Bei einer Podiumsdiskussion im Basler Literaturhaus stellten sich Elisabeth Ackermann, Martina Bernasconi und Baschi Dürr Fragen zur Kulturpolitik. Fazit: Kaum jemand wagte sich auf die Äste hinaus.
Die Basler Kulturpolitik, sie interessiert entweder kaum – oder sie regt zumindest niemanden auf. Diesen Eindruck gewann man am Montagabend: Keine 50 Menschen erschienen zu einem Podium-Gespräch über Kulturpolitik.
Dabei konnte man sich einen Eindruck von drei Kandidierenden fürs Regierungspräsidium machen: Elisabeth Ackermann, Martina Bernasconi und Baschi Dürr stellten sich den Fragen, die Niggi Ullrich und das Moderationsduo Guy Krneta und Steffi Klär formulierten.
Im Publikum sichtete man Mitarbeiter der Kulturabteilung (darunter Philippe Bischof und Jeannette Voirol), ebenso interessierten sich einige Kulturschaffende, Veranstalter, Journalisten und Sparten-Lobbyisten dafür, wie die mögliche Nachfolgerin, der mögliche Nachfolger von Guy Morin so tickt.
Konsens: Die Vielfalt ist gross, das Kulturverständnis ebenso
Um es vorwegzunehmen: Kaum anders als der bisherige Stelleninhaber. Zumindest nicht, wenn man Morins Parteikollegin Elisabeth Ackermann zuhörte, die sagte, sie sei sehr zufrieden mit der kulturellen Vielfalt und gestand, dass diese so gross sei, dass sie gar nicht den Überblick habe über alles, was so laufe.
Gleich geht es Baschi Dürr, der zwar ein Theaterabo besitzt, aber längst nicht alle Vorstellungen besuchen kann und an einem freien Abend «die Wohnkultur» geniesst: bei einem Bier vor dem Fernseher.
Den Überblick über die Vielfalt, so schien es anhand ihrer kulturellen Umtriebigkeit, hat am ehesten Martina Bernasconi (GLP), die auch in der Kulturkommission des Grossen Rates sitzt. Sie allerdings verhedderte sich rhetorisch ein erstes Mal zu Beginn des Gesprächs, als sie die Ansicht äusserte, Basel verkaufe sich kulturell unter Wert. Die Fondation Beyeler oder die Art Basel erhielten nicht die Repräsentation, die sie verdient hätten. (Hmm, remember «Culture unlimited»…?).
Ansonsten hinterfragte Bernasconi die führende Rolle des Kantons in der Kulturförderung: Können wir uns die «weltweit einmalig hohen Löhne» des Sinfonieorchesters weiterhin leisten? Müssen wir das Sportmuseum weiterhin retten? «Nein, irgendwann ist fertig mit Staatshilfe», sagte die GLP-Kandidatin bestimmt.
Dürr erinnerte daran, dass vieles in der Basler Kulturförderung historisch gewachsen, die meisten Gelder gebunden seien: Theater, Museen, da bleibe gar nicht mehr viel Spielraum. Man spürte, dass ihn das Präsidialdepartement in erster Linie reizen würde, weil er es zur führenden Schnittstelle der Gesamtregierung ausbauen würde.
Strassennähe ist erwünscht, aber wie sie erreicht werden sollte, darauf hatte niemand eine Antwort.
Was Veränderungen in der Kulturpolitik angeht, so lehnte er sich nicht wirklich aus dem Fenster hinaus: Vielleicht sollte man mehr Programme und Inhalte unterstützen statt Häuser und Institutionen, fragte er sich laut, ohne dann aber konkreter zu werden, wie das funktionieren soll.
Bemerkenswerter war da seine Feststellung, dass die Kulturförderung ja Geld von unten nach oben umverteile und man sich fragen könne, ob ein Teil des Geldes nicht systematischer für Integration genutzt werden solle. Dass ein bedeutender Teil der Bevölkerung nicht angesprochen wird vom Theater oder den Orchestern, darin waren sich alle drei Kandidierenden einig.
Wie man aber mehr Strassennähe erreichen könne mit der Kulturpolitik, das blieb unklar an diesem hüftsteifen Talk, der bezeichnenderweise in einem Wohnzimmer des Bildungsbürgertums stattfand und nicht an der Theke des Steinengrill.
Viel Unverbindlichkeit bei den Aussagen
Die Einigkeit darüber, dass Zwischennutzungen wichtig seien, die Jugend ihre Freiräume brauche und bei der kulturellen Mitsprache von Migranten Nachholbedarf bestehe, zeigte, dass der Graben zwischen den drei Kandidierenden nicht so gross ist. Einig waren sich die drei auch in ihrer Ratlosigkeit, wie man mit den Sparmassnahmen des untreuen «Partnerkantons» umgehen soll.
Die Unverbindlichkeit (und auch hier und da Unkenntnis), die man bei vielen Aussagen heraushörte, vermittelte den Eindruck, dass keine(r) so richtig auf das Amt im Kulturministerium zu brennen scheint. Viele Aussagen beruhten auf Glauben, auf Gefühlen, auf Fragen.
So fragte man sich am Ende dann auch als Zuhörer, wer denn nun Morins Nachfolge antreten soll. Vom passionierten Organisten zur professionellen Gitarrenlehrerin: Kumbaya My Lord, ist das die bestmögliche Alternative zum amtierenden Polizeidirektor, der sich mehr kulturelle Provokationen wünscht, wenn eine solche Provokation in Form von Papptellern zu fliegen kommt, aber nicht anders kann als seine Hunde von der Leine zu lassen?
Und: Würde die neoliberale Philosophin Martina Bernasconi als Regierungsrätin böse aus ihrem Traum erwachen, sie, die davon träumt, dass ausländische Firmen vermehrt in die Basler Weltklasse-Kultur investieren und so den Staatshaushalt entlasten sollten?
Vielleicht lag es an den Fragen, dass sich kaum wer profilierte, vielleicht wollte sich auch einfach niemand zu fest auf die Äste hinauslassen. Auf jeden Fall verliess man den Saal nicht mit der Überzeugung, wen man wählen müsse. Sondern erinnerte sich an die Qual, die auch viele US-Amerikaner in diesem Wahlherbst beschäftigt: Wer ist hier das kleinste Übel?