre eine solche Veränderung, aber nur schon der Versuch, den dortigen Veloparkplatz zu überdachen, sei seit Jahren hängig. Regelmässig scheiterten entsprechende Vorstösse im Einwohnerrat, erzählen die zwei Einwohnerrätinnen Franziska Roth (SP) und Marianne Hazenkamp (Grüne).
Wem es gut geht, der hat wenig Anlass zu klagen oder gar Dinge zu verändern: Das scheint einer der wenigen Kritikpunkte jener zu sein, die Riehen weiter bewegen möchten. «Ich wünsche mir, dass wir in Riehen mehr Mut hätten für Veränderungen und nicht einfach verharren», sagt eine Einwohnerin. Auch wenn sie, wie all die anderen, betont, das sei «Klagen auf sehr hohem Niveau».