Wenn das Ferienparadies plötzlich politisch zwischen die Fronten kommt

Die Ukraine-Krise wirft ihren Schatten auf Montenegro. Die Regierung möchte möglichst bald Mitglied der Nato und EU werden und trägt die Sanktionen gegen Russland mit. Dabei ist die kleine Adriarepublik wirtschaftlich auf russische Touristen angewiesen.

Montenegro lebt von Russen und Serben: Ein Paradies ist die Adriarepublik aber auch für Taucher, wie hier bei der Insel Heiliger Sonntag. (Bild: Krsto Lazarevic)

Die Ukraine-Krise wirft ihren Schatten auf Montenegro. Die Regierung möchte möglichst bald Mitglied der Nato und EU werden und trägt die Sanktionen gegen Russland mit. Dabei ist die kleine Adriarepublik wirtschaftlich auf russische Touristen angewiesen.

Ein Mann steht am Strand von Petrovac am offenen Kofferraum seines alten VW Passat und bietet lautstark auf Russisch Snacks und Getränke an. Die 600 Meter Sandstrand, die sich vom römischen Kastell bis zu nächsten Erhöhung erstrecken, sind voller russischer Touristen, die in der Sonne liegen. Sie bevölkern auch die Bars und Restaurants, die sich die meisten Einheimischen kaum leisten können. Petrovac ist als einer der ruhigeren Ferienorte in Montenegro bekannt. Wer hierher an die Adriaküste kommt, sucht die Schönheit der Natur und eine Ruhe, die es in Moskau nicht gibt.



Der Strand in Petrovac. Die Stadt an der Küste von Montenegro ist ein beliebtes Reiseziel für gutbetuchte Russen.

Der Strand in Petrovac. Die Stadt an der Küste von Montenegro ist ein beliebtes Reiseziel für gutbetuchte Russen. (Bild: Krsto Lazarevic) (Bild: Krsto Lazarevic)

Mehr als 20 Prozent des montenegrinischen Bruttoinlandsprodukts werden im Tourismus erwirtschaftet, 721 Millionen Euro waren es im Jahr 2013. Zwar sind die serbischen Touristen quantitativ die grösste Touristengruppe, aber die Russen bringen die meisten Devisen. Laut lokalen Statistiken kamen 2013 mehr als 300’000 russische Touristen in das nur 625’000 Einwohner zählende Land, das seit 2006 von Serbien unabhängig ist.

Manche Experten schätzen, dass weit über ein Drittel des privaten Immobilienbesitzes in russischen Händen liegt. Montenegro ist auf das Geld aus Russland angewiesen – das wird deutlich, wenn man ins Hinterland fährt, abseits der renovierten Urlaubsorte an den Küsten, wo die Armut immer noch allgegenwärtig ist.

Petrovac ist ein besonders beliebter Reiseort für wohlbetuchte Russen. Mirko Milanovic arbeitet im Hotel Rivijera in Petrovac in der Gastronomie. Seine Frau ist Russin und arbeitet im Schönheitssalon des Hotels. Auf Russischkenntnisse beim Personal wird in dem Hotel grosser Wert gelegt, und Milanovic weiss auch warum: «85 Prozent unserer Gäste sind russischsprachig. Die gemeinsame slawische Geschichte und die christlich-orthodoxe Religion verbinden unsere Völker. Die Ukraine-Krise beunruhigt uns alle, trotzdem halte ich nichts davon, dass Montenegro die Sanktionen gegen Russland unterstützt.»



Mirko Milanovic arbeitet im Hotel Rivijera in Petrovac in der Gastronomie. Die Stadt an der K�ste von Montenegro ist ein beliebtes Reiseziel f�r wohlbetuchte Russen.

Mirko Milanovic arbeitet im Hotel Rivijera in Petrovac in der Gastronomie. (Bild: Krsto Lazarevic) (Bild: Krsto Lazarevic)

Die Beziehungen zwischen Montenegro und Russland sind abgekühlt, seit die montenegrinische Regierung die Sanktionen mitträgt, die nach der Annexion der Krim gegen Russland erlassen wurden. Montenegro möchte in die EU und die Nato. Bis Ende 2015 wird die Nato entscheiden, ob Montenegro die Bedingungen für eine Mitgliedschaft erfüllt. Die Bedenken einiger westeuropäischer Staaten, eine Aufnahme der Ukraine und Georgiens in das Militärbündnis könnte zu grosse Unannehmlichkeiten mit Russland mit sich bringen, gelten für Montenegro nicht in diesem Masse.

Dabei sind bei weitem nicht alle Montenegriner für einen Beitritt zur Nato: «Djukanovic, weisst du denn nicht mehr, wie unsere Kinder 1999 getötet wurden?», fragt beispielsweise ein Kommentator in der Tageszeitung «Vijesti» den montenegrinischen Ministerpräsidenten Milo Djukanovic. Während des Kosovokrieges 1999 wurde auch Montenegro, das damals noch Teil der Bundesrepublik Jugoslawien war, von der Nato bombardiert. Die Montenegriner erinnern sich daran und viele fragen sich, warum sie Mitglied eines Militärbündnisses werden sollen, dass sie einst bombardiert hat.

Die Regierung Montenegros erklärt unterdessen, dass die Zustimmung für einen Beitritt zur Nato bei 46 Prozent liege. Die Oppositionspartien und verschiedene NGOs sehen die Zustimmungsraten vielmehr bei 35 Prozent und werfen der Regierung vor, Statistiken zu fälschen.




Die Wahrzeichen von Montenegro: die Insel Heiliger Stefan und der Strand davor. (Bild: Montenegro Tourismus)

Nachdem die Einnahmen aus dem Tourismus in den vergangen Jahren immer weiter stiegen, musste Montenegro in diesem Jahr einen kleinen Dämpfer hinnehmen. Sasa Radovic, Leiter der nationalen Tourismusorganisation, schätzt, dass in diesem Jahr 15 Prozent weniger Touristen das Land besuchen werden. Viele serbische Gäste blieben schon aus, weil sie mit den Hinterlassenschaften der Flutkatastrophe zu kämpfen haben, die ihr Land im Mai heimgesucht hat. Die grösste Sorge der Tourismusbranche ist jedoch, dass russische Touristen verschnupft auf die Sanktionen reagieren und den Stränden Montenegros künftig den Rücken kehren.




Der Königinnen-Strand in der Nähe von Budva. Sieht nicht nur schön aus, sondern hat den Namen auch verdient. (Bild: Montenegro Tourismus)

Der Russe Maksim Danilov sitzt derweil vor seinem Ferienhaus unweit des Strandes von Petrovac. Es ist keine luxuriöse Villa, sondern ein bescheidenes renoviertes Steinhäuschen. Danilov sagt: «Ich verbringe hier die schönsten Wochen des Jahres und möchte mich nicht um Politik kümmern. Ich werde hier weiterhin meinen Urlaub verbringen, egal, was die unter sich ausmachen.»

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